FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Eine Frau im Superheldinnenkostüm und ein kämpfender Mann  mit einem Messer in der Hand

MarvelDisney | Universal

„Nobody“ und „Black Widow“: Das Actionkino kehrt zurück

Bob Odenkirk als wütender Familienvater und Scarlett Johansson als Avenger auf Abwegen in zwei brachialen Spektakelfilmen mit unterschiedlichen Qualitäten.

Von Christian Fuchs

Wir verdanken Bob Odenkirk einen der großartigsten Antihelden des Serienuniversums. Als korrupter Anwalt Saul Goodman hatte er unvergessliche Auftritte in „Breaking Bad“. In seiner eigenen Spin-off-Serie „Better Call Saul“ lief Odenkirk dann aber zu absoluter Höchstform auf. Endlich durfte er all die inneren Krisen ausloten, die die Titelfigur unter der windigen Oberfläche verbirgt.

Ein Actionthriller für die große Leinwand mit diesem unverwechselbaren Schauspieler in der Hauptrolle, das klingt erstmal vielversprechend, einfach weil Bob Odenkirk die Antithese zum berechenbaren Auftreten von grobklotzigen Genreveteranen wie Jason Statham oder Gerald Butler verkörpert. Äußerlich ein Durchschnittstyp, ein unauffälliger Mann von nebenan. Die Idealbesetzung für „Nobody“, wo er einen biederen Angestellten und braven Familienvater spielt.

Ein Mann mit Schnittwunden im Gesicht sitzt an einem Tisch, raucht und gestikuliert. Vor ihm sitzt eine Katze und frisst aus einer Dose.

Universal

Als ein Einbrecher in sein Haus eindringt und Ehefrau (Connie Nielsen) und Sohn (Gage Munroe) bedroht, wirkt Hurch Mansell machtlos. Am nächsten Tag machen ihn Nachbarn und Arbeitskollegen lächerlich und stempeln ihn zum Weichei ab. Aber wir ahnen den entscheidenden Twist schon sehr früh. Hinter der bürgerlichen Fassade von Mr. Mansell verbirgt sich ein ehemaliger Auftragskiller der Regierung.

Action-Hooligans hinter der Kamera

Bei einer nächtlichen Busfahrt entlädt sich dann die lange aufgestaute Wut. Der vermeintliche Nobody stellt sich einer randalierenden russischen Gang entgegen und mutiert zur kaltblütigen Kampfmaschine. Sicherungen brennen durch, Knochen brechen, Kunstblut spritzt. Wir erleben unzählige minutiös choreografierte und hochgradig stilisierte Gewaltduelle, wie wir sie aus der „John Wick“-Saga oder „Atomic Blonde“ kennen.

Ein Mann mit einer automatischen Waffe

Universal

Dass der Charakterdarsteller Bob Odenkirk plötzlich zur durchtrainierten Comicschablone wird, die virtuos russische Mafiosi am Fließband killt, verschenkt das eigentliche Potential des Films. Wie spannend wäre es gewesen, einen echten Biedermann in einer Ausnahmesituation zu erleben. Kontroverse Klassiker wie Sam Peckinpahs „Straw Dogs“ kommen einem in den Sinn, wo unbescholtene Bürger in die Vigilantenrolle gedrängt werden. Aber im Regiestuhl sitzt bei „Nobody“ der russische Action-Hooligan Ilya Naishuller, berüchtigt durch die Videospieladaption „Hardcore Henry“, das Drehbuch stammt vom „John Wick“-Erfinder Derek Kolstad. Und genau so wie sich eine Kombination dieser Macher anhört, ist dieser Film viel zu cool, gnadenlos überzogen, zynisch brutal, komplett vorhersehbar. Bob Odenkirk hätte ein besseres Kinovehikel verdient.

Ausbildungscamp für Auftragskillerinnen

Entschieden weniger Blut, aber noch mehr Action bietet der 24. Marvelfilm, der eigentlich schon im April 2020 in die Kinos kommen sollte. Aber aus bekannten Gründen wurde „Black Widow“ mehrmals verschoben. Erst jetzt kommen Fans von Natasha Romanoff alias Scarlett Johansson auf ihre Kosten.

Dabei haben ihre Anhänger*innen die ehemalige Spezialagentin doch schon zu Grabe getragen. In „Avengers Endgame“ anno 2019 opferte sich Romanoff im Kampf gegen den übermächtigen Thanos. Die Todesszene traf ins Herz, verabschiedete sich mit Black Widow doch eine der zentralen Frauenfiguren im Marvel Cinematic Universe. Weil das Publikum aber zurecht mehr charismatische weibliche Präsenz im Blockbuster-Actionkino einfordert, kehrt Scarlett Johansson jetzt in einem Prequel zurück.

Eine Frau im Superheldinnenkostüm setzt zum Kampf an

MarvelDisney

Der Film „Black Widow“ ist direkt nach den Geschehnissen von „Captain America: Civil War“ angesiedelt. Ein Teil der Avengers wird von der US-Regierung als Verbrecher gesucht, auch Natasha Romanoff muss untertauchen. Es sind aber nicht die amerikanische Behörden, die sie aufspüren. Auf gefährliche Weise wird Natasha an ihre Vergangenheit erinnert, als sie Teil des russischen Black-Widow-Programms war. Noch immer lässt der finstere Geheimdienstleiter Dreykov in seinem abgeschirmten Red Room kleine Mädchen zu zukünftigen Auftragskillerinnen ausbilden.

Zwei Frauen gegen das Böse

Das hört sich nach einem schundigen B-Movie-Plot mitten aus dem Kalten Krieg an, bekommt durch die australische Regisseurin Cate Shortland aber einen feministischen Twist. Um Dreykov zu stoppen, holt sich Natasha die Black-Widow-Aussteigerin Yelena (Florence Pugh) zu Hilfe. Nach heftigen handgreiflichen Streitereien kämpfen die beiden Ex-Agentinnen, die eine dramatische Vergangenheit verbindet, Seite an Seite gegen das Böse.

Cate Shortland, nicht die erste und letzte Indieregisseurin, die sich auf die strengen Regeln des Marveluniversums einlässt, versucht eine Gratwanderung. Einerseits liefert „Black Widow“ den erwartungsgemäßen Mix aus Humor, Pathos und brachialer Superhelden-Action. Zum anderen erzählt der Film auch von Frauen, die gegen Machtpolitik, Missbrauch und monströse Männer antreten.

Dreykov alias Ray Winstone symbolisiert, fast schon schmierenkomödiantisch, Putins diktatorisches Russland in einer Marvelvariante; David Harbour aus „Stranger Things“ brilliert als sowjetischer Ex-Superheld, der von besseren Zeiten träumt. Der heimliche Star des Films heißt aber Florence Pugh. Die fantastische britische Jungschauspielerin, bekannt aus „Midsommar“ oder „Lady Macbeth“, läuft neben Scarlett Johansson zur Hochform auf und wird als zukünftige Schwarze Witwe gehandelt.

Zwei Frauen begegnen sich in einer Wohnung

MarvelDisney

Das Beste an „Black Widow“ ist aber die Tatsache, dass Marvel sich hier wieder auf das Spielfilmformat beschränkt. Während sämtliche Serien auf Disney+ aus der Superheldenfabrik - von „WandaVision“ über „The Falcon & The Winter Soldier“ bis aktuell „Loki“ - vielversprechend begannen, nervte das pingelige World-building irgendwann total. „Black Widow“ bietet einfach solide Marvelaction mit einem Touch von James Bond und Jason Bourne und zwei der großartigsten Darstellerinnen überhaupt. Das reicht als Argument für einen Besuch im klimatisierten Kinosaal.

mehr Film:

Aktuell: