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Schmied seines Schicksals

Das ist die Geschichte von Ahmed. Es ist eine Geschichte über einen starken Mann, über Nächstenliebe, schlechte Arbeitsbedingungen und darüber was es bedeutet, Europäer*in zu sein.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Ahmed ist ein starker Mann. Er hat Hände wie Zangen und Fäuste wie Hämmer. Das ist nicht verwunderlich, denn er ist der Dorfschmied aus einem Dorf nahe der Donau in Bulgarien. „Aufgewachsen bin ich nackt bei der Donau“, sagt er, „bei uns ist der Fluss aber breiter und wilder als in Österreich. Da habe ich mich frei gefühlt!“ Ahmed lächelt und zeigt mir seine große Vorderzähne.

Er meint, er sei wie dieser Pulverkaffee – drei in eins, gleichzeitig Bulgare, Türke und Rom. „In meinem Dorf sind wir alle so – echte Europäer. Das ist doch die Idee vom vereinten Europa, nicht wahr, keine Grenzen, ein Volk! In meinem Dorf sind wir alle Europäer durch und durch!“

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Ahmed hat in Bulgarien einen Kredit genommen, um ein Haus für seine fünf Kinder zu bauen. Es war unmöglich, diesen Kredit mit seinem Verdienst als Dorfschmied zurückzuzahlen und er machte sich auf dem Weg nach Europa. Er weiß, dass man mindestens drei (?) Sprachen sprechen muss, um in Europa zurechtzukommen. Und er spricht ganze vier: Bulgarisch, Türkisch, Romanes und Rumänisch.

Ahmed gehört zum neuen Nomadenproletariat Europas. In den Niederlanden hat er Salat gepflückt und in Frankreich Spargel. In Belgien war er Eisenbieger und in Österreich Spachtler. Ahmed ist bereit, jede freie Position am Arbeitsmarkt einzunehmen. Ihm ist egal wo und was. Er hat seine zwei Hände, sein Lächeln und seine Arbeitswilligkeit. Er ist unglaublich ehrlich. Deshalb wird er oft von diversen Arbeitgebern betrogen. Einmal wollte ihn sein holländischer Chef in einem Lokal, wo Ahmed Teller gewaschen hatte, nicht bezahlen. Der Chef versuchte, Ahmed vor die Tür zu schieben, aber er hielt sich mit seinen riesigen Händen fest. Der Holländer wollte ihn schlagen, Ahmed duckte sich und der Chef verletzte sich an der Hand. Er brach sich einen Finger und blutete. Danach rief er die Polizei, die ohne Wenn und Aber Ahmed verhaftet hat. Niemand wollte von seinen nicht bezahlten Löhnen hören. Heute erzählt mir Ahmed ruhig darüber, ohne sich zu ärgern. Er hofft, dass es seinem ehemaligen Arbeitgeber gut gehe. „Denn wie wird er Leuten wie mir den Mittelfinger zeigen können mit krummen Fingern?“ , fragt er rhetorisch.

Ich fand einen Schlafplatz für Ahmed in Wien und er schenkte mir ein Kleidchen für meine Tochter, das er mit seinem letzten Geld gekauft hatte. Ich versuchte ihm zu erklären, dass er das Geld mehr brauchte, er wollte ja seinen Kredit zurückzahlen und bei seinen Kindern sein. Er lächelte mich mit seinen Riesenzähnen an. „Wir sind alle Europäer und wir sollen uns helfen!“ Danach klopfte er mir auf die Schulter, was sich wie ein Schmiedhammer anfühlte. „Melde dich mal bei mir!“, sagte er und verschwand in der Menschenmenge.

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