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Jessica Pilz klettert

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Jessica Pilz klettert ohne Druck bei Olympia

Eine schwere Verletzung kurz vor den Olympischen Spielen wirft Jessica Pilz in ihrem Klettertraining weit zurück. Bei der olympischen Premiere von Sportklettern kann sie daher nur mehr positiv überraschen.

Von Simon Welebil

Verletzungen sind Teil einer professionellen Karriere als Sportler*in, oft kommen sie allerdings zum ungünstigsten Zeitpunkt. Jessica Pilz ist dieses Jahr hervorragend in die Wettkampfsaison gestartet, klettert beim Boulder-Weltcup in Salt Lake City Ende Mai sogar bis ins Finale, wo ihr dann das Ringband im linken Ringfinger reißt - eine Horrorverletzung im Klettersport, die sich lange ziehen kann.

Jessica Pilz durfte den verletzten Ringfinger zunächst drei Wochen lang überhaupt nicht belasten, damit das Ringband vernarben und verheilen konnte. Danach hat sie erst langsam wieder mit Aufbautraining beginnen können, um den Finger wieder an die Belastung beim Klettern zu gewöhnen. Doch die Zeit bis zu den Olympischen Spielen ist zu knapp, um wieder in absolute Topform zu kommen. Vier Jahre Vorbereitung auf das größte Event in der Geschichte des Wettkampfkletterns sind auf einen Schlag nichts mehr wert.

Jessica Pilz klettert in Innsbruck

Moritz Liebhaber

Olympia kein Kindheitstraum

Da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass eine Teilnahme bei Olympischen Spielen im Fall von Jessica Pilz kein Kindheitstraum gewesen ist. Sie hat die Wettkämpfe als Kind nie wirklich verfolgt und ist in den Leistungssport eher reingerutscht, weil Klettern einfach ihre Leidenschaft ist, wie sie erzählt. Doch als sie gesehen hat, dass sie das Zeug dafür hat, sich für Olympia zu qualifizieren, hat sie dieses Ziel dennoch und sehr konsequent in Angriff genommen.

2018 hat Jessica Pilz begonnen, alle drei Disziplinen des Kletterns richtig zu trainieren, neben den beiden Schwierigkeitsdisziplinen Lead und Bouldern, die sie seit Jahren auf höchstem Niveau betreibt, auch das sehr unterschiedliche Speedklettern, weil die olympische Premiere des Kletterns ja im Kombinationsformat ausgetragen wird.

Das Olympiaticket im ersten Anlauf

Bei der Premiere des olympischen Kombinationsformats im Klettern bei den Kletterweltmeisterschaften 2018 in Innsbruck hat sie die Bronzemedaille gewonnen, ein Jahr später hat sie sich im japanischen Hachioji dann auch gleich im ersten Anlauf für die Olympischen Spiele qualifizieren können, wenn auch mit viel Bauchweh und nach ganz genauem Studium der Regeln. Als Zehnte in diesem Bewerb hat sie dennoch einen der sieben Startplätze für die Olympischen Spiele zugesprochen bekommen, weil drei vor ihr platzierte Japanerinnen sie aufgrund der Quotenregeln für jedes Land nicht annehmen durften.

Der eigentliche Vorteil, sich früher als andere Athletinnen voll auf die Olympischen Spiele konzentrieren zu können, hat sich dann durch die Pandemie, als über ein Jahr lang keine internationalen Wettkämpfe stattfinden konnten, wieder verflüchtigt. „Von der Form her kann man jetzt nicht wirklich sagen, wer zu den Favoriten gehört. Von dem her wird’s auch nochmal eine Spur spannender“, so Pilz.

Der Druck ist weg

Die Slowenin Janja Garnbret sollte man aber auf jeden Fall ganz oben auf der Liste haben, wenn es um die Goldmedaille geht. Sie ist in Hachioji 2019 Weltmeisterin im Lead, im Bouldern und in der Kombination geworden und hat auch heuer schon Weltcups im Bouldern und in der Kombination gewonnen. Jessica Pilz hat Janja Garnbret in den letzten Jahren zumindest im Leadklettern immer wieder herausfordern können und hatte vor ihrer Verletzung auch absolute Topresultate im Boulder-Weltcup gezeigt. Jetzt nimmt sie sich selber vorsorglich aus dem Rennen: „Früher war natürlich das große Ziel, ins Finale zu klettern und vielleicht eine Medaille zu holen. Mittlerweile ist auch schon ‚Dabei sein ist alles‘ mehr zum Motto geworden. Ich kann’s nicht mehr ändern.“

TV-Hinweis

Die Kletterbewerbe bei den Olympischen Spielen beginnen am 4.8.2021 zur für uns fernsehfreundlichen Zeit um 10 Uhr.

Die Vorfreude auf die Olympischen Spiele steigt bei Jessica Pilz dennoch, allein schon weil zum allerersten Mal auch im Sportklettern Medaillen vergeben werden und der Sport damit auch ein neues, riesiges Publikum erreichen wird.

In den letzten Wochen geht es für sie jetzt noch um das vollständige Auskurieren der Verletzung und darum, trotzdem noch möglichst viel aus der Situation rauszuholen. Und vielleicht ist das ja mehr, als sie sich denkt:

Die Form ist weg, der Druck auch. Vielleicht ist das das Gute dran und ich kann daraus noch was machen.

Und die Olympischen Spiele in Tokio sollen ja noch nicht das Ende von Jessica Pilz’ Kletterkarriere sein, höchstens ihrer Speedkarriere. Speedklettern wird bei den nächsten Olympischen Spielen 2024 in Paris nämlich nicht mehr zur Kombination zählen, worüber sie wie viele andere sehr froh ist. 2024 fühlt sich für Jessica Pilz allerdings noch sehr weit weg an. Dazwischen liegen noch drei Weltcupsaisonen, in denen Jessica Pilz vorne mitmischen will, und eben ihre olympische Premiere, bei der sie Stand jetzt nur überraschen kann.

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