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Martin Blumenau

Christian Stipkovits

Erinnerungen an Martin Blumenau

Erinnerungen an Martin Blumenau

Wir trauern um Martin Blumenau
Nach kurzer schwerer Krankheit ist Martin Blumenau am 30.7.2021 in Wien verstorben.

Thomas Edlinger: „Er war neugierig, begeisterungsfähig und streitbar.“

Reaktionen zum Tod von Martin Blumenau: Wichtige Kratzbürste, Forderer und Förderer

Robert Rotifer: Die Revox-Queen. Erinnerungen an Martin Blumenau von früher.

„Es gibt Menschen, die uns schon so lange begleiten, dass ihre plötzliche Abwesenheit nur langsam begreifbar sein wird. Das ist bei mir so, die ich Martin Blumenau vor 40 Jahren kennen und schätzen gelernt habe, und das wird bei vielen Hörerinnen und Hörern von Ö1, Ö3 und FM4 so sein. Denn Martin wird fehlen: sein wacher Geist, seine kritische Haltung, sein alles hinterfragender Scharfsinn. Und seine Liebe in unvermuteten Momenten und Details. Ohne ihn hätte es FM4 nicht gegeben, ohne ihn wird Radio in Österreich ein anderes sein. Wir verneigen uns vor einer, seiner Lebensleistung. Um seinen Lieblingskünstler Bob Dylan zu zitieren: I’ve been playin’ it straight. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.“ Monika Eigensperger, FM4

„Wir haben so viele Stunden diskutiert, gelacht, gesturschädelt, uns angestunken, aber nie angetrunken (er). Neben Werner Geier war er ein großer Mentor meinereiner bei FM4. Bei meinen Besuchen im Funkhaus und nur noch 1x am Küberg war er immer der erste, der aufgestanden und auf mich zugekommen ist. So was merkt man sich. Mir zerreißt es das Herz, wenn ich an seine junge Familie denke. Großes Mundwerk, Riesenverstand, Megaherz. Du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben, Martin Blumenau.“ Christian Lehner, FM4

„Ich bin mit Martin groß geworden. Er war wahrscheinlich die journalistische Figur, die mich in meinem Leben am meisten begleitet hat. Ich habe mich oft mit ihm gestritten, weil man konnte ihm immer eine e-mail schreiben und irgendwas sagen, um dann doch einen versöhnlichen und freundlichen Austausch mit ihm zu haben. Er war aber auf jeden Fall immer eine interessierte Person, die im Leben immer lernen wollte und ehrlich offen und bereit war zu diskutieren und dies nicht nur als Fassade trug. Doch die Erinnerung, die mir am meisten bleibt, ist, wie ich einmal bei Bonustrack war und vor und nach der Sendung mit ihm erstmals Persönliches beredet habe, und er mir nur von seinen Kindern erzählt hat. Das Funkeln und die Freude hatte er bei sonst nichts. Es gibt nicht wirklich viele kluge und herzliche Menschen auf der Welt und die Welt ist nach seinem Ableben leider eine noch gschissenere.“ Mahdi Rahimi, FM4

Martin Blumenau

Radio FM4

„Urgestein, was für ein blödes Wort eigentlich. Martin Blumenau habe ich aber tatsächlich lange vor der Gründung von FM4 kennengelernt. Es war an einem dieser Mittwoche im Wiener Club U4, Ende der 80er Jahre, mein späterer Mentor Werner Geier – ebenfalls so tragisch früh verstorben – stand hinter dem DJ-Mischpult. Neben ihm ein junger Mann mit Brillen, in Bluejeans und einem roten Skianorak, was in den schrecklich schicken und uniformiert schwarzen 80ies einem Anti-Mode-Statement gleichkam. Die beide, Werner und Martin, lieferten sich heftige Wortgefechte in der DJ-Kanzel, voller Sarkasmus, ich stand als steirisches Musicbox-Journalisten-Groupie nur daneben und lauschte verwundert.
Bei eben dieser Sendung, der legendären Ö3-Musicbox, durfte ich in der finalen Phase auch intensiv mitarbeiten, da habe ich Martin näher kennengelernt. Hinter dem unscheinbaren Typen im roten Anorak verbarg sich tatsächlich ein hitziger Diskutant. Weil „Pop“ oder die Idee von Popkultur für Martin eben nicht nur mit Musik zu tun hatte. Sondern mit einem Lebensentwurf, der Politik, Kunst und so vieles mehr umfasste. Diesen Spirit brachte er dann auch als zentrales Gründungsmitglied von FM4 zum neuen Sender.
Mitten in der Sprachlosigkeit tauchen Blitzlichter auf. Martins ‚Song 2‘ Obsession. Frühe FM4 Sitzungen mit strengen und sehr klugen Kommentaren seinerseits. Nächtliche Gespräche, wo er mir beim Ausgehen erklärte, dass ‚The Wire‘ die beste Serie aller Zeiten ist und bleibt. Martins tägliches Onlinejournal voller Lob, Verrisse und spannender Welterklärungen, eine Instanz, an der man sich begeistern und reiben konnte. Ich sehe Martin und Werner jetzt irgendwo, an einen Himmel haben sie nicht geglaubt, miteinander plaudern, über Bob Dylan, Ian Curtis, über diese glühende Pop-Utopie, die jetzt ein wenig erkaltet ist.“ Christian Fuchs, FM4

„Erst vor ein paar Tagen musste ich an Martin denken. Und daran, wie wichtig es in Zeiten wie diesen ist, dass Menschen Haltung haben und ihre Meinung vertreten. Chuzpe – ein großes Wort. Für Martin Blumenau war es weit mehr als nur ein Wort (und die gleichnamige Band, die er immer gerne und oft erwähnt hat). Martin Blumenau war für mich eines der wichtigsten Vorbilder überhaupt.
Es hat polarisiert, wenn Martin Blumenau on air mit Menschen lautstark gestritten hat und sie meist kleinlaut und völlig unterlegen aufgelegt haben – wenn sie nicht sowieso davor aus der Leitung geschmissen worden sind. Wenn er Platten ungeniert verrissen hat, anstatt alles blind und beliebig zu bejubeln. Man könnte es auch mit dem heutigen Modewort ‚brutale Ehrlichkeit‘ zusammenfassen. Seine Direktheit mag nicht allen geschmeckt haben. Doch den Raum, den er damit geöffnet hat, sollte man nicht unterschätzen: Radio abseits des Mickey-Mouse-Wohlfühlprogramms auf anderen Frequenzen, das anecken darf und den Finger gerne auch dort hinhält, wo es wehtut. Das hat einen unschätzbar großen Wert. Ich habe seine Sendung immer gehört, denn sowas gab es sonst nirgends. Das war mein Pflichtprogramm, damals im Jugendzimmer im Gemeindebaublock in Wien-Floridsdorf. Plötzlich gab es da eine Welt außerhalb der Betonsiedlung. Radio FM4 und Martin Blumenau waren damals in den 1990er Jahren wie ein Anker für mich. Auch viel später noch, als ich dann über Umwege selbst dort gelandet bin.
Den ersten Kontakt mit Martin persönlich werde ich nicht vergessen: ein Mail von ihm in meinem Postfach, dass ich bitte zum FM4 Assessment-Center vorbeikommen soll. Ich hatte erst am Tag davor meine Mappe zum Sender geschickt und konnte das nicht so recht glauben. Viele gemeinsame Momente sind und werden mir in lieber Erinnerung bleiben. Eine gemeinsame Sendung zu David Bowie. Konzertmomente und die Liebe zu Bands aus der Post-Punk-Ecke. Mein liebster Moment war aber der, als ich Martin vor einiger Zeit nochmal im Sender sehen konnte. Wir haben zwischen Tür und Angel kurz geplaudert, über den Wahnsinn, in dem wir alle gerade leben. Martin war trotzdem glücklich. Und ich wünschte, ich könnte nochmal kurz die Zeit zurückdrehen und ihm ‚Danke‘ sagen. Ich werde heute noch Chuzpe für dich spielen, dein vielgeschätztes Joy-Division-Cover, das ich einst erst durch dich kennengelernt habe. Danke, Martin.“ Alexandra Augustin, FM4

„Ich erinnere mich noch sehr gut daran, als Martin Blumenau mit mir in meinem Auto gesessen ist, als wir vor Jahren vom Linz Fest nach Wien gefahren sind. Mich hat es damals sehr gefreut, dass ich Zeit hatte, mit ihm über Musik und die Welt zu plaudern. Sein Interesse und seine pointieren Fragen wechselten sich ab mit seinen humorigen Analysen der Popkultur, wobei immer eine Leidenschaft mitgeschwungen ist. Oft hat auch ein kurzes Gespräch im Lift im Funkhaus schon eine sehr persönliche Verbindung entstehen lassen, denn mit seiner Offenheit und seinem trockenen Witz konnte er sofort zu den unterschiedlichsten Menschen Kontakt aufbauen. Unter der manchmal rauen Schale spürte ich einen sensiblen und gescheiten Menschen, der es zu lieben schien, anzuecken und seine Kanten zu zeigen, aber nie aus Selbstzweck, sondern aus seinen gelebten Überzeugungen.
Seine Artikel und Analysen und die Art Radio zu machen waren unverfälscht, authentisch und hatten eine Leichtigkeit, die von großem Wissen und starken Standpunkten getragen wurden. Ich habe viel von ihm gelernt, wobei ich ihm auch verdanke, bei FM4 gelandet zu sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, Martin Blumenau nicht mehr in der Redaktion oder im Studio zu begegnen. Er wird mir fehlen. Mein Mitgefühl seiner Familie.“ Andreas Gstettner-Brugger, FM4

„Erst gestern Abend habe ich mit einer früheren FM4-Kollegin über jene aus unserem Team gesprochen, die viel zu früh gestorben sind, und wie sehr ich Bammel vor emails ‚an alle‘ habe, die nur den Vor- und Nachnamen im Betreff stehen haben. Jedesmal warf es mich um, nun bei Martin besonders. Wir kannten uns schon lange vor meiner Zeit bei FM4 und auch als Kollegen hatten wir immer einen sehr guten Draht zueinander. Martin hatte nie Angst anzuecken, Konformität war nicht sein Stil, Martin polarisierte, sein Humor klug und seine Meinungen glasklar. Er war und bleibt ein Unikum. Erst vor ein paar Wochen haben wir das getan, was Eltern gerne machen, auch wenn es nicht alle interessiert: Wir haben Fotos unserer Kinder hergezeigt und ich konnte den Stolz und die Liebe in Martins Augen sehen, als er seine kleine Tochter und seinen schon etwas größeren Sohn beim gemeinsamen Rangeln auf der Couch herzeigte. Auch das war Martin. Ein liebevoller Vater und Familienmensch. Dass seine Familie jetzt ohne ihn sein muss, das schmerzt sehr. Martin wird fehlen, an vielen Stellen.“ Eva Deutsch, FM4

Martin Blumenau

Christian Stipkovits

„Martin Blumenaus Talk-Radio-Sendung ‚Bonustrack‘ war Mitte der 90er Jahre meine erste Begegnung mit FM4. Als Teenager war ich damals naturgemäß begeistert von seiner oft forschen Art, Anrufer*innen (allermeistens waren es aber Männer) mit ihren eigenen - nicht selten doofen - Aussagen zu konfrontieren. Er war um keine Auseinandersetzung verlegen, und das war auch polarisierend, aber immer leidenschaftlich. Manchmal wurde gesagt, Blumenaus Job in der Öffentlichkeit wäre es, dass man sich an ihm reiben kann. Doch es war mehr als das. Er forderte von Gesprächspartner*innen (die ja im Fall von ‚Bonustrack‘ ihn aktiv angerufen haben) ernsthafte Aufmerksamkeit ein, wollte, dass Menschen sich mit relevanten Dingen - vor allem Politik und Medien - beschäftigen und sich möglichst kritisch und informiert ihre Meinungen bilden. Diese Überzeugung hat sich auf mich übertragen und prägt mich bis heute.“ Robert Glashüttner, FM4

„Alles, was ich über Martin zu schreiben begonnen habe, habe ich wieder gelöscht, weil es unglaublich schwierig ist, für Martin Worte zu finden.
Ich habe ihn schon vor meiner Zeit bei FM4 gekannt, nämlich über das Radio. Es war toll ihm zuzuhören, weil er mit so einer Leichtigkeit ins Mikro gesprochen hat. Jemand, bei dem man gar nicht weghören konnte.
Martin war im Real Life immer freundlich zu mir und aufmerksam, er hatte immer einen nicen Schmäh auf Lager.
Ich habe mit ihm viele Diskussionen geführt – wo er mir sehr häufig auch eine andere Sichtweise auf so manche Dinge gezeigt hat. Auch dafür bin ich Martin dankbar. Ich mochte Martin echt gern – ein Mensch, in dessen Gegenwart ich mich immer wohl gefühlt habe.“ Christian Stipkovits, FM4

„In den neunziger Jahren, als es im Funkhaus noch keine elektronischen Zutrittskontrollen gab, spazierte ich des öfteren unangemeldet einfach so in die Musicbox- und später die FM4-Redaktion - oft mit einer frisch gepressten Platte unter dem Arm oder sogar einem gerade erst aufgenommenen Demotape frisch aus dem Proberaum. Martin Blumenau hat beides dankbar angenommen, meine Musik im Radio gespielt und live darüber gesprochen, denn er hat diese Art des Austauschs begrüßt. Seine Offenheit und Kommunikationsbereitschaft hat nicht nur dazu geführt, dass meine Band wahrgenommen wurde, sondern auch dazu, dass ich einige Jahre später selbst als Journalist bei diesem Radiosender mitarbeiten wollte. Vor einigen Monaten habe ich in der U-Bahn mit Martin über diese Zeit gesprochen. Jetzt wünschte ich, dass ich ihm an diesem Tag gesagt hätte: Danke für alles, was du getan hast, für die Radiokultur, die Musik und den Diskurs in diesem Land.“ Burstup, FM4

„Lieber Martin.
Ich geb’s zu, als ich 1999 bei FM4 begonne habe, hatte ich etwas Angst vor Dir und deiner Wortgewalt.
Angst, die später in tiefen Respekt umschlagen sollte.
Du konntest Geschichten erzählen wie kein anderer.
Etwa von Dylan-Jüngern, die einen erloschenen Vulkan anbeten - und dabei nicht bemerken, dass der Rauch, der ab und zu noch aufsteigt, nur von den eigenen Lagerfeuern stammt.
Du hast Pathos und Pose verlacht, es ging immer ums Ganze.
Du hast schon 2009 vorhergesehen, wie Österreich ins Autoritäre kippt.
Du hast schon vor 15 Jahren verstanden, was die Skispring-Windregel mit den Ungerechtigkeiten unserer Wirtschaft zu tun hat.
Du hast unsere patscherten Dialektlieder im Radio rauf und runter gespielt, weil sie dir ehrlich getaugt haben.
Du und Fritz Ostermayer haben mir einen Zugang zur Popkultur vermittelt, den ich vorher nicht kannte.
Ich danke Dir für all das und noch viel mehr.
Und ich wünsche deinen Lieben viel Kraft für diese nächste, harte Zeit.
Und natürlich auch allen bei FM4.“ Robert Zikmund, ZiB

„Ich hab mich insgesamt dreimal bei FM4 beworben. Am nervösesten war ich beim ersten Mal. Auch weil Martin Blumenau im Auswahlgremium gesessen ist und ich ihn bis dahin nur aus dem Radio gekannt hab. Ich bin in der letzten Runde ausgeschieden. Bei der Feedbackrunde am Ende des Tages hab ich mich dann am meisten vor dem Feedback vom Blumenau gefürchet. Ich hab mir schon gedacht, der macht mich fertig, und ich werd in Zukunft einen großen Bogen ums Thema Radio machen. Und dann war’s ausgerechnet er, der mir plötzlich mit ruhiger Stimme gesagt hat, wie knapp es war und dass ich es unbedingt nochmal versuchen sollte, am besten gleich beim nächsten Mal. Ausgerechnet er, der arge Blumenau, sagt das. Das war eine irre Motivation. Ich hab mich in den nächsten Jahren dann einfach so oft beworben, bis sie mich genommen haben.
Eine der am häufigsten gestellten Fragen von Freunden in meinen ersten Jahren bei FM4 war: Wie ist eigentlich so, der Blumenau, in echt? Ich hab dann meistens geantwortet: eigentlich eh genau so, wie man ihm sich vorstellt. Also zumindest solang, bis man mit ihm ins Reden kommt. Ich werd ihn und seine Stimme im Radio sehr vermissen.“ Jan Hestmann, FM4

„Wie ist Martin Blumenau eigentlich privat so, das war eine der häufigsten Fragen von Hörer*innen an die FM4 Crew bei diversen Events. Dass die Antwort darauf nun als Rückblick formuliert werden muss, ist noch unbegreiflich. Über deine Intelligenz, dein umfassendes Wissen, deine Unbeirrbarkeit und deine Haltung, Martin, ist nun viel gesagt worden. Ich möchte ergänzend erzählen, dass du, trotz aller Streitbarkeit, einer der einfühlsamsten Kollegen warst, die es gab. Ich erinnere mich an zwei Gelegenheiten, Jahre voneinander entfernt, bei denen du einen Schmerz in mir erkannt hast, von dem ich meinte, er sei nach außen unsichtbar. Du hast gewusst, wann ein Kaffee und eine Umarmung oder auch nur ein verständnisvoller Blick wichtig waren. Zu Beginn meiner Zeit im Sumpf hast du mir das schönste Email meines Lebens geschrieben. Manchmal haben wir uns gestritten, viel öfter aber geschwärmt, am öftesten wahrscheinlich nur kurz wissend zugenickt, und irgendwann haben wir gemeinsam um Philipp L’heritier getrauert. Du hast mit leuchtenden Augen von deinen Kindern erzählt, und gewissenhaft daran gearbeitet, die CD-, Papier- und Popkulturberge aus dem Funkhaus auf deinem neuen Schreibtisch am Küniglberg wieder aufzubauen. Einmal hast du zu mir gesagt, du beneidest Menschen, die sich nach all den Jahren noch immer im Innersten berühren lassen, aber ich weiß, du hast bis zum Schluss selbst zu ihnen gehört und du hast es auch gewusst. Wie war Martin Blumenau privat so? Er war so, dass der Satz Es tut mir so leid, dass du nicht mehr da bist viel zu klein und unscheinbar für das Gefühl ist. Es tut mir so leid.“ Kathi Seidler, FM4

„Lieber Martin,
unlängst bin ich wieder einmal gefragt worden, wie denn dieser Blumenau in Wirklichkeit so sei. Ich antwortete darauf wie immer: „Natürlich nicht immer leicht, aber…“.
Und dann erzählte ich, wie eine junge Radiostimme mir Mitte der 80er im Radio ein neues Album, eine „komplette LP“, es war Violent Femmes, so leidenschaftlich vorstellte, dass es mir als ankerlosen Teenager damals zum ersten Mal kam, dass Musik viel, viel, viel mehr ist. Und ich erzählte, wie Jahre später, selbst bereits ein junger Radiomacher, du als mein Chef und größter Bob-Dylan-Fan ever mich getadelt hast, dass in der Radio-Reportage über Techno zu wenig „gebrettert“ worden ist, dass ich mich mehr trauen sollte. Ja, und dann später noch: eine der Sitzungen vor dem Start von FM4, als du mit hochrotem Kopf alle angebrüllt hast, dass es hochnotwichtig wäre, dass der Wu täglich was über dieses neue Ding namens Internet berichtet.
Alles nur kleine Anekdoten, die nicht im Mindestmaß schildern können, welche Inspiration du für mich und viele andere gewesen bist. Eine Inspiration, ein beständiger Aufruf, die eigene Leidenschaft auch zu arbeiten. Und die bleibende Botschaft, dass es grundsätzlich besser ist, spitz und nicht breit zu sein.
Meine Gedanken hängen gerade an den tollen, jungen Zeiten, die ich mit dir zusammen verbringen durfte, sie sind vor allem bei deiner Familie.
Bis später und grüß mir Werner“ Hans Wu, ORF ECO

„Wie ich so kurz vor der EM mit Martin telefoniert habe, für was er denn diesmal Zeit hat, da hat er gemeint, er muss leider alles absagen, weil er jetzt schnell ins Krankenhaus muss. Das war schon ein bisschen ein Schock.
Wir haben versucht, die Europameisterschaft ohne Martin Blumenau zu covern. Aber das war natürlich nur Ersatz, weil der Martin der profilierteste Fußballkenner bei FM4, wenn nicht des Landes, war.
Er war einer der ersten, der Fußball auf moderne Art verstanden hat und der auch Fußballjournalismus nicht als Anbiederung an Sponsoren und Sportler und Sportlerinnen verstanden hat, sondern analytisch herangegangen ist. So analytisch, wie man das eigentlich in anderen Bereichen des Journalismus als selbstverständlich ansieht.
Martin war da sicherlich ein Pionier. Er hat den Sportjournalisten und Sportjournalistinnen, die heutzutage wie selbstverständlich über taktische Formationen, über Verschieben u.s.w. sprechen, den Weg geebnet.
Seit einigen Jahren gibt es in fast allen Medien, die sich mit Sport beschäftigen, Leute, die analytisch an Fußball rangehen. Das hat ihn aber nicht obsolet gemacht, weil er die Dinge einfach anders gesehen hat. Wenn alle gejubelt haben, hat er gesagt, ‚Liebe Leute, überseht das und das nicht.‘ Und wenn alle draufgehaut haben, hat er gesagt ‚Liebe Leute! So einfach kann man das nicht sehen. Das und das war gut dabei.‘
Einerseits hat er sich bei Menschen bedient, die einen noch analytischeren Zugang hatten als er, andererseits hat er selbst irrsinnig viel gewusst, irrsinnig viele Spieler gekannt. Und von diesem soliden Wissen heraus waren seine manchmal provokanten, manchmal auch kontroversen Analysen immer sehr konstruktiv. Weil sich’s halt von einem fundierten Wissen heraus viel besser meinen und debattieren lässt. Seine Fußballjournale waren für mich als Fußballfanatiker immer eine Bereicherung. Das wird mir fehlen. So wie mir der Martin fehlen wird.“ Rainer Springenschmid, FM4

„Man kann nur versuchen, die Wichtigkeit von Martin Blumenau auszudrücken - nicht nur für das, was wir hier machen können, sondern vor allem seine Wichtigkeit für die gesamte österreichische Kulturlandschaft. Zumindest mir fehlen die Worte. Was bleibt, sind Erinnerungen. An ein Wiesen-Festival vor vielen Jahren, als er viel interessierter daran war, über die lokalen Erdbeeren zu sprechen als über sich selbst, an Abende, wenn man ihn in einer Bar erkannte und nervig zulaberte, er voller Ruhe und wissendem Blick nickte und sich nicht einfach wegdrehte. Und dann später beim Aufnahmetest für FM4, als er sich als ‚Hausmeister‘ vorstellte, und ich so aufgeregt war, dass ich ihn kurz zum Lachen bringen konnte. Und dann als Mensch, der die Lebendigkeit von Radio verstand, der wusste, wie wichtig das ist, Gemeinschaft damit zu schaffen und echt da zu sein. Ich weiß, dass ich viele Dinge ohne Martin Blumenau nicht wissen würde. Danke, Martin!“ Christoph Sepin, FM4

Martin Blumenau

Clemens Fantur

Ich habe dann doch noch ein Foto gefunden. Entstanden ist es am 22. November 2019. An dem Tag hat Martin all seine Sachen zusammengepackt, weil FM4 vom Funkhaus auf den Künigelberg gezogen ist. Ich hab ihn gefragt: Das letzte Mal nach unten? Er hat gesagt: Das letzte Mal nach unten. Da hab ich ein Foto machen müssen.

„Wenn es Martin nicht gegeben hätte, würde es vieles heute nicht geben. Denn wenn es Martin nicht gegeben hätte, würde es kein FM4 geben und es würde auch wahrscheinlich 80% der heutigen Bands nicht geben. Keine Wanda, keinen Voodoo, keinen Nino. Bitte nicht bös sein, aber es ist so. Wahrscheinlich hätte es auch mich nicht als Musiker gegeben. Und jetzt in dieser Form schon gar nicht. Es hätte auch keine Studio2 Sessions im Funkhaus gegeben, die ich beinahe 40 Mal hab veranstalten dürfen und zu denen er eigentlich fast immer gekommen ist. Es würde auch keinen FM4 Literaturwettbewerb geben. Ich trau mich sogar zu behaupten, dass der österreichische Fußball ein schlechterer wäre, hätte es Martin nicht gegeben. Nein, das ist kein Scherz. Die Liste an Dingen, die Martin mitbeeinflusst hat, ist wirklich sehr lang, aber die Kolleginnen und Kollegen werden das besser in Worte fassen können, da bin ich mir sicher.
Geschichten mit Martin gibt’s genug, eine möchte ich erzählen. Als ich damals bei FM4 zu arbeiten begonnen habe (und auch daran ist Martin mitschuld), habe ich vorgeschlagen, dass er Andre Heller interviewen soll. Und zwar in seiner Villa am Gardasee. Wir haben ein Auto aus dem ORF Fuhrpark organisiert und uns auf den Weg gemacht. Drei oder vier Tage lang, genau weiß ich es nimmer. Aber man könnte es schon als Roadtrip bezeichnen. Mit einem Zwischenstopp Innsbruck zum Gardasee, wo uns der Heller dann in seinem Anwesen empfangen hat. Natürlich hat er uns auch seinen tollen Garten gezeigt. Besitzerstolz. Das Interview selbst war eigenartig. Vielleicht auch deswegen, weil Martin dann doch ziemlich nervös schien, als er den Heller vorm Mikrofon hatte. Irgendwo im FM4 Archiv muss das Interview noch zu finden sein. Ich könnte es raussuchen, will aber gerade nicht. Es müsste auch ein Foto von der Reise geben. Ich könnte es raussuchen, will aber gerade nicht. Aus dieser Sendung heraus ist dann übrigens das FM4 Doppelzimmer entstanden.
Der Martin war ein extrem lustiger, feinfühliger. Der Blumenau war ein scharfer, bissiger. Man hat auch immer gemerkt, wenn der Martin zum Blumenau wurde. Dann hat sich seine Stimme ein bisschen verändert.
Natürlich hat der Martin austeilen können. Aber er hat auch gut einstecken können. Und er hat sich auch – im Gegensatz zu vielen anderen – aufrecht entschuldigen können, das hab ich am eigenen Leib erfahren dürfen. Ich habe großen Respekt vorm Martin gehabt. Denn wenn es Martin nicht gegeben hätte, würde es vieles nicht geben.“ Clemens Fantur, FM4

„Der Blumenau
My friendship with Martin Blumenau started 28 years ago when we both worked in neighbouring offices in the Funkhaus. I was a runner for Treffpunkt Ö3 and he was an established journalist and host at what I considered the much more cool Musicbox, Radiothek und Nachtexpress. He did however contribute to Treffpunkt from time to time and that is when our paths crossed.
I came to understand he did not suffer fools gladly and this is where the real part of our true friendship started---a few months after we met, he let me know that he knew that I sometimes pretended to be dumber than I was. I’m not proud of that but it was a behaviour I acquired to avoid people maybe feeling threatened by me, especially men. Martin was protective of me and not only encouraged me to be true to myself, his acknowledgment of my potential, especially as a male colleague senior to me, really had a positive impact on my confidence as a journalist and as a young woman.
Just recently I came to him with a story idea and said, Martin, des must du machen, weil des muss auf Deutsch sein und in deinem Deutsch, und ich hab dein Deutsch ned, and he absolutely respected my suggestion and did the story and it came out exactly as eloquently and precise as I envisioned it to be because he didn’t just respect me, he respected language and storytelling and the human condition.
Of course, another thing bonded us---football. After a game when I knew he was writing the analysis to it, I would keep looking over at his desk to see if he was done yet cause I couldn’t wait to read it.
When we moved from the Funkhaus to the Küniglberg, for some reason it was decided that one of the chattiest Mitglieder der gesamten FM4 Redaktion (so that would be me) should sit beside one of the most quiet when he was at his desk (so that would be Der Blumenau) and there was a lot of laughter about that from other colleagues, hahaha die Riem und der Blumenau sitzen nebeneinander hahahaha, but it was actually perfect—he encouraged me to stay focused and I encouraged him to not stay focused (every once in a while).
He rolled his eyes when I got him a couple of plants to make his area of our desk situation less clinical and I said don’t roll your eyes at me AND I want to see a drawing by your kid on your Pinwand tomorrow cause we are at home here, baby, and he rolled his eyes again and then, the next day there was a drawing by his son on his Pinwand and a Ferrero Rocher on my part of our desk area.
All day today I have been looking at that drawing and I want to now please let Martin’s wonderful wife and gorgeous kids know how deeply sorry I am and we all are here at FM4.“ Riem Higazi, FM4

"Martin hat mir das Gefühl gegeben, ein Verbündeter im Kampf gegen den Stumpfsinn zu sein. Er hat die Konfrontation nie gescheut und hat immer intuitiv erkannt, ob etwas eine hohle Hülle oder etwas mit Herz ist. Ich erinnere mich an einen Bonustrack vor vielen Jahren, in dem er sich ausführlich für das Wort ‚Kummer‘ begeistern konnte, weil es so ein vergessenes, präzises und schönes Wort sei. Er war ein Beobachter der Zwischentöne. Ich erinnere mich, dass er jahrelang den besten Song vom Nino spielte und davon schwärmte, wie wahr der Satz ‚Nur Arbeit kann uns sagen, ob’s Ideen wirklich bringen‘ ist. Ich erinnere mich, wie ich durch ihn gelernt habe, dass nichts Schlimmes passiert, wenn man laut eine Meinung vertritt. Und genauso wie er direkt, gewagt und bereichernd argumentieren konnte, konnte er einem auch subtil und freundschaftlich, unglaublich vielsagend zunicken und damit sagen: ‚Wir verstehen uns.‘ Ich erinnere mich, dass er ‚Song 2‘ auf Sendung mit offenem Mikrofon laut mitgesungen hat - er hat sich einfach nichts geschissen, auf die sympathischste Weise - und nachher hat er die verstörten Blicke aus der Redaktion auf Sendung kommentiert. Er war ein Verfechter vom rohen, direkten und persönlichen Radio, abseits vom Gute-Laune-Bullshit.
Ich kannte niemanden, der so diskutieren konnte – nicht, um nur zu reden, sondern immer aus voller Überzeugung - immer im Kampf für die Subkultur, für das Schwierige und die Details. Für das, was mehr Lebensbegleitung als nur ein Facebooklike ist. Einer der ersten Sätze, die Martin zu mir sagte, war: „Ich glaube, du bist in deiner Intellektualität gefangen.“ Ich habe über den Satz jahrelang nachgedacht, was für die Pointiertheit seiner schnellen Beobachtung spricht. Darüber muss ich bis heute lachen. Als Kollege hat er mir Komplimente für Beiträge gemacht, die sonst kaum jemand bewusst wahrgenommen hat - ein Mail mit dem Inhalt „suuuuuuperguuuttttttt!!!!!" hat für mich von niemandem so viel Gewicht gehabt wie von ihm. Martin, ich kann es kaum glauben. Danke. Kummer.“ Claus Diwisch, FM4

„In alten Musicbox-Tagen waren die ersten Worte, die Martin mir an Montagen an den Kopf warf: ‚Der SV Schattendorf hat schon wieder verloren.‘ Ich hatte mit Fußball nie etwas am Hut, konnte deshalb auch nichts antworten, war aber stets aufs Neue verwundert, dass dieser Maniac nicht nur alle Ergebnisse sämtlicher europäischer Bundesligen aufsagen konnte, sondern auch die der kleinen Vereine in den B- und C-Klassen. Damals erschienen mir diese morgendlichen Verlierer-Sager manchmal als grotesker Vorwurf, manchmal als boshaft heitere Begrüßung, erst später erkannte ich sie als wichtigen Teil des Systems Blumenau. Nichts war diesem System unbedeutend genug, als dass es nicht dem Erkennen eines größeren Zusammenhang dienlich sein könnte. Das System Blumenau baute auf größtmögliche Genauigkeit und Differenzierung bei gleichzeitiger Leidenschaft für die Themen: Pop, Sport und Politik. Das Schöne daran: Analyse und Liebe schlossen sich dabei nie gegenseitig aus. In seinen Journalen brachte Martin sein Können endgültig zur Meisterschaft. Nicht nur in ihrer Konsequenz nötigten sie mir allerhöchste Bewunderung ab, für mich gehören diese Texte zum Bedeutendsten, was Publizistik zu leisten imstande ist. Und ich glaube auch zu wissen, woraus sich die Qualität von Martins Output speiste: aus seiner Gegenwartssucht. Martin war ein Gegenwarts-Junkie und als solcher wollte und konnte er sich – im Gegensatz zu mir – weder sentimentalen noch rauschhaften Zuständen hingeben. Nicht einmal hatte er mir in der ORF-Kantine den Kopf gewaschen, wenn ich leicht illuminiert und also unreflektiert eine für ihn krude These auf den Tisch knallte. Martin zerlegte sie meist so schnell, wie sie mir eingeschossen war, und ich konnte nur noch kontern, dass er eben ein apollinischer Charakter sei und ich ein dionysischer. In Wahrheit aber hatte ich enormen Respekt vor seinem scharfen Verstand, seinem immensen Wissen und seiner Begeisterung, beides für die Schaffung einer besseren Welt einzusetzen. Was kann Mensch mehr tun? Respekt und Bewunderung sind geblieben, große Traurigkeit kommt hinzu.“ Fritz Ostermayer

„Gestern ist mein Kollege und Mitbegründer von FM4, Martin Blumenau, gestorben. Diese Nachricht trifft mich tief, es war schwer, in den letzten Stunden an etwas anderes zu denken. Ich hab die Sendungen von Martin genauso gehört, wie wir alle, als Fan, als Zuhörer, nicht als Kollege. Als Kollege UND Fan seiner Arbeit habe ich allerdings viel gelernt, einiges davon prägt auch meine Arbeit und mich als Mensch. Martin und ich mögen nach außen hin vielleicht so etwas wie gegensätzliche Pole bei FM4 darstellen: er kritisch, unbestechlich, strictly no bullshit, viel Wort. Ich die Partymaschine, die dabei helfen soll, für ein paar Stunden das Rundherum zu vergessen, viel Musik. Großer gemeinsamer Nenner: ständige Neugier. Aber egal, wie sehr die Nadel in dieser Sendung Richtung Party ausschlägt, etwas Wichtiges hab ich von Martin Blumenau gelernt und es hat mich nie wieder verlassen: Nichts von dem was ich mache, ist ohne Grund. Egal, ob ihr ein guilty pleausure an der Schamgrenze hier in der Show hört oder ein Stück Avantgarde, das euch neue Wege öffnet – der Blumenaufaktor in FM4 Davidecks ist, dass dahinter Überlegung steckt. Und: Nichts ist unpolitisch, es geht immer darum, wie wir miteinander umgehen.
Das, was ich heute mache und wie ich es mache, ist Teil der Schule, durch die ich hier gegangen bin, die ist von Martin Blumenau geprägt und dafür bin ich sehr dankbar. Und für die vielen Artikel, Anregungen, Ideen und Details. Für das Widersprechen, das Aufzeigen und für das unablässige Fordern, dass wir nachdenken, anstatt eine vorgefertigte Meinung zu übernehmen, die vielleicht sogar plausibel, jedenfalls aber bequemer wäre. Aber eben nicht die eigene, die man sich im Diskurs erarbeiten muss. Und dafür, dass ich als jemand, der sich kaum für Fußball interessiert, durch seine Analysen immer bescheid gewusst und sogar das eine oder andere Spiel sehr gern angesehen habe.
Nicht verstellen, niemandem gefallen, so sein wie man ist. Das Publikum wird dich finden. Mein Herz ist schwer und das werde ich heute auch nicht mehr verstecken können. Das ist nicht die Sendung, die ich für heute vorgesehen habe. Es war aber auch nicht vorgesehen, dass uns Martin Blumenau so früh verlässt. Danke für euer Verständnis.“ Kristian Davidek, FM4

"Ich lernte Martin im Herbst 1988 kennen. Ich war gerade einmal 18 Jahre alt und hatte die - im Nachhinein betrachtet - ziemlich wahnwitzige Idee, für die damalige Ö3-Sendung „Musicbox“ arbeiten zu wollen. Martin war einer der Moderatoren/Journalisten/Redakteure dort, und Martin war freundlich, nett und hilfsbereit mir gegenüber, diesem irgendwie ahnungslosen 18-jährigen ‚Landei‘ mit Musikobsession. Es war keine Selbstverständlichkeit damals, dass man als Anfänger - Anfängerinnen im Musikbereich gab es nicht wirklich damals - Unterstützung erfahren würde, man musste sich selbst irgendwie durchkämpfen, Widerstände überwinden, learning by doing machen. Martin aber unterstützte mich. Es war auch Martin, dessen Musikgeschmack meinem am nächsten kam, als ich Hörerin war. Bei ihm hatte ich in den 80ern erstmals Bands wie Everything But The Girl, The Jesus & Mary Chain oder Hüsker Dü gehört. Eine neue Welt des Alternative-Pop, zu der ich ansonsten als Teenager keinen oder kaum Zugang gehabt hätte. Später schnitt ich seine Musikartikel aus der AZ aus und hob sie auf. Ich freute mich total, als Martin die Leitung der „Zick Zack"-Redaktion, wo ich nun auch Freie Mitarbeiterin war, im ORF-Radio übernahm. Es war eine tolle Zeit damals. Seither war Martin Teil meines Lebens. Manchmal - das letzte Mal vor ein paar Jahren - wünschte ich mir ein Lied bei ihm, unter einem Pseudonym, und nachdem er es gespielt hatte, sagte ich ihm, dass ich das war. In den letzten Jahren durfte ich Martin auch als liebevollen Vater erleben, etwa als er einmal, bevor er ein FM4-Konzert im Radiokulturhaus anmoderierte, seinen kleinen Sohn zu mir, die ganz vorne im Publikum saß, setzte und ich ein paar Minuten lang auf ihn aufpassen durfte. In den letzten paar Jahren dachte ich ein paar Mal, dass es schade sein wird, wenn Martin einmal - altersbedingt - nimmer bei FM4 arbeiten würde, ich schob den Gedanken aber gleich wieder beiseite, denn das würde ja zum Glück ohnehin doch noch etwas dauern. Unser letztes supernettes Gespräch fand - wohl pandemiebedingt - irgendwann letztes Jahr statt. Dass Martin jetzt nie wieder zur FM4-Tür reinkommen wird, das muss ich erst langsam realisieren.“ Eva Umbauer

Erst voriges Jahr hat Martins Freund und Trauzeuge Fred Schreiber (die Stimme aus der Sendung ohne Namen, falls die noch jemand kennt) dieses Video zu Martins 60. Geburtstag für ihn gemacht:

„Eine der häufigsten Fragen, die man von Fremden zu hören kriegt, wenn sie erfahren, dass man bei FM4 arbeitet, war immer: ‚Wie ist denn der Martin Blumenau in Wirklichkeit?‘ Offenbar war doch den meisten klar, dass der cholerische Intellektuelle, gegen den man in der Mitternachtssendung ‚Bonustrack‘ in den Diskussionsring steigen konnte, eine Kunstfigur war. Diese Angriffslust, dieses unnachgiebige, messerscharfe Zerlegen von Argumenten, das erbarmungslose Aufdecken von schlampigen Thesen, der permanente Kampf gegen die Denkfaulheit. Sowas könne wohl niemand im Privaten durchziehen. Und tatsächlich war Martin Blumenau im persönlichen Umgang meistens sanft, charmant und herzlich. Klar, jeder von uns wurde schon mal von ihm mitten in der Redaktion mit hochrotem Kopf angebrüllt. Aber aus gutem Grund. Es ging immer um Inhalte, es war niemals persönlich verletzend. Wenn ich es verabsäumt hatte, rechtzeitig einen Pressetext für eine prominent besetzte ‚La boum de luxe‘-Sendung abzuliefern, dann brachte das Martin zum Toben. Es war für ihn eben wie ein verschenktes Tor. Privat, bei Essen mit Freund*innen, beim Rumstehen auf der Weihnachtsfeier oder bei einer gemeinsamen Reise nach Kapstadt war Martin ein soft spoken man und interessierter Zuhörer. Das Faszinierende an ihm war: Es schien ihn wirklich alles zu interessieren. In seinem legendären Journal, auf das ich mich täglich gefreut habe, hat es wohl kaum ein Thema gegeben, zu dem er nicht einen spannenden neuen Zugang gefunden hat. Und wenn du geglaubt hast, du bist selbst Experte in einem Bereich, dann konnte Martin Blumenau mit seiner einzigartigen Formulierungsgabe immer noch eine Story schreiben, die dich total verblüfft hat. Ich war damals selbst noch ein glühender Fan des alpinen Skisports, habe jedes Rennen mitverfolgt und hielt mich selbst für einen Auskenner. Und dann schrieb eines Tages Martin Blumenau einen Tagebucheintrag mit Gedanken und Analysen zum österreichischen Rennsport, wie ich sie nie vorher gehört oder gelesen hatte! Die berührendsten Stories von Martin waren natürlich die Nachrufe auf Menschen, die er gekannt oder geschätzt hat. Ich hätte alles darauf verwettet, dass er 100 wird, weil er so unerschütterlich und robust wirkte und immer nach vorne geschaut hat, sich niemals mit Sentimentalitäten oder Rührseligkeiten aufgehalten hat. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass wir es jetzt ohne ihn weitermachen müssen. Aber er hat viele von uns so geprägt, dass wir uns wohl des Öfteren beim Formulieren von Moderationen insgeheim fragen werden: Hätte Martin Blumenau das jetzt gut gefunden?“ Heinz Reich, FM4

„‚Lieb, aber eben nur Donovan-lieb, nicht Dylan-lieb‘, hat mir der Martin mal bestätigt, als mir das zu rezensierende ‚Trouble Town‘ eines damals sehr jungen Briten doch ein bissl zu nah an der ‚Ballad of Hollis Brown‘ vom Dylan dran war. Viele Lieder fliegen jeden Tag um die Ohren, Kommentare, Begegnungen mit Leuten. Meistens eh lieb, aber eben nicht Blumenau-lieb. Jedes Mal, Martin, als sich Deine Kontur schon von Weitem klar abgezeichnet hat, sie langsam und unverkennbar dahergewandelt ist, da habe ich mich ehrlich und richtig gefreut. Oft in der Nacht, im sonst leeren Funkhausgang, wenn Du Hüter des Studios oben und des einzig leuchtenden Lichtes in der finsteren Redaktion warst. Wie Deine Augen wissend durch diese Brille geblinzelt haben, den Menschen gesehen und angesehen, alles durchschaut haben. Manchmal böse, meist witty und oft verschmitzt, mit Blumenau-Schmunzler. Messerscharf, freewheelin’. Lass den Radio an, Martin, gute Reise.“ Lina Simon, FM4

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