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Lars Eidinger mit Tintenfischtentakeln in der Nase im Deichkind-Video von "Richtig gutes Zeug"

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Gästezimmer

FM4 Gästezimmer mit Lars Eidinger

Popmusik war für Lars Eidinger immer wahnsinnig wichtig. Popmusik hat den Schauspieler aber auch lange unglücklich gemacht. Im FM4 Gästezimmer erzählt der „Jedermann“ davon und spielt wichtigste Songs seines Lebens. Von Aha über die Beastie Boys zu Kurt Weill.

Von Zita Bereuter

Lars Eidinger kennt man als Schauspieler im Theater (heuer erstmals als „Jedermann“), im Film (von „Alle Anderen“ bis „Ich und die Anderen“) und in etlichen Videos (vor allem von Deichkind). Er ist der Typ, der heftig abtanzt, nackt rumrennt oder sich richtig gutes Zeug reinsteckt. Man kennt ihn ebenfalls als DJ (Stichwort Autistic Disco) und als Fotograf - aktuell stellt er in Bad Gastein aus.

Das FM4 Gästezimmer gibt es immer sonntags von 16 bis 17 Uhr auf Radio FM4 und anschließend für 7 Tage im FM4 Player.

Lars Eidinger: „Ich bin mit Popkultur groß geworden. Ich bin ein Kind der 80er. Ich bin 1976 geboren. Ich glaube, dass Popmusik mich auch lange unglücklich gemacht hat, weil es den Anspruch erhebt, dass es eine perfekte Welt gibt. Ich hatte früher Poster in meinem Zimmer von Aha, da komme ich gleich nochmal dazu. Aha. Waren für mich wie Ikonen, wie Götter, wie Könige, zu denen ich aufgesehen habe, die ich angebetet habe, in der Hoffnung, dass, wenn ich irgendwann mal auf einem Poster lande, alles gut wird und ich glücklich bin. Dann die Erkenntnis, dass der King of Pop, Michael Jackson, der unglücklichste, einsamste Mensch der Welt ist, war für mich die Erkenntnis, dass Pop einen eigentlich unglücklich macht, weil es einen an eine Welt glauben lässt, die es nicht gibt. Nichts ist perfekt, der Mensch ist nicht perfekt. Was den Menschen ausmacht, ist seine Fehlbarkeit und dazu muss man stehen. So, wie Lenny von den Simpsons sagt: ‚Der Mensch macht Fehler. Sonst wäre am Bleistift kein Radiergummi.‘ Das hab ich mir eigentlich so als Credo gesetzt. ‚Die Widersprüche sind unsere Hoffnung‘, wie Brecht sagt. Dass das vielleicht der Anfang eines Gedankens ist und nicht das Ende. Und die Brüche, das Brüchige, das Unstimmige, das Widersprüchliche, das ist, nach dem wir suchen sollten und was uns weiterbringt, nicht Perfektion, weil perfekt ist nur der Tod und... Ja, jetzt fange ich mal an... Entschuldigung. Ja, also jetzt fange ich mal an...“

Spätestens jetzt ist klar, dass Lars Eidinger gerne erzählt. Im Laufe des Interviews rezitiert er frei Textpassagen aus verschiedensten Stücken und zitiert aus den unterschiedlichsten (Pop-)Bereichen: von den Simpsons zu Muhamed Ali bis Charles Manson, um nur einige zu nennen. Denn Lars Eidinger ist Popkultur im besten Sinn. Hier also einige Songs, die für Lars Eidinger wichtig sind:

Aha - „Take On Me“

Lars Eidinger: „Aha war für mich der Zugang zu allem. Ich war mit 6 Jahren, als ich das Video von ‚Take On Me‘ gesehen habe, nahezu infiziert und verliebt in Morton Harket. Morton Harket ist für mich bis heute wie eine Erlöserfigur. Das ist mein Jesus Christus. Ich träume immer noch von Morton Harket. Ich träume von den Begegnungen, für mich ist es ein Heiliger. Ich liebe diese Stimme, ich finde, sie ist völlig unvergleichbar, es gibt keinen, der so klingt wie Morton Harket. Ich kann mich in diese Welt reinträumen. In dem Video kommt aus dem Comicheft eine Hand - die Hand von Morton Harket - und zieht eine Frau in die fiktive Welt, und ich habe für mich gemerkt, dass die Fiktion genauso meine Wirklichkeit ist wie die Realität. Es gibt einen Satz aus ‚Theater der Theater‘ von Katja Ebstein, der Text von Bernd Meinunger, der lautet: ‚Alles ist nur Theater und ist doch auch Wirklichkeit.‘ Und ich glaube mittlerweile daran, dass ich mich tatsächlich in der Fiktion mehr ausleben kann als im Alltag. Im Alltag bin ich viel mehr Zwängen unterworfen. Davon habe ich, glaube ich, eine Ahnung bekommen, als ich dieses Video gesehen habe. Ich grüße alle, die mich kennen und die Klasse 6b.“

Movement – „Us“

Lars Eidinger: „Dazu hab ich eigentlich gar nichts zu sagen, aber es ist immer das erste Lied, das mir einfällt, wenn mich jemand fragt: Was ist dein Lieblingslied? Ich kenne es jetzt seit 5 oder 6 Jahren. Ich weiß nicht, wie alt es genau ist. Es ist von der Band, die ich auch gar nicht kenne, über die ich nichts weiß. Soweit ich weiß, gibt es auch nur diese eine EP von denen. Das Lied ist mein absolutes Lieblingslied. Ich weiß selber nicht warum, aber hört es euch mal an!“

Love Hotel Band – „Diamant“

Lars Eidinger: „Das war ganz interessant, als ich damals Richard III geprobt habe in Avignon. Da hab ich ein Faible entwickelt für Yung Hurn und hab mir die ganze Zeit Videos angeguckt und fand ihn so als Figur oder Persönlichkeit wahnsinnig anziehend und faszinierend. Weil er eine sehr eigene Ausstrahlung hat. So eine Mischung aus Prince und Falco oder auch, noch nie gesehen, so ein Typ und irgendwie dann doch anarchisch und frei. Jemand, der hedonistisch ist und sehr schlaue Texte schreibt, einfach auch ein sehr guter Rapper ist, ein sehr guter Musiker und auch ein sehr interessanter Künstler, der malt ja auch - also in vielerlei Hinsicht sehr inspirierend. Da hatte ich absurderweise einen Auftrag, im Kaufhaus des Westens in Berlin Platten aufzulegen. Zur Eröffnung der Herrenabteilung, und dann kam er plötzlich rein und kam auf mich zu und hat eingeschlagen mit mir. Irgendwann kam der Anruf von dem Label ‚Live from Earth‘, ob ich Lust hätte, bei dem Video mitzuspielen. Da hab ich dann auch den Lorenz, den Labelchef kennengelernt, aber auch den Stickel, den Produzenten, und dann haben wir dieses Video produziert. Ich finde das Lied grandios. Ich finde das Video grandios, und zwar interessant, weil es auch mit so einer Nachlässigkeit produziert wurde und trotzdem in der Produktion so fast etwas Perfektes hat, ich finde es sehr, sehr, sehr stark produziert.“

Deichkind – „Richtig Gutes Zeug“

Lars Eidinger: „Die Band Deichkind hat mich schon immer begleitet. Ich hab damals, zur Premiere von Hamlet 2007, schon ‚Krawall und Remmidemmi‘ zitiert. Irgendwann sind sie mir dann begegnet. Ich glaube sowieso daran, dass sich sowas findet, dass man da gar nicht nachhelfen muss. Ich musste denen nicht schreiben, irgendwann sind wir uns begegnet, und die haben mich gefragt, ob ich in ihrem Video mitspiele. Dann haben wir dieses Video produziert und inzwischen schon fünf Videos gemeinsam gemacht. Das Lied bedeutet mir viel, weil es sozusagen der Beginn unserer Freundschaft war.“

