FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Scott Mackenzie alias Torres in Rotlicht getaucht

Shervin Lainez

Torres ist mit dem Album „Thirstier“ so gut wie nie zuvor

Die US-Musikerin Mackenzie Scott nennt sich Torres und veröffentlichte eben mit „Thirstier“ ihr bereits fünftes Album. Zeit, den Art-Pop/Barock-Pop/Synth-Pop/Psychedelic-Garage-Rock von Torres kennenzulernen. PJ Harvey-Drummer Rob Ellis macht bei der neuen Torres-Platte auch (wieder) mit, auf der es neben einem Song für ihren Vater auch viele für ihre Freundin gibt.

Von Eva Umbauer

Im Süden der Vereinigten Staaten gibt man Töchtern oft den Mädchennamen ihrer Mutter als Vorname. Mackenzie Ruth Scott hat, wie sie im FM4-Interview erzählt, ziemlich viel Familie, weil sie adoptiert wurde. Einer ihrer Großväter hieß Henry Alvarez Torres, deshalb ihr Künstlername Torres, er ist eine Hommage an den Großvater. Mackenzie „Torres“ Scott kennt und mag ihren leiblichen Vater, zu ihrer biologischen Mutter hingegen ist der Kontakt abgerissen. Zu ihren Adoptiveltern hat sie ein wirklich gutes Verhältnis, sie förderten die Musikalität und Musikbegeisterung ihrer Tochter immer, ermöglichten ihr ein Musikstudium und unterstützen sie dabei, den Beruf der Musikerin ergreifen zu können.

Dennoch spürte Mackenzie Scott immer auch eine Art Leere in sich, die sie auf ihre Familienverhältnisse zurückführt. In einer Therapie arbeitet Torres nun viel auf, nicht nur ihr Aufwachsen, sondern auch das Loch, in das sie fiel, als sie wegen der Pandemie keine Konzerte mehr geben konnte. Das Live-Spielen war für Torres immer das, was sie am allerliebsten mochte. Das Komponieren und Songschreiben hingegen empfindet sie oft als harte Arbeit. Dabei ist alles schon viel leichter für Mackenzie „Torres“ Scott, seit sie mit Jenna Gribbon lebt. Jenna ist eine bildende Künstlerin aus den USA, sie hat auch das Cover zum neuen Album von Torres gemalt. Es heißt „Thirstier“ und ist schon der fünfte Torres-Longplayer.

„The more of you I drink, the thirstier I get“, singt Torres im Titelsong ihres neuen Albums. Es ist ein Song über und für ihre Partnerin, mit der Torres in Brooklyn, New York lebt. Auch in einem anderen Song, „Are You Sleepwalking?“, geht es um Jenna. Sie hatte ihren Laptop verlegt und fand ihn einfach nicht mehr. Mackenzie half bei der Suche und fragte sich und Jenna schließlich, ob diese denn womöglich schlafwandlerisch unterwegs gewesen sei mit dem Computer und ihn vielleicht in die Tiefkühltruhe gegeben oder ihn gar in den Mülleimer geworfen habe.

Der Laptop wurde schließlich, nach längerer Suche, zum Glück wieder gefunden. Im FM4-Interview klärt Torres auf, wo das Ding war: einfach in einer Lade eines Kastens in der Wohnung. Der Song über den verlorenen Computer ist ein forscher Psychedelic-Rocksong, der ein wenig an die britische Musikerin Beth Jeans Houghton erinnert. Letztlich geht es in diesem Stück darum, dass Torres seit der Pandemie manchmal das Gefühl hatte, sie und Jenna würden verrückt werden. Die beiden Frauen dachten, sie hätten „lost our marbles“, wie Torres im FM4-Interview lacht.

„Thirstier“ ist ein beinahe schon bombastisches Post-Pandemie-Album geworden. Die große, selbstbewusste Stimme von Torres führt uns durch allerlei unterschiedliche Stücke - von Art-Pop über Kammer-Pop bis eben zu Garagerock, aber auch Synth-Pop ist dabei. Letzterer darf auch schon einmal melancholisch sein, auch wenn sich Torres selbst als glücklich wie nie zuvor beschreibt. In „Kiss The Corners“, diesem leicht traurigen Synth-Pop-Track, singt Torres über eine Freundin, die weint, und von deren Augen die Wimperntusche über die Wangen läuft, bis zu den Mundwinkeln herunter.

