Athen warnt mit Mobilfunk-Alarmsystem gezielt vor Bränden
Von Erich Moechel
Wenn in Athener Restaurants derzeit alle Mobiltelefone synchron klingeln, dann ist ein neuer Alarm eingetroffen. In den akut bedrohten Vorstädten werden die Einwohner gezielt über näherkommende Feuerwände informiert oder zur Evakuierung aufgefordert. In Griechenland wurde das kommende EU-weite Alarmsystem schon 2019 fertig implementiert.
Auch in Italien ging Ende 2020 ein solches System nach dem „Cell-Broadcast-Standard“ in Betrieb, Schweden hat mit der Umsetzung gerade begonnen. Bei A1, Magenta und Drei, die jeweils zu internationalen Mobilfunkkonzernen gehören, wurde deshalb zum Stand der Dinge in Österreich und in Europa nachgefragt.
Cell Broadcast Athen
Probleme, die hierzulande noch zu lösen sind
Die technischen Features des Cell-Broadcast-Systems als Super-Longread in (fast) allen technischen Details.
Vorwegzunehmen ist, dass weder die drei österreichischen Mobilfunkunternehmen noch deren Konzernmütter irgendeinen direkten Einfluss darauf haben, ob und wann in welchem Land eine Version des Cell-Broadcast-Standards implementiert wird. Die Einführung von „EU-Alert“ - wie ein solches System auf der EU-Ebene heißt - benötigt eine politische Entscheidung, vor allem die gesetzlichen Grundlagen müssen dafür erst noch geschaffen werden.
Darauf verweist auch die A1 in ihrer Stellungnahme: „Aktuell dürfen laut TKG die Teilnehmer nicht ohne Einverständnis mit SMS beschickt werden, da das neue TKG noch nicht bekannt ist, gibt es entsprechend auch keine rechtliche, zeitliche oder kostenmäßige Abschätzung.“ Implementationen von Cell Broadcast oder vergleichbaren Systemen gibt es im Bereich der Konzernholding Telekom Austria AG nicht, zu der alle Konzerntöchter in Osteuropa zählen. Auch von aktuellen Gesprächen mit österreichischen Ministerien war der A1 Telekom zum Zeitpunkt der Anfrage am Donnerstag nichts bekannt.
DTAG
Auch Österreich setzt auf Cell Broadcast
Bei der jüngsten Flutkatastrophe in Deutschland haben vom internen IT-Warnsystem der deutschen Bundesregierung bis hin zu den Sirenensystemen vor Ort, gleich mehrere Elemente der Sicherheitskette völlig versagt.
Bei Magenta Austria, die zu 100 Prozent der Deutschen Telekom AG gehört, ist das etwas anders. „Cell Broadcast ist bereits in einigen Ländern des Deutschen Telekom-Konzerns im Einsatz. Beispielsweise in Griechenland. Hier wurde die Lösung vor Jahren implementiert, um vor Erdbeben sowie Bränden zu warnen“, hieß es auf Anfrage von ORF.at. Bei Magenta Austria weiß man auch bereits von aktuellen Gesprächen hierzulande, Tests eines Cell-Broadcast-Systems habe es in Österreich jedenfalls noch keine gegeben.
Von Drei heißt es wiederum: „Das BMLRT führt seit Anfang 2021 Gespräche mit den Betreibern, um alle Anforderungen und Herausforderungen bei der Implementierung des öffentlichen Warnsystems zu evaluieren. Derzeit wird der Fokus auf Cell Broadcast gelegt. Es gibt unterschiedliche Umsetzungsvarianten, die noch nicht fertig ausspezifiziert wurden. Danach richten sich auch technische und finanzielle Aufwendungen auf Betreiberseite und auch auf Seiten der Behörden.“ Das Akronym BMLRT steht für das Landwirtschaftsministerium, bei dem die Telekomagenden derzeit angesiedelt sind.
DTAG
Implementierung von Cell Broadcast für Österreich
Dazu in ORF.at
Seit der Flutkatastrophe wird in Deutschland darüber diskutiert, ob Warnungen nicht hinreichend erfolgt oder beachtet worden sind..
Die Umsetzungsdauer ab dem Einlangen eines Auftrags durch die österreichische Bundesregierung - in dem Fall ist es das Landwirtschaftsministerium - bis zur fertigen Implementierung eines Cell-Broadcast-Systems schätzen Magenta und Drei etwas unterschiedlich ein. „Die Dauer der Implementierung ist von den technologischen Anforderungen abhängig und beläuft sich auf mindestens ein Jahr“, heißt es von Magenta, „und dazu braucht es neue Hardware und Software“. Bei Drei hingegen „wird nach derzeitigem Gesichtspunkt das System eher nicht auf eigener Hardware, sondern in einer Cloudumgebung laufen. Im Moment ist jedoch noch unklar, welche Anforderungen im Detail zu erfüllen sind“.
Sobald das geklärt ist, geht man bei Drei davon aus, „dass die Implementierung im Drei Netz nach der Herstellerauswahl 3-4 Monate lang und die Herstellerauswahl mehr als 3 Monate lang dauern wird. Daher rechnen wir mit einer Projektlaufzeit nach Beauftragung und Sicherstellung der Finanzierung von mindestens 6, wenn nicht 8 Monaten“. Zu den von beiden Mobilfunkunternehmen genannten Zahlen über die Dauer der technischen Implementierung muss also noch eine derzeit nicht einschätzbare Zahl von Monaten addiert werden, bis die österreichische Bundesregierung entschieden hat, welche Features sie dafür genau bestellen will.
BMI
Zwischenbilanz und wie es weiter geht
Die Zwischenbilanz der verheerendsten Waldbrände in der jüngeren Geschichte Griechenlands bis Sonntagmittag: Umgekommen sind bis jetzt ein Feuerwehrmann und zwei Zivilisten. Der Feuerwehrmann hatte sich zu weit vorgewagt und war von den Flammen eingeschlossen worden. Die beiden Zivilisten starben nicht im Brandinferno, sondern kamen durch die Begleitumstände ums Leben. Diese Information stammt von Iraklis Kontoes, einem am Sonntag dazu befragten Athener Arzt.
Da die Effizienz jedes Warnsystems vollständig von der rechtzeitigen Auslösung eines Alarms und damit von der Behördenorganisation dahinter abhängt, werden ab Sonntagabend vier österreichische Ministerien angeschrieben. Mindestens so viele sind in Österreich für Katastrophenschutz zuständig, je nachdem, ob es sich etwa um eine atomare Katastrophe oder ein flächendeckendes Blackout etc. handelt.
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Publiziert am 08.08.2021