FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Mads Mikkelsen in "Der Rausch"

Druk

„Der Rausch“: Besoffenheit ist super

Alkoholexzess auf Dänisch: Thomas Vinterberg erzählt in seinem neuen, oscarprämierten Film „Der Rausch“ von vier Lehrern, die ein radikales Trinkexperiment starten und sich im Alkohol wiederfinden.

Von Jan Hestmann

„Besoffenheit ist super und schlägt Nüchternheit um Läng’“, sangen Die Ärzte einst in ihrer Ode an den Alkohol, „Saufen“. Der norwegische Philosoph und Psychiater Finn Skårderud würde dem sofort beipflichten. Er soll einmal gesagt haben, dass wir Menschen mit 0,5 Promille zu wenig Alkohol im Blut auf die Welt kommen. Gleichen wir dieses Defizit erst einmal aus, kämen wir besser durch unser Leben. Eine gewagte These, die im Film „Der Rausch“ vier Lehrern in der Midlife Crisis ganz gelegen kommt. Als Nikolaj (Magnus Millang) Skårderuds Vision bei einem gemeinsamen Abendessen anspricht, beschließen sie, ein Experiment zu starten, um herausfinden, was mit ihnen passieren würde, wenn sie diesen Alkoholpegel tatsächlich über einen längeren Zeitraum durchgehend halten würden. Der Start für ein Saufgelage sondergleichen, ganz im Zeichen der Wissenschaft, wie sie eifrig betonen.

So die Ausgangslage in Thomas Vinterbergs „Der Rausch“ (dän. OT: „Druk“), der heuer mit dem Oscar für den Besten Internationalen Film ausgezeichnet worden ist. Mads Mikkelsen spielt darin einen dieser vier Trinkgenossen, den Geschichtelehrer Martin. Zu seiner Schulklasse scheint er schon länger den Draht verloren zu haben, ähnlich wie auch zu seiner Ehefrau. Zunächst beteiligt er sich zögerlich an dem Experiment, kommt dann aber recht bald auf den Geschmack. Was als großer Spaß beginnt und frischen Wind in den trägen Alltag der vier Lehrer bringt, droht langsam zu eskalieren. Immer höher treiben sie den Alkoholpegel, immer schwerer wird es auch, den Rausch vor Arbeitgeber und den eigenen Familien zu verbergen.

Mads Mikkelsen in "Der Rausch"

Druk

Geschichtelehrer Martin (Mads Mikkelsen) findet wieder Lust am Lehren - nicht ganz ohne flüssige Hilfsmittel allerdings.

Thomas Vinterberg zählt nicht erst seit gestern zu einem der auffälligsten und auch radikalsten Regisseure Dänemarks. Er ist ein Meister im Inszenieren heikler Themen. In den Neunzigern gründet er gemeinsam mit Lars von Trier die Gruppe Dogma 95, die in einem Manifest einen strengen Realitätsanspruch für deren künftige Filme formuliert. Einer der bekanntesten aus dieser Bewegung heraus entstandenen Filme ist Vinterbergs „Das Fest“, in dem eine Familiengeburtstagsfeier allmählich völlig aus den Fugen gerät. Auch mit dem dänischen Starschauspieler Mads Mikkelsen, der mittlerweile ja auch in Hollywood angekommen ist, hat Vinterberg bereits in der Vergangenheit gedreht. In „Die Jagd“ spielt Mikkelsen einen Erzieher, dem zu Unrecht Kindesmissbrauch vorgeworfen wird.

Das Thema Alkoholmissbrauch bringt Vinterberg nun auf die Leinwand, wie es bisher wohl noch niemand gemacht hat: nämlich mit einer faszinierenden Leichtigkeit. Er zeigt zwar durchaus auch die Schattenseiten des übermäßigen Konsums, nie aber deutet er mit erhobenem Zeigefinder in Richtung seiner zunehmend verantwortungslos agierenden Protagonisten. Im Gegenteil - er hegt eine ausgeprägte Sympathie für ihre Schwächen und ihr irrationales Handeln. Fragile Männer, die zwischen Selbstzweifel und Eskapismus von einer Eskalation in die nächste rauschen. Aus diesem Grund funktioniert „Der Rausch“ eben nicht nur als satirisches Sozialdrama, sondern streckenweise auch als richtiger Partyfilm, der wohl in der schönsten und kuriosesten Tanzsequenz dieses Kinojahres gipfelt.

Mads Mikkelsen zeigt in Vinterbergs „Der Rausch“ jedenfalls einmal öfter, dass er zu den ganz großen Schauspielern der Gegenwart zählt. Und vor allem auch öfter das Tanzbein schwingen sollte. Und dann ist da noch dieser zentrale Song des Films, „What A Life“ vom dänischen Trio Scarlet Pleasure, eine vor Energie strotzende Pop-Hymne, die einen nach diesem wilden Ritt voller moralischer Verwerfungen beschwingt aus dem Kinosaal taumeln lässt und darüber hinaus Zeug zum Sommerhit 2021 hat. In diesem Sinne: Skål!

mehr Film:

Aktuell: