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Brände in Griechenland

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS

Endloses Inferno

Dutzende Ortschaften in Griechenland mussten in den letzten Tagen wegen der verheerenden Waldbrände evakuiert werden. Es wird über mangelnde Unterstützung des Staates geklagt. Das Höchstgericht kündigte Ermittlungen wegen Brandstiftung an.

Von Chrissi Wilkens aus Griechenland

Wut und Verzweiflung: das sind die Worte, mit denen man die Gefühle der GriechInnen beschreiben kann, die besorgt die verheerenden Feuer in mehreren Teilen des Landes verfolgen. Viele sind privat von der Zerstörung betroffen. Seit mittlerweile neun Tagen brennt es in Griechenland. Das Feuer hinterlässt unermessliche Schäden. Man geht davon aus, dass es sich um die größte ökologische Katastrophe in der griechischen Geschichte handelt, und das in Zeiten der globalen Erderwärmung.

Einer der größten Brände begann am 3. August im Athener Vorort Varybobi. Es herrschten Temperaturen von über 40 Grad Celsius; die schlimmste Hitzewelle seit über drei Jahrzehnten. Das Feuer breitete sich aus und gelangte sehr nah an die griechische Hauptstadt.

Ausgebranntes Haus in Evia/Euböa in Griechenland

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS

"Plötzlich sah ich Flammen vor meiner Wohnung. Ich sah hilflos zu. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und ob ich es schaffen würde, mich in Sicherheit zu bringen,” sagt Eleni, eine 52-jährige Frau im Ort Nea Kifissia im Norden Athens.

Ähnliche Unsicherheit, Angst und Panik erlebten hunderte EinwohnerInnen, aber auch BesucherInnen Griechenlands. In den letzten Tagen gab es dutzende Brände landesweit, insbesondere im Großraum Athen, auf der Insel Euböa (griech.: Evia) und dem Peloponnes. Von 1. bis 8. August waren es laut Regierung 586 in verschieden Ecken Griechenlands. Sogar in weit von den Bränden entfernten Orten konnte man den Rauch riechen und die Asche am Himmel sehen. Auch Flüchtlingslager in der Nähe Athens mussten evakuiert werden. Im Fernsehen und in den sozialen Medien beklagten EinwohnerInnen und LokalpolitikerInnen das Fehlen von Feuerwehrleuten, Feuerwehrwägen und Löschflugzeugen. Die Opposition wirft der Regierung vor, bei der Koordination komplett versagt zu haben.

Eingedenk der über 100 Todesfälle durch Brände, die im Sommer 2018 im Badeort Mati in der Nähe von Athen tobten, hat die Regierung Evakuierungen Priorität eingeräumt. Die griechischen Politiker haben jedoch mehrere Berichte über die Bewältigung von Waldbränden weitgehend ignoriert. Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat am Montag in einer Fernsehansprache um Entschuldigung für ‘jegliche Schwächen’ bei der Bekämpfung gebeten. Er sagte allen Geschädigten Entschädigung zu und kündigte eine riesige Wiederaufbau- und Wiederaufforstungsanstrengung an. Künftig werde die Prävention im Mittelpunkt stehen und nicht die Reaktion, so Mitsotakis, der auch ankündigte, den griechischen Zivilschutz neu organisieren zu wollen.

Griechischer Premier Kyriakos Mitsotakis mit Mund-Nasen-Schutz

APA/AFP/POOL/Aris Oikonomou

Schwere Vorwürfe gegen die Regierung

Laut Medienberichten hat die Regierung für dieses Jahr nur 1,7 Millionen Euro für den Brandschutz bewilligt, obwohl die Forstverwaltung 17 Millionen Euro gefordert hatte. Dafür wurde bei den Polizeikräften investiert, unter anderem, um sie auch in den Universitäten zu stationieren. Am Montagnachmittag fand auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament eine Kundgebung statt, organisiert von linken NGOs, kommunalen und regionalen Bewegungen und Arbeiterinitiativen, bei der sofortige Wiedergutmachungsmaßnahmen für die Brandopfer und wirksame Naturschutzmaßnahmen gefordert wurden. Die Tatsache, dass in Griechenland oft verbrannte Gebiete von Grundstücksspekulanten in lukratives Bauland verwandelt werden, verstärkte die Vermutung, dass Waldflächen bewusst geopfert wurden und es sich nicht selten um Brandstiftung handelt. Am Montag erhob der Präsident der Ortsgemeinschaft von Rovies bei Euböa, Thodoris Feris, schwerwiegende Vorwürfe gegen die Regierung. Er meint, dass der Ort absichtlich in Brand gesetzt wurde. “Es ist nicht einmal ein kleines [Lösch]Flugzeug in die Luft gegangen. Warum? Damit [die Insel] wie ganz Griechenland mit Windkraftanlagen bepflanzt wird.“

Der Regierung wird auch vorgeworfen, sie habe Löschflugzeuge vorzugsweise bei den Bränden im Norden Athens eingesetzt und andere Orte ihrem Schicksal überlassen. Da die Brände fast zeitgleich an verschiedenen Stellen des Landes ausgebrochen sind, gehen die Behörden von Brandstiftung aus. Mehrere Personen wurden als Verdächtige festgenommen. Das Höchstgericht Areopag kündigte Ermittlungen gegen eine mögliche kriminelle Organisation wegen eventueller vorsätzlicher Brandstiftung an.

Feuerwehrmann vor ausgebranntem Wald in Griechenland

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS

Enorme Katastrophe auf Euböa

Euböa, die zweitgrößte Insel Griechenlands östlich von Athen, steht seit neun Tagen in Flammen. Besonders betroffen sind die Mitte sowie der Norden der Insel. Tausende Menschen wurden evakuiert und mit Booten in Sicherheit gebracht. Viele haben ihren Wohnsitz und ihre Arbeit verloren.

„Dutzende von Häusern stehen in Schutt und Asche, die Bäume sind wie schwarze Kadaver, die sich bis zum Meer ausbreiten. Die Seelen von uns allen sind noch dunkler. Und das Feuer breitet sich an vielen Fronten weiter ungestört aus,” schrieb eine verzweifelte Einwohnerin von Rovies bei Euböa am 5. August auf Facebook. Die Regierung argumentierte, dass es wegen des vielen Rauchs und der Umstände in Euböa sehr schwierig sei, dort Löschflugzeuge einzusetzen. EinwohnerInnen von Euböa widersetzten sich den Evakuierungs-Anweisungen der Regierung und versuchten mit eigenen Mitteln, ihre Häuser und Felder zu retten, was ihnen in mehreren Fällen auch gelang. Mehrere europäische Länder schickten Nothilfen nach Griechenland, unter ihnen auch Österreich.

Brände in Griechenland

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS

Riesige Solidaritätswelle

Die aufeinanderfolgenden Krisen, insbesondere im letzten Jahrzehnt, haben die griechische Gesellschaft ausgelaugt. Und trotzdem lösten die aktuellen Ereignisse nun erneut eine spontane Solidaritätswelle aus, wie man sie in der langanhaltenden Wirtschaftskrise der letzten 12 Jahre immer wieder und auch während der großen Flüchtlingsankünfte im Jahr 2015 erlebt hatte. Freiwillige BrandschutzhelferInnen meldeten sich zuhauf; zwei von ihnen haben ihr Leben verloren. In mehreren Städten Griechenlands sammelten Verbände und lokale Gemeinden Hilfsgüter, um sie an Betroffene und Feuerwehrkräfte zu schicken. TierärztInnen und Tierheime boten freiwillige Hilfe für die geretteten und verletzten Tiere an. Suppenküchen wurden organisiert, Übernachtungen in Hotels für Vertriebene gespendet.

Besondere Sorge bereitet eine neue Hitzewelle, die der Wetterdienst für diese Woche in Griechenland angekündigt hat. Auswirkungen auf den Tourismus werden befürchtet, da die schockierenden Bilder mit den meterhohen Flammen durch die internationale Presse gingen. Auch wenn die Feuer bald gelöscht sind, rechnet man mit weiteren Katastrophen, falls nicht schnell Schutzmaßnahmen getroffen werden – denn die entwaldeten Gebiete werden im Herbst und Winter den Fluten ausgesetzt sein.

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