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Road 96

DigixArt

Roadtrip mit übergroßen Ambitionen

Das allzu cartoonige Roadtrip-Adventure „Road 96“ stemmt das aktuell politisch wieder besonders aufgeladene Thema Migration und Flucht nicht annähernd.

Von Rainer Sigl

Das Jahr: 1996, der Ort: ein fiktiver Staat, der ein bisschen so aussieht wie die USA. Wüsten gibt es hier, endlose Highways, aber auch urtümliche Wälder und Truckstops, Supermärkte, Wohnwagensiedlungen.

Regiert wird das Land von einem unsympathischen Diktator, der vor allem die Jugend unterdrückt. Genau deshalb will ich hier weg, genauso wie viele junge Menschen, die im ganzen Land auf der Flucht nach Norden sind. Per Anhalter machen sie sich genau wie ich auf den langen, gefährlichen Weg, weg von Zuhause.

Dabei treffe ich auf schrullige Gangster, miese und gute Cops, TV-Stars, weitere Teenie-Ausreißer und noch andere Charakterköpfe. Als „crazy, beautiful road trip“ wollen die französischen Macher ihr Spiel verstanden wissen. Der Weg ist aber nicht das Ziel im Adventure „Road 96“, denn am Schluss steht die schwer bewachte Grenze.

Endlose Fluchten, zufallsgeneriert

Hier endet so manch eine Flucht, wenn die Teenager, die sich in LKWs verstecken, von Grenzbeamten erwischt werden oder beim gefährlichen Weg über das Gebirge entkräftet aufgeben - oder sogar sterben. Ob ich den Grenzübertritt schaffe oder auch nicht, geht es aber trotzdem auf jeden Fall wieder zurück an den Anfang von „Road 96“. Nur dass es dann einen ganz neuen Road-Trip für mich gibt.

Als anderer Flüchtling mache ich mich nach dem vermeintlichen Spielende nämlich erneut auf den Weg, nur sieht der anders aus. Dank vom populären Rogue-like-Genre inspirierter Zufallsgenerierung ist keine Reise genauso wie die andere. Zwar treffe ich immer dieselbe Handvoll von Hauptfiguren, und im Hintergrund wird die Geschichte des Präsidentschaftswahlkampfs weiter erzählt, doch die Episoden meiner Reise sind jedes Mal andere.

„Road 96“ ist eigentlich ein Point&Click-Adventure, in dem es viel um Dialoge und Entscheidungen geht, doch eine Vielzahl von Minigames und Ressourcenmanagement sorgen für Abwechslung.

Road 96

DigixArt

Allzu politisch wider Willen

Bis ich die Verbindungen zwischen den Hauptfiguren durchschaut habe und die Präsidentenwahl an ein - von mir in meinen Entscheidungen mitgestaltetes - Ende kommt, bin ich mit wiederholten Fluchten, pardon: Roadtrips beschäftigt.

Moment, wie jetzt: Geht es hier jetzt um Flucht oder um Teenie-Abenteuer auf der romantischen Landstraße? An dieser Frage scheitert ein Spiel, dessen Themen auf fatale Weise gerade wieder bestürzend aktuell werden - auch wenn es vage eher als Kommentar auf die Immigrationspolitik unter Trump gelesen werden mag.

„Road 96“, entwickelt und vertrieben von DigixArt, ist für Windows und Nintendo Switch erschienen.

„Escape from a country in turmoil“, also: flüchte aus einem Land im Chaos, so lautet der Slogan in einem Werbe-Trailer zu „Road 96“, der absurderweise von Facebook als „zu politisch“ abgelehnt wurde. Für ein Spiel, in dem es eigentlich auch um Flucht und Grenzregime geht, sieht „Road 96“ mit seinem bunten Cartoon-Style aber eigentlich ein bisschen zu niedlich aus. Genau dieser Widerspruch zieht sich ungeklärt durch das ganze Spiel. Unterdrückung, Propaganda und Staatsgewalt werden zwar oberflächlich thematisiert - doch letztlich bleibt es bei der Flucht als aufregendem Abenteuer mit ein bisschen Coming-of-Age-Teeniedrama oben drauf.

Angesichts der Verzweiflung realer Flüchtender, die aktuell die Medien beherrschen, ist das kein besonders guter Look. Schlechtes Timing für ein Spiel, das eigentlich etwas recht Originelles versucht.

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