„Kiss The Corners“ ist ein Song, in dem es einmal nicht um ihre Freundin Jenna geht, wie bei sonst allen anderen, außer bei einem weiteren Song, der auch nicht über Jenna ist, nämlich „Big Leap“, das ein Herzstück des neuen Torres-Albums und einer der ruhigeren Songs ist. Während Mackenzie „Torres“ Scott in New York gerade am Weg zu einer Wahrsagerin war, passierte bei ihr zuhause in Georgia, im tiefen Süden der USA, ein Unfall. Mackenzies Vater war vor ein paar Jahren auf das Hausdach gestiegen, um Arbeiten zu erledigen, dabei stürzte er ab. Er überlebte glücklicherweise, sitzt aber seither im Rollstuhl. Ein sehr traumatisches Erlebnis für Torres. In „Big Leap“ singt sie „the morning you fell thirty feet, your body broken on concrete across the country in the Georgia heat, you took such a big leap...“

Mackenzie „Torres“ Scott wurde in Florida geboren, wuchs in der Kleinstadt Macon, Georgia auf, studierte in Nashville, Tennessee, wo auch ihr erstes Album entstand. Schließlich zog Torres nach New York, erst nach Brooklyn, dann nach Manhattan und dann wieder zurück nach Brooklyn. Für sie ist New York noch immer ein toller Platz zum Leben, auch wenn die Stadt teuer ist. Man ist dort immer mitten unter Menschen, kann sich aber einfach auch ausklinken, wenn man möchte. Genau das liebt Torres an New York.

Es lässt sich auch gut träumen in New York. Torres träumt viel, auch schon einmal von Dinosauriern, und so gibt es auf ihrem neuen Album dann auch einen leicht surrealen Song namens „Hug From A Dinosaur“. Torres stand in ihrem Traum auf den riesigen Füßen eines Sauriers, der Dino beugte sich zu ihr herunter und umarmte sie. Liebe als prähistorische Errungenschaft. Auch Torres umarmt uns mit ihren neuen Songs, zerquetscht uns dabei aber nicht, obwohl sie manchmal beinahe nah dran ist, so stark wie die „Wall of Sound“ aus Gitarren und Synths auf uns zukommt. Das erinnert manchmal an Butch Vig und seine Produktionen für Garbage.

Torres hatte ihr letztes Album, „Silver Tongue“, selbst produziert. Für das neue kehrte sie zu Rob Ellis zurück, dem britischen Musiker und Produzenten, der als Schlagzeuger für PJ Harvey bekannt ist, aber auch etwa für seine Arbeit mit Musikerinnen wie Anna Calvi, Bat For Lashes oder Marianne Faithfull. In seinen Middle Farm Studios im englischen Südwesten von Devon ist die neue Platte von Torres entstanden, und zwar letzten Herbst bis Ende des Jahres.

Albumcover von Torres' "Thirstier" - ein Gemälde von Jenna Gribbon zeigt Torres mit einer Gitarre

Merge Records

„Thirstier“ von Torres ist bei Merge Records erschienen.

Torres und Rob Ellis waren sehr fokussiert, Ablenkungen gab es alleine schon wegen der Lockdown-Situation durch die Pandemie keine. Torres und Rob Ellis kennen einander seit einigen Jahren. Als sie ihr allererstes Konzert in London spielte, war Rob im Publikum. Nach dem Konzert plauderte man miteinander, trank ein wenig Whisky und eine Freundschaft entstand.

„Keep The Devil Out“ ist von Grunge beeinflusst, und „Don’t Go Putting Wishes In My Head“ von, ah, den Killers. „Constant Tomorrowland“ hingegen handelt vom Kosmos und seiner Mystik: „It’s not that we are there, but we’ve nearly arrived, a future before us of highest design“, singt Torres auf ihrem neuen Album, das eine gewissermaßen rastlose Platte ist, dennoch: Torres ist nun (endlich) angekommen.

mehr Musik:

Aktuell: