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Eliza Shaddad

Flore Diamant

Eliza Shaddad und ihr starkes Storytelling

Eliza Shaddad hat mit der britischen Electronic-Band Clean Bandit gesungen und war auf Tour mit alt-J oder Rudimental, ihr Herz gehört aber dem Folk. Die Indie-Folk-Songschreiberin veröffentlichte nun drei Jahre nach ihrem Debütalbum ihr neues Album „The Woman You Want“. Pandemiebedingt entstand es nicht wie geplant in einem Aufnahmestudio, sondern bei ihr zuhause in Südwestengland.

Von Eva Umbauer

Es gibt Tage, da klappt nichts so richtig, aber alles ist wie weggeblasen, als das Gesicht von Eliza Shaddad im FM4-Interview via Zoom am Computerbildschirm auftaucht. Eliza ist eine grundoptimistische Person, kein gekünstelt positiver Mensch. Etwas verschämt sage ich am Schluss unseres Gesprächs zu ihr: „You are a true inspiration“. Ich glaube, ich habe das noch nie zu einer/einem Künstler*in gesagt. Es ist einfach das Gesamtbild - ihre Songs, wie sie über sich und ihre Musik spricht, ihre unendliche Geduld, als es anfangs technische Probleme bei unserem Interview gibt. Vielleicht ist das ja weil Eliza Shaddad echte Probleme kennt, etwa im Leben vieler, vieler Menschen im Heimatland ihres Vaters, dem afrikanischen Staat Sudan.

Elizas Großmütter

Der Vater von Eliza Shaddad ist Astro-Physiker, seine sudanesische Familie hat Eliza immer große Liebe entgegengebracht. Die Herzenswärme, die auch ihre sudanesische Großmutter hatte, wird Eliza Shaddad nie vergessen. Ihre afrikanische Oma ist ja bereits verstorben, ebenso wie ihre schottische Oma. Beide Frauen hatten ein gutes Alter erreicht, aber der Abschied von den Großmüttern hatte auf eine Weise schon früher stattgefunden. Demenz heisst dieses sehr aktuelle Thema. „In The Morning (Grandmother Song)“ hat Eliza Shaddad den Song dazu. Er hat etwas Dunkles, es ist experimenteller Heavy-Folk mit einem Dreampop-Einschlag, während ein Song wie „Blossom“ hingegen eine zarte Ode an den Frühling ist, an den Neubeginn.

In „Blossom“ kommt auch ganz subtil eingesetzt die Oud vor, das arabische Zupfinstrument, eine Art orientalische Laute. In diesem Fall ist es genau gesagt die sudanesische Zaghrouda. Aber auch ein wenig elektronische Elemente gibt es in den neuen Songs von Eliza Shaddad, etwa beim folkigen, aber auch elektronisch blubbernden „Tired Of Trying“, oder dem poppigen „Waiting Game“ mit den flüchtigen Vocals von Eliza Shaddad.

Als Eliza Shaddad vor einigen Jahren in London als Straßenmusikerin unterwegs war, fuhr ein junger Mann auf einem Fahrrad an ihr vorbei. Er hielt an, kehrte um und fragte Eliza, ob sie nicht auf einem Track seiner Band singen wollte. Es war Jack Patterson von der englischen Electronic-Band Clean Bandit. Eliza sang schließlich gleich bei mehreren ihrer Tracks mit.

Eliza Shaddad war zusammen mit Clean Bandit auf Tour, ebenso mit anderen englischen Bands wie etwa alt-J oder Rudimental. Aber sie wollte ihr ganz eigenes Ding machen, inspiriert von allerlei Musik. Eliza hörte als Kind und Teenager die Platten ihrer älteren Schwester - etwa den Grunge-Rock von Courtney Love und ihrer Band Hole, aber auch andere in den 90ern bekannt gewordene US-Musikerinnen - Fiona Apple oder Tori Amos -, und sie hörte englische Bands wie Portishead oder Radiohead, aber auch die Heavy-Rocker von System Of A Down.

Philosophie und Jazz

Etwas später schor sich Eliza Shaddad den Kopf kahl und ging zu lokalen britischen Folk-Festivals. Sie begann, sich den Traum vom Musikerinnenleben zu erfüllen und studierte nach Philosophie dann noch in London Jazz. Die Gitarre hatte sich Eliza Shaddad mit 16 selbst beigebracht, sie lebte damals gerade in Russland. Als Kind hatte sie Klavier gelernt. Als Eliza Shaddad acht Jahre alt war, schrieb sie ihren ersten Song, nämlich als sie gerade im Schulbus saß.

