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CC0 / Pixabay

So feiern Kevin Junks „Fromme Wölfe“ im Berliner Berghain

Der Episodenroman vom Berliner Autor Kevin Junk begleitet fünf junge, queere Menschen durch eine ereignisreiche Nacht gefüllt mit Tanzen, Drogen und Techno ins Berghain.

Von Alica Ouschan

Über ein Jahr lang stand das Nachtleben überall auf der Welt vollkommen still. Seit einigen Wochen geht’s fortgehtechnisch mit durchdachten Sicherheitskonzepten und -vorkehrungen wieder los. Die einen können es kaum erwarten den Club von innen zu sehen und stehen jetzt wieder jedes Wochenende auf der Tanzfläche. Andere haben immer noch zu viel Respekt vor schwitzenden Menschenmengen und der Delta-Variante.

Für alle Menschen, die eine große Liebe für queeres Fortgehen und Techno-Clubs in sich tragen, egal ob sie sich schon wieder reintrauen oder nicht, ist „Fromme Wölfe“ ein heißer Buchtipp. Der Berliner Kevin Junk schreibt seit 2011 Essays über queere Gegenwartskultur und hat vor kurzem seinen ersten Roman veröffentlicht. Vom Titel darf man sich aber nicht täuschen lassen, die Figuren sind zwar wölfisch, aber alles andere als fromm.

Buchcover: Fromme Wölfe

Querverlag

„Fromme Wölfe“ von Kevin Junk hat 288