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Schwarzer Schmetterling

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das magische auge

Die Wiener Hasskommune von 1970

Was ist das Gegenteil von Liebe? Ist es Hass? Nein. Das Gegenteil von Liebe ist Gleichgültigkeit. Die ewige Dualität von Liebe und Hass, das Wechselspiel ein und derselben Kraft, die uns allen innewohnt, ist eine schier unauflösbare Einheit. Ein Monolith, den junge Idealist*innen vor mehr als 50 Jahren für immer zerschlagen wollten. Doch was passierte dann?

Von Leopold Toriser von Das Magische Auge

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Summer of Love. Junge Menschen gingen für Frieden und freie Liebe auf die Straße. Bunte Farben, bunte Kleidung, bunte Gedanken. Alles kulminierte in Woodstock 1969, dem größten Open-Air-Festival der Geschichte. Und doch weigerte sich eine kleine widerständige Stadt im Herzen Europas trotzig, an dieser Hoch-Zeit der Liebe teilzunehmen. In Wien wird 1970 von einer charismatischen Führerfigur nämlich die Hasskommune 1 ausgerufen. Der anfänglich relativ unscheinbare Geografie- und Sozialpädagogikstudent Jimmi Wanzenböck entwickelt sich im Laufe ihres Bestehens zu einer Integrationsfigur des Hasses. Es folgt der bemerkenswerte Summer of Hate ...

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Es ist ein vergessenes Kapitel der modernen Geschichtsschreibung, das die Dokumentation „Die Kinder der Hasskommune – es ging schief“ endlich ans Licht bringt. Auf den Spuren dieses spannenden Experiments des menschlichen Zusammenlebens, das sich nicht auf Liebe, sondern auf Hass gründete, kommen zahlreiche Zeitzeug*innen zu Wort. Lange verschollen geglaubte Tonaufzeichnungen lassen einen berührenden Blick hinter die Kulissen zu. „Hasse deine Nächsten wie dich selbst“ – die Bewegung stand unter einem Motto, das heute aktueller denn je scheint.

Erinnerungen des ehemaligen Kommunenbewohners „Popeye“ (76):

„Wer damals ned dabei war, kann si des eigentlich gar ned vorstellen. Des war a eigenes Lebensgefühl, wir ham damals unser eigene Kleidung ghabt, unser eigene Musik, die Beatles und des, des war uns ois zu wach, zu sentimental. Wir ham eben die Spidarse ghört, des war a ganz a guade Coverband ausm 18. Bezirk, aus Währing, de ham oben im Türkenschanzpark ernan Proberaum ghabt. Des war so a abgranzter oida Wötkriagsbunker, wo se a eigentlich ned vü verändert ham, da war ois nu drin, de ham a gspült auf Funkgeräte und so. Sehr experimentell. De Spidarse ham sozusagen den Sountrack gliefert für die ganze Gschichte. Des war a der Funke, der übergsprungen is. ‚Geh weg mit deiner Hand‘ - de Nummer war für vüle anfoch a Offenbarung.“

In der Nacht auf Samstag, den 14. Juli, besetzen Jimmi Wanzenböck und zehn seiner Anhänger das Schmetterlingshaus in der Hofburg, vernichten in einer Nacht- und Nebelaktion sämtliche Schmetterlingsbestände und nisten sich stattdessen selbst dort ein. Hasserfüllt. Die Erstürmung durch die Polizei wird zurückgeschlagen. Im besetzten Schmetterlingshaus bildet sich nun unter der Leitung von Jimmi Wanzenböck die berühmte Hasskommune 1, die dort bis 1972 besteht. Knapp 2 Jahre lang wird hier vorsätzlich und systematisch gehasst.

Das bei den Hippies so verschmähte Kapital etwa, begriff die Hasskommune als ein hassenswertes Übel, von dem nie genug da sein konnte. Es kam auf verschiedenen Wegen in die Kommune - anfangs mit T-Shirts. „Hate hate hate. Ich hasse dich etc.“ war in roten Lettern auf den schwarzen Shirts zu lesen. Auch die Spidarse, die Wiener Szenegrößen des Hasses, hatten einen Merch-Stand vor der WG, veranstalteten unsolidarische Malefizkonzerte im Burggarten und spendeten die Einnahmen an Rüstungskonzerne und eben auch an die Hasskommune. Als Jimmi Wanzenböck bemerkte, dass immer noch viele Touristen zum Schmetterlingshaus pilgerten, wurden diese eingelassen und es wurde Eintritt verlangt.

Erinnerungen der ehemaligen Kommunenbewohnerin „Hassandra“ (73):

„Ich mein, die Schmetterlinge waren alle hin, aber wir haben halt einfach welche aus Krepppapier gmacht und auf Schnüren aufgehängt. Die Kinder haben die Schmetterlinge basteln müssen. Und das Geschäft ist dann eigentlich ganz gut gelaufen. Deswegen ist es auch so schade, dass der Jimmi dann verschwunden ist, weil im April ‘72 waren wir wieder in den schwarzen Zahlen. Sponsorenverträge mit Skispringern und Fußballern hamma ghabt. Innauer, Krankl, Prohaska - de ham alle schon den schwarzen Schmetterling draufghabt am Dress.“

Doch was war geschehen? Und was wurde aus Jimmi Wanzenböck? Was blieb – vom Summer of Hate? Das Magische Auge hat es für euch rausgefunden!

Den musikalischen Flair der Zeit erzeugten diesmal Simon Handle (instrumental) und Elias Hirschl (Beatles-Cover der „Spidarse“).

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