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„Die Nachricht“ von Doris Knecht

Eine Frau erhält eine anonyme Nachricht. Mit privaten Details, die nur jemand aus ihrem engen Umfeld wissen kann. Die Nachrichten häufen sich und erreichen auch Leute in ihrer Umgebung. Plötzlich ist nicht mehr klar, wer das Opfer ist. Doris Knecht macht’s spannend!

Von Zita Bereuter

„Die erste Nachricht kam an einem Sonntag im September.“ Eine ihr unbekannte Person fragt die Ich-Erzählerin Ruth Ziegler, ob sie eigentlich von der Affäre ihres prächtigen Ehemannes wisse. Ja, weiß sie. Sie schon. Aber sonst weiß das kaum wer.

Von der Affäre hat Ruth erst nach seinem Unfalltod vor vier Jahren erfahren. Mittlerweile hat sie sich von dem Schock, der Trauer und der Wut befreien können und führt mit ihren beiden Söhnen und der Stieftochter ein zurückgezogenes Leben am Rand einer Kleinstadt unweit von Wien. In einem gemütlichen Holzhaus hat sie ihre Ruhe, kann sie als Drehbuchautorin schreiben und allein sein. Das ist sie gern, wissend, dass sie einen kleinen feinen Freundeskreis hat. Außerdem hat sie vor kurzem einen interessanten Mann kennengelernt, mit dem sie sich durchaus mehr vorstellen kann. So weit, so entspannt, so gut, bis zu dieser ersten Nachricht. Und es bleibt nicht bei einer, bald bekommen auch Leute in ihrem Umfeld böse und verletzende Mitteilungen.

Damals dachte ich noch, dass ich, anders als andere in meinem Umfeld, mein Leben im Griff hätte, weil ich mich für stärker, schlauer, abgehärteter und robuster hielt als sie. War ich vielleicht auch, aber es half mir nichts. Im Gegenteil.

Das Thema „Hass im Netz“ und die Belästigungen, denen Frauen oft ausgesetzt sind, durch Bedrohungen und sexuelle Gewaltfantasien von Männern, beschäftigen Doris Knecht schon länger. Die „Bierwirt“-Geschichte hat sie befeuert, diesen Roman zu schreiben. Mittlerweile gibt es viele Berichte und Untersuchungen zu dem Thema, erzählt Doris Knecht im Interview: „Aber ich möchte, dass man es spürt. Was passiert in einem, wenn man plötzlich anonyme Nachrichten aus dem Netz bekommt? Bedrohungen, Beschimpfungen von jemandem, wo man weiß, der weiß Dinge über einen, der muss irgendwie vielleicht aus dem Umfeld stammen. Und diese Verunsicherung, die das auslöst, dieser Vertrauensverlust, den wollte ich fühlbar machen.“

Buchcover: Ein Haus mitten im Grünen

Hanser Verlag

Doris Knecht: Die Nachricht ist bei Hanser Berlin erschienen.

Plädoyer fürs Allein-Sein als Frau

Doris Knecht versteht es, diese Bedrohung spannend aufzubauen. Die Figuren könnten alle aus Knecht-Kolumnen entsprungen sein. Lebensnah gezeichnet, lernt man sie und auch Ruth Ziegler nach und nach kennen. Hier lebt eine selbständige Frau, die ihre Ruhe haben will. Eine Frau, die „ein lebendes Gegengewicht“ sein will „in dieser unnatürlichen Ordnung der Männer-Frauen-Dinge“. Die autonom, selbstbewusst und stark ist.

Derartige Frauenfiguren vermisst Doris Knecht in der Literatur. Im Gegensatz dazu ist der allein lebende Mann, der lonely wolf, ein häufiges Motiv. „Bei Frauen erwartet man recht oft, dass sie einen Versorger haben oder einen Beschützer. Wenn sie das nicht haben, werden sie entweder als bedürftig dargestellt oder aber sie sind auch oft eine Bedrohung für Männer.“ Manche Männer haben ein Problem mit diesem Frauentypus, weil sie von diesen Frauen für verzichtbar gehalten werden, erklärt Doris Knecht. Die würden dann auch aggressiv werden. Also zeigt sie mit Ruth Ziegler eine Frau, „die in sich sicher ist. Die dann aber in eine Unsicherheit gedrängt wird, die von außen kommt, weil jemand in ihrem Umfeld ihr diese Sicherheit nicht gönnen möchte.“

Opfer-Täter-Umkehr

Erschreckend schnell wird der Protagonistin auch unterstellt, dass sie sich da etwas einbildet oder dass sie da möglicherweise etwas provoziert. Ein gesellschaftliches Phänomen, das Doris Knecht auch in Erziehungstraditionen sieht. Man erwartet von Frauen „eine gewisse Zurückhaltung, auch teilweise eine gewisse Unterwürfigkeit, und wenn sie das nicht bringen, dann sucht man die Schuld oft bei ihnen, wenn ihnen was zustößt“. Sei es wegen der Art, wie sie auftreten, sich anziehen oder in der Öffentlichkeit sprechen. „Man sieht die Schuld hier nicht bei den Tätern, sondern sucht sie bei den Opfern.“

Whodunit

Äußerst spannend klärt Doris Knecht schließlich die Nachrichtenquelle auf. Spannung ist ihr wichtig. „Nicht, dass die Figuren sympathisch sind. Nicht, dass jeder sich mit der Art der Geschichte identifizieren kann, sondern dass es spannend ist und dass man weiterlesen möchte. Auch wenn es nicht die eigene Lebenswelt total berührt.“

Einmal mehr zeigt Doris Knecht ihr Können und ihren Humor in der Beobachtung des Alltags und der Personen und vor allem in den Dialogen. „Also ich werde immer von meinen Töchtern ausgelacht, weil ich offenbar immer mitrede beim Schreiben. Ich merke das gar nicht. Aber bei den Dialogen kommt mir das vielleicht zugute, weil ich das tatsächlich immer so lange mir selber vorspreche, bis ich das Gefühl habe, das funktioniert.“ An den Dialogen arbeitet sie am längsten, „bis da die Nuancen stimmen. Ich stell mir das ganz genau vor, wie das Gespräch funktioniert, und wie das Tempo in dem Gespräch ist, und spreche solange den Dialog, bis er passt.“

Was willst du denn hören?“ fragte Manuel am Telefon. Ich sagte, am liebsten etwas Beschwingtes und Modernes, und er lachte mich aus, wer sagt denn heute noch beschwingt, das macht dich total alt.
„Ja, halt was zum Autofahren“, sagte ich und war unangenehm berührt, weil mein Sohn mich auslachte, „etwas, das nicht nervt.“ Es nervte mich, dass er mich auslachte.
„Wo fährst du denn hin?“
„Triest.“
„Aha. Mit Johanna?“
„Nein.“
„Wer fährt mit?“
„Geht dich nichts an, mein Sohn. Mach einfach die Playlist, ich will nicht länger als nötig italienische Sender hören müssen.“

Wie immer spielt Musik eine Rolle in Doris Knechts Texten. Aus diesem Grund hostet sie am Sonntag, 25. Juli ein Gästezimmer auf FM4 mit Musik aus und zu ihrem Roman „Die Nachricht“.

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