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Film Nebenan, Daniel Brühl

Warner Bros.

Daniel Brühl spielt in seinem Regiedebüt Daniel Brühl

In seinem Regiedebüt spielt Daniel Brühl auch die Hauptrolle, die sehr nahe an seinem eigenen Leben dran ist. In einer Berliner Eckkneipe trifft der Protagonist des Films auf einen Mann, der es nicht sonderlich gut mit ihm meint.

von Philipp Emberger

Frühmorgens in einer Berliner Bobo-Luxuswohnung mit Blick auf den Fernsehturm müht sich Daniel (Daniel Brühl) auf der Rudermaschine ab. Es folgt ein instagramworthy Frühstück mit perfekt drapierter Früchtebowl, der Kaffee kommt aus der auf Hochglanz polierten Maschine. Daniel, der Protagonist des Films, ist ein deutsch-spanischer Schauspieler und auf dem Weg zu einem Filmcasting nach London. Es könnte sein großer Tag werden, schließlich winkt eine Rolle in einem Film eines großen amerikanischen Superheldenfranchises.

Die Parallelen zu Daniel Brühl selbst sind bis hierher bereits überdeutlich und werden im Laufe der 90-minütigen Tragikomödie noch stärker. Genau wie der Protagonist in „Nebenan“ ist auch Brühl deutsch-spanischer Herkunft, die Rolle im Superheldenuniverum hat er 2016 ergattert. In Marvels „Captain America: The Civil War“ war Brühl als Bösewicht zu sehen. Ob Brühl und seine filmische Version sich den Hang zur Eitelkeit und Arroganz teilen, bleibt dann zwar Spekulation, die aber immerhin für etliche selbstironische Momente sorgt.

Film Nebenan, Daniel Brühl

Warner Bros.

Feedbackstunde in der Kneipe

Bevor es für Film-Daniel zum Flughafen geht, zieht es ihn noch in die Eckkneipe „Zur Brust“. Dort angekommen trifft er auf einen älteren Herrn (Peter Kurth), der an der Bar sitzt. Bruno verwickelt den Schauspieler in ein Gespräch. Hier beginnt der Film so richtig und mutiert zu einem Kammerspiel.

Schnell stellt sich nämlich heraus, dass Bruno es mit Daniel gar nicht so gut meint; das Feedback zu dessen Filmen fällt vernichtend aus. Der Stasi-Film gefalle ihm nicht wirklich (eine Anspielung auf „Good Bye, Lenin!“), die Performance des Schauspielers sei eine Katastrophe und überhaupt sei das zu viel „Wessi-Romantik“. Das nachgebaute Boston in „Mindful“ (eine Anspielung auf „The Alienist“) kann Bruno auch nicht überzeugen und überhaupt sieht er immer nur Daniel in dessen Rollen, aber nie die Rollenfigur.

Der Ton wird rauer

Das anfangs noch scheinbar harmlose Geplänkel der beiden Männer, das gespickt ist mit grenzüberschreitenden Enthüllungen, wird zunehmend aggressiver und bedrohlicher. Bruno macht den Namen der Eckkneipe „Zur Brust“ zum Programm und knöpft sich Daniel - die Abgrenzung zwischen Schauspieler und Figur spielt zu diesem Zeitpunkt schon keine Rolle mehr - und dessen Lebensstil vor. Dafür hat er auch ordentlich im Privatleben des Superstars gekramt und konfrontiert ihn mit intimen Fakten.

Film Nebenan, Daniel Brühl

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Die Dartpfeile sind nicht das einzige, was in „Nebenan“ fliegt

In bitterbösen Dialogen liefern sich die Beiden fast den kompletten Film hindurch einen verbalen Schlagabtausch und streifen dabei ein großes Themenspektrum. Da geht es etwa um Gentrifizierung und deutsche Ost-West-Konflikte und es fallen Stichwörter wie „Lügenpresse“. Zudem wird gnadenlos mit der vermeintlich besser gestellten Gesellschaftsschicht abgerechnet.

Humoristische Töne

Die dabei verhandelten Themen verknüpft Drehbuchautor Daniel Kehlmann, ein nicht weniger bekannter Daniel, geschickt mit humoristischen Tönen. Den „Danny-Touch“ bringt also nicht nur der Film-Daniel in seine Filme, den gibt es in „Nebenan“ auch hinter der Kamera. Entstanden ist das Drehbuch nach einer Idee Brühls, Kehlmann hat sie in ein überzeugendes Skript gepackt. Es sind nur wenige Stellen und kleinere Details, aufgrund derer sich der Film den Vorwurf der Konstruiertheit gefallen lassen muss. Hauptfigur Daniel verlässt ein Mal zu viel die Eckkneipe, um dann wieder zurückzukehren, weil ein Satz Brunos noch in ihm nachhallt.

Film Nebenan, Daniel Brühl

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Die Freundschaft währt nicht lange

Insgesamt nutzen Brühl und Kurth die Drehbuch-Vorlage nahezu perfekt für ihren Schlagabtausch. Kurth spielt sich dabei zum kongenialen Gegenüber von Brühl auf. Gemeinsam machen sie „Nebenan“ zu einer sehenswerten Tragikomödie mit schwarzem Humor und einigen Denkanstößen. Im Zusammenspiel der beiden Schauspieler entsteht auch ein Sog, der die 90 Minuten ziemlich schnell vergehen lässt. Das Regiedebüt von Brühl ist somit gelungen, auch wenn ihn die Kritiken wohl wenig interessieren werden. Die größte Kritik an sich liefert er mit dem Film ja gleich selbst.

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