Noch vor Beginn der Pandemie war Eliza Shaddad aus London weggezogen - nach Cornwall in Südwestengland. Im englischen Südwesten hatte Eliza schon ihr erstes Album aufgenommen. Der Umzug war eine gute Entscheidung. Das Verlegen des Wohnorts ist Eliza Shaddad gewohnt, sie lebte, als sie aufwuchs, in insgesamt sieben Ländern. Alle drei Jahre zog man um, im Rahmen der Tätigkeit von Elizas Mutter, die für das British Council arbeitet. Das British Council ist eine gemeinnützige Einrichtung zur Förderung internationaler Beziehungen. Es geht um den Austausch zwischen Menschen aus Großbritannien und anderen Staaten, vor allem in den Bereichen Bildung, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft.

Von Russland bis Nigeria

Die Stationen von Familie Shaddad waren Spanien, Polen, die Slowakei, Russland, Nigeria oder Sudan. Elizas Vater lebte und arbeitete währenddessen die meiste Zeit im Sudan. Einen Song auf ihrem neuen Album nennt Eliza Shaddad „The Man I Admire“. Ihr Vater ist einer der Männer, die sie bewundert; der Mann, den sie kurz vor der Pandemie geheiratet hat, ein anderer. Er ist ein Producer, und, so lacht Eliza Shaddad im FM4-Interview, immerhin hat die Beziehung die schwierige Pandemiezeit bisher gut überstanden.

Dass das neue Album von Eliza Shaddad in einem kleinen Raum bei ihr zuhause am Land entstanden ist, hört man nicht wirklich, denn die Platte klingt viel größer als dieser kleine Raum in der englischen Provinz es vermuten lassen würde. Der orchestrale Song „Now You Are Alone“ erinnert ein wenig an die englische Musikerin Natasha Khan aka Bat For Lashes und „Heaven“ ist ein fast schon epischer Track über die Schwierigkeiten des Lebens.

Die Pandemie hielt, wie bei so vielen anderen Musiker*innen, Geplantes an. Es wäre alles in dem Studio, wo wir aufnehmen wollten, nicht gegangen, meint Eliza Shaddad, denn es wären zu viele Menschen gewesen. Also musste sie sich für den Nachfolger zu ihrem ersten Album, dem vor drei Jahren erschienen „Future“, umorientieren und neu anpassen. Es klingt so, als ob ihr das gar nicht so schwergefallen sei. Oder doch? „Fuck you, just tell me what you want me to say instead of screwing with my head for days“, singt Eliza Shaddad verärgert im etwas an 90s-Indie erinnernden Pop/Rock-Song „Fine & Peachy“, der einen Groove hat.

„‚The Woman You Want‘ is a record of me figuring myself out. I’d been wrestling with the idea of wanting to be a better human, a better woman, a better wife, better friend, better daughter… and not really feeling capable of it… and so the title, and title song, came out as a direct challenge really, to me, and to the listener.“

Plattencover von Eliza Shaddads "The Woman You Want". Shaddad sitzt mit Brautschleier auf einem Hochstuhl

Ferryhouse/Rough Trade

„The Woman You Want“ von Eliza Shaddad ist bei Ferryhouse/Rough Trade erschienen.

Neben „The Man I Admire“ gibt es am neuen Album von Eliza Shaddad auch einen Song der „The Woman You Want“ heißt. Dabei handelt sich um den Albumtitelsong. Eliza Shaddad ist Feministin und im Songtitel - und letztlich dem ganzen Album - geht es um das Thema „Was wird von einer Frau erwartet?“ Das englische Indie-Folk-Trio The Staves - bestehend aus den drei Schwestern Staveley-Taylor - widmet sich auf ihrem aktuellen Album, „Good Woman“, auf ihre Weise ebenfalls diesem Thema. Eliza Shaddad mag The Staves, ihr Indie-Folk-Stil ist aber ein anderer.

Wellenreiten

Am Tag als das neue Album von Eliza Shaddad veröffentlicht wurde, feierte Eliza. Sie ging mit einer Freundin, die auch beim Entstehungsprozess von „The Woman You Want“ nicht unwichtig war, zuhause in Devon an den Strand. Mit dem Surfbrett unter dem Arm warfen sich die beiden Frauen in die Fluten. Das Wasser war zwar recht kalt, aber heraußen war es heiß, jedenfalls für englische Verhältnisse. Es war ein schöner Tag.

Eliza Shaddad liebt das Meer, überhaupt das Wasser. Sie könnte sozusagen endlos viel Zeit darin verbringen. Aber die Live-Bühnen brauchen Eliza Shaddad auch, hoffentlich klappt das bald wieder, auch mit einer internationalen Tour, wenn schon nicht mehr heuer, dann hoffentlich auf jeden Fall nächstes Jahr, denn die hymnischen, bittersüßen Songs von Eliza Shaddad sind nicht einfach Bedroom-Pop für die Kopfhörer, sondern haben einen starken Vibe in sich, der nach der Bühne ruft.

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