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Filmstills aus "The Suicide Squad"

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„The Suicide Squad“ ist eine subversive Sensation

James Gunn schickt die brutalsten und bizarrsten Bösewichte des DC-Universums auf eine Selbstmordmission. Nebenbei erfindet der US-Regisseur das Comickino neu. Diesmal im FM4 Film Podcast.

Von Christian Fuchs

Hat irgend jemand an „Suicide Squad“ aus dem Jahr 2016 noch positive Erinnerungen? Mir persönlich fällt nicht eine einzige Szene aus diesem Film ein, über die ich jetzt noch schwärmen könnte.

Dabei durfte ich damals, als Pressereisen noch zum Alltag gehörten, sogar der halben Besetzung mit dem Mikrophon gegenübersitzen. Regisseur David Ayer, ein angeblicher Drill-Instructor am Set, erwies sich als netter Humanist von nebenan. Jared Leto, dem der Ruf der durchgeknallten Diva vorauseilte, zitierte auf betont höfliche Weise Hannibal Lecter. Und Harley Quinn herself alias Margot Robbie vermittelte die Aura einer Glam-Queen des Mainstream-Kinos, die ihr Image genau kontrollierte.

All diese prominenten Begegnungen machten aber „Suicide Squad“ mit seinem aufgeblasenen Plot und den kitschigen CGI-Sequenzen nicht besser für mich. Wohl nur besonders kritiklose Genrefans konnten dieser Comickino-Katastrophe etwas abgewinnen. Jetzt wird der Film aber endgültig aus dem kollektiven Bewusstsein gelöscht. „The Suicide Squad“ heißt das Sequel, das gleichzeitig eine Art Neuanfang ist. Und was für einer.

Filmstills aus "The Suicide Squad"

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Comic-Bösewichte im Kriegsfilm-Modus

Wieder muss die amerikanische Regierungsbeamtin Amanda Waller (Diabolisch überzeugend: Viola Davis) ein Team direkt aus der Hölle zusammenstellen. Die gefährlichsten Insassen aus dem berüchtigten Belle-Reve-Gefängnis bekommen einen Spezialbefehl. Wenn sie sich für eine kollektive Selbstmordmission auf eine südamerikanische Insel begeben - und lebendig zurückkehren - gibt es Hafterleichterungen und andere Begünstigungen.

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Diese Woche: The Suicide Squad & Sommer-Blockbuster

Was macht das Superhelden-Epos von James Gunn so revolutionär? Warum ist „Jungle Cruise“ kein harmloser Familienfilm? Wie geht es Ryan Reynolds und seiner Rollenwahl? Diese und viele andere Fragen werden von Christian Fuchs, Natalie Brunner und Jan Hestmann diskutiert. Ein Talk zwischen Popcorn, Pop und Politik.

„The Suicide Squad“ hat die Struktur eines altmodischen Kriegsfilms aus den 60er oder 70er Jahren. Versammelten Streifen wie „The Dirty Dozen“ oder „Kelly’s Heroes“ ein Ensemble aus schießwütigen Hollywood-Raubeinen zum Kampf, schmeißen sich nun die brutalsten und bizarrsten Bösewichte aus dem DC-Universum in die Schlacht. Wer desertieren will, wird mittels eingebautem Sender in die Luft gesprengt.

Filmstills aus "The Suicide Squad"

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Vom fiktiven Inselstaat Corto Maltese geht nach einem gewalttätigen Putsch eine Gefahr für die ganze Welt aus. In einem ehemaligen Nazibunker experimentiert ein mutierter Mad Scientist („Dr. Who“ Peter Capaldi) mit einer extrem gefährlichen außerirdischen Lebensform. Die Task Force X, frisch aus der Haft entlassen, soll das Gebäude stürmen und die intergalaktische Geheimwaffe in Alien-Matsch verwandeln.

Mit dabei im südamerikanischen Dschungel sind neben Harley Quinn und Colonel Flag (Joel Kinnaman) aus dem Vorgängerfilm vor allem unvertraute Gesichter. Idris Elba spielt als verbitterter Waffenspezialist Bloodsport fast die Hauptrolle in dem Riesenteam, der bullige Peacemaker (Wrestlingstar John Cena) erweist sich als patriotischer Massenmörder, die junge Portugiesin Ratcatcher 2 (Daniela Melchior) führt ganze Heerscharen von Ratten an. Ach ja, es gibt auch ein kannibalistisches Wiesel und ein Haimonster auf zwei Beinen mit der Stimme von Sylvester Stallone.

Filmstills aus "The Suicide Squad"

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Ultrabrutalität, Pop-Poesie und eine Botschaft

Das klingt alles ein wenig exzentrisch und doch wie eine typische Comicverfilmung? Stimmt, aber den Unterschied zu anderen Superhelden-Spektakeln macht der Regisseur. James Gunn hat einerseits eine Vergangenheit als Splatterpunk-Satiriker bei der berüchtigten Billigstfilm-Firma Troma. Und zum anderen drehte er die ungemein erfolgreichen „Guardians of the Galaxy“-Filme.

„The Suicide Squad“ befreit James Gunn jetzt aus dem engen Korsett des Marvel Cinematic Universe. Mit einem Budget von 175 Millionen Dollar darf er im Auftrag des DC-Konzerns seinen kreativen Wahnsinn ungefiltert ausleben.

Filmstills aus "The Suicide Squad"

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Das Ergebnis ist eine Sensation. Ein globales Eventmovie, das so irrlichternd und politisch subversiv ist, dass man im IMAX-Saal vor Freude weinen muss. Oder sich am Popcorn verschluckt. Ein Film, der mitten in der Ultrabrutalität Momente der Pop-Poesie findet. Der den zynischen Humor á la „Deadpool“ mit kindlich anarchischer Freude am Irrwitz und einem Hauch Melancholie abfedert.

Dazu kommen eine entfesselte, atemberaubende Kamera, die besten Spezialeffekte seit „Godzilla vs. Kong“ und ein mitreißender Soundtrack, der aus dem FM4 House of Pain stammen könnte. Fast schon nebenbei versöhnt James Gunn auch noch die Boomer, GenXer, Millennials und sprechenden Haie miteinander. Und gibt Idris Elba aus dem Serienklassiker „The Wire“ endlich mal eine angemessen charismatische Rolle in einem Kinofilm.

Filmstills aus "The Suicide Squad"

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Auch toll: James Gunn versteckt inmitten der herumfliegenden Gedärme, spitzenmäßig inszenierten Actionmomente und finsteren Jokes eine echte Botschaft. Wenn der Philosoph Theodor Adorno behauptete, „es gibt kein richtiges Leben im falschen“, dann argumentiert „The Suicide Squad“ vehement dagegen. „Es gibt kein richtiges Leben ohne das falsche“, sagt uns James Gunn, bringt die Ambivalenz des Menschseins auf den Punkt - und zeigt den moralischen Fraktionen der Gegenwart den gestreckten Mittelfinger, etwas verklebt von blutigem Schleim.

Am allerschönsten aber: Wir wissen bis zur letzten Minute nicht, welche der Figuren „The Suicide Squad“ halbwegs unbeschädigt durchstehen. Die Unberechenbarkeit dieses Films kommt in der Kommerzdiktatur Hollywood einer echten Revolution nahe.

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