ANOHNI – „Returnal“ (Oneohtrix Point Never)

Lars Eidinger: „Das nächste Lied ist von einem der für mich größten Sänger unserer Zeit: Antony - heute Anohni. Ich habe damals ein Konzert gesehen in der Volksbühne, wo ich wirklich das Gefühl hatte, ich schau einem Engel zu. Die Musik geht durch den Körper wie bei einem Medium. Ich finde es einfach völlig unbeschreiblich, dem zuzusehen. Beim Performen, beim Singen. Diese Stimme ist unglaublich, die Texte sind unglaublich, die Inhalte. Es gibt ein Stück, das hat er mit Oneohtrix Point Never produziert. Der hat inzwischen, glaube ich, auch ein Björk-Album produziert, ist auch als eigenständiger Künstler sehr interessant. Da gibt es eine Textstelle, die mir viel bedeutet: ‚Internet as a self-atomizing machine‘. Und interessanterweise - kleiner Funfact - der Dane, der mit uns die Choreographie beim Jedermann gemacht hat, der hat am Anfang mit dem Anthony zusammen Theater gemacht in New York.“

Lars Eidinger – „There Sense Thus Weak“

Lars Eidinger: „Das nächste Stück ist ein Stück von mir. Ich hab schon immer Musik gemacht. Ich war auch schon immer der DJ, auch schon in der Grundschule auf Skifahrten. Es war immer schon eine Leidenschaft und ich hab 1998 eine Schallplatte veröffentlicht auf dem Berliner Label K7, die eigentlich bekannt wurden durch die DJ Kicks. Da gibt es auch diese KD Sessions von Kruder und Dorfmeister und auf dem Sublabel von K7, Studio 54, hab ich 1998 eine Platte veröffentlicht, die ich 1996 im Keller meines Elternhauses auf einem PC mit einer 4-MB-Soundkarte produziert habe. Der Titel ist ein Zitat aus einem Shakespeare-Stück.“

Joanne Robertson – „Fuckboy Anthem“

Lars Eidinger: „Ich finde es einfach ein großartiges Stück. Inzwischen kennt mich Spotify ja besser als alle meine Freunde und empfiehlt mir Musik, und ein Stück, das mir von Spotify empfohlen wurde, hat den großartigen Titel ‚Fuckboy Anthem‘ von Joanne Robertson. Ich finde es nur interessant, weil meine Tochter mich irgendwann mal auf diese Bewegung ‚Fuck Boys‘ hingewiesen hat und ich hab da auch so ein bisschen einen Fetisch oder so, ich gucke mir immer diese Jungs an. Wer die schon mal im Internet gesehen hat, ich finde es eine ganz interessante Gruppierung, wie die sich gebärden im Internet.“

Beastie Boys – „Pass The Mic“

Lars Eidinger: „Jetzt kommt ein Stück von meiner absoluten Lieblingsband, den Beastie Boys, die mich mein Leben lang begleitet haben. Es war eine Zeit, als die groß wurden, da wollte man so aussehen wie die, man wollte so sein wie die. Die Musik bedeutet mir unendlich viel. Ich höre auch immer noch ‚Pass The Mic‘. Da sind zwei Sätze drin, die mich mein Leben lang begleitet haben. Der eine ist ‚Be true to yourself and you will never fall‘ und der andere ist ‚A lot of people get jealous, they’re talking about me / But that’s just ’cause they haven’t got a thing to say‘.“

Kurt Weill - „Wovon lebt der Mensch?“

Lars Eidinger: „Das ist tatsächlich aus der Dreigroschenoper. Denn: Wovon lebt der Mensch? Von Kurt Weill. Brecht hat den Text geschrieben und das erklärt sich eigentlich selbst.“

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