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Buch

Von Herren und ihren Hunden mit Liebeskummer

„Ich will kein Hund sein“ von Alma Mathijsen beschreibt genüsslich den verzehrenden Schmerz nach einer Trennung. Mit einem herrlich absurden Heilmittel. Aus Liebeskummer will sich eine Frau in einen Hund verwandeln lassen. Dann kann sie endlich wieder mit ihrem Ex zusammen sein und ihm übers Gesicht schlecken.

Von Diana Köhler

Liebeskummer tut weh und ist einfach nur scheiße. Punkt. Von wohlmeinenden Freund*innen und Bekannten kommt dann oft der Satz: „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Aber was wissen die schon von meinem Schmerz?! Und was, wenn sich die Zeit nicht für meinen Kummer interessiert?

Meistens haben die Leute aber recht. Der Schmerz lässt nach und irgendwann kommt man drauf, dass man das Hobby des Partners sowieso immer doof fand und dass das Lieblingsparfum der Verflossenen eigentlich ziemlich gemüffelt hat. Ach ja und seine Witze waren meistens schlecht. Wie konnte man die überhaupt einmal witzig finden? Dumme Freunde hatte er auch, alle immer total sexistisch.

Bitte komm’ zurück

Für die namenlose Protagonistin im Buch „Ich will kein Hund sein“ ist ihr Ex-Partner aber auch lange nach der Trennung immer noch perfekt. Sie leidet. Sehr. Ihr geht es einfach nur hundeelend. Sie schleppt sich durch den Alltag, bekommt nicht einmal den kleinsten Bissen hinunter. Wie verfault fühlt sie sich, stirbt langsam dahin, wie die Zimmerpflanzen im Schlafzimmer. Alles, woran sie denken kann, ist der gemeinsame Parisurlaub (Einfach nur perfekt!), der Song, den er für sie geschrieben hat (Was für ein musikalisches Genie!), der Sex nach dem Ausgehen im Morgengrauen (Mit keinem war der Sex je besser!).

Cover

C. H. Beck

Erschienen ist das Buch bei C. H. Beck. Übersetzt hat es Andreas Ecke.

Der erste Teil der Novelle „Ich will kein Hund sein“ ist schwer zu lesen. Er zieht sich. Das Leiden der Protagonistin und der Liebeskummer triefen richtig aus dem Buch heraus. Es ist beim Lesen fast verwunderlich, dass die Seiten nicht schon ganz nass sind vom Geheule darin. Alma Mathijsen übertreibt maßlos mit ihren Beschreibungen, aber gerade das macht das Ganze so realistisch.

„Darf ich wieder zurück? Ist es überstanden? Darf ich wieder atmen? Darf ich wieder zusammen mit dir Süßigkeiten einkaufen? Oder einfach nur ins Kino gehen? Oder einen Tag normal essen, statt zu hungern? Darf ich wieder einmal etwas schreiben, ohne dass meine Gedanken sofort zu dir abschweifen? Und wenn das alles nicht geht, darf ich dann bitte sterben?“

Wir haben die Lösung für Ihr Problem

Die Protagonistin befolgt die Regeln des Herzschmerzes: alle Fotos löschen, den Ex auf Social Media blockieren, Zeit mit Freund*innen verbringen, süße Tiere streicheln. Aber nichts scheint zu helfen. Als sie eines Nachts den Kopf verzweifelt gegen die Computertastatur schlägt, poppt da plötzlich eine Website auf. Am Bildschirm erscheint ein Hündchen. Es ist die Seite einer Firma, die Menschen in Hunde verwandeln kann. Nach der Verwandlung werden dann Hund und Ex-Partner des Hundes (des Menschen?) zusammengeführt. Und wenn der Ex-Partner Hunde gar nicht mag? Auch kein Problem, dafür gibt es Mittel und Wege.

„Wie viele andere Menschen möchten Sie ein Hund werden. Das Leben eines Hundes ist spielerisch und voller Überraschungen. Die Vorhersehbarkeit Ihrer Tage wird Sie nicht mehr stören, sondern im Gegenteil beglücken. Hunde sehen die Welt anders, vor allem bekommen sie von ihren Besitzern viel Liebe, und genau darum geht es uns. Wir sind für die Menschen da, die von unserer Gesellschaft verachtet werden, für die Verlassenen, die Verschmähten, die Partner, die ihre Beziehung gern fortgesetzt hätten. Die immer noch in den geliebten Menschen verliebt sind, der sie verlassen hat. Menschen, die Liebeskummer nicht als Endstation betrachten. Denn das muss er nicht sein."

Wer ist ein braves Wuffi?

Ab dem Zeitpunkt der Verwandlung wird es absurd. Es ist einfach nur herrlich. Die Transformation geht nämlich recht langsam vor sich. Zunächst verbessert sich nur der Geruchssinn der Protagonistin und sie bekommt immer mehr Haare am Körper, doch dann beginnt sich auch ihr Verhalten zu ändern. Bald kann sie nicht mehr in die Öffentlichkeit gehen, die Frau wird wirklich zum Hund.

„Ich will immer noch über die Wunde des Mannes lecken. Die Kruste glänzt in der Sonne, sie ist schon überflüssig, ich kann sie abknabbern. Reiß dich zusammen. Ich bin noch ein Mensch und habe Tabletten in der Tasche, und die werde ich auch einnehmen. Soll ich mich von der Bank gleiten lassen? Die Wunde schmeckt bestimmt salzig. Meine Zunge rutscht wie von selbst heraus, sie kommt mir größer vor als gestern. Die Frau mir gegenüber schaut mich erschrocken an.“

All das stört die Protagonistin aber nicht wirklich. Sie kann ihre vollständige Transformation gar nicht mehr erwarten. Denn dann kommt sie endlich wieder zu ihrem Ex und kann ihm ihre Schnauze zwischen die Beine schieben und ihn ungehindert anspringen, und das wird ihn auch in der Öffentlichkeit nicht einmal stören.

Die Protagonistin kann ihre Transformation beenden, ist ganz selig mit Fell und Stupsnase und allem was dazugehört. Dennoch endet das Buch ganz anders als erwartet.

Ähnlicher Vibe wie in „The Lobster“

Das alles beschreibt Alma Mathijsen mit einer Selbstverständlichkeit, die eine gespenstische Stimmung verbreitet. Ein bisschen erinnert diese Selbstverständlichkeit an den Film „The Lobster“ von Giorgos Lanthimos: Es ist eine Welt, wie wir sie kennen, im ersten Moment erscheint sie völlig normal, und doch passiert da etwas für die Zuseher*innen komplett Absurdes, das nicht sein kann. In der Welt der Geschichte macht es aber einfach nur Sinn.

„Ich will kein Hund sein“ badet sich in Schmerz und hündischer Unterwürfigkeit, was anfangs etwas anstrengend sein kann. Doch ist man einmal drinnen, ist es super befriedigend, nach Herzenslust mitzuleiden. Spätestens mit der Transformation zum Hund ist das Buch einfach nur mehr lustig-schräg und man möchte am liebsten mit den Hunden zusammen den Mond anheulen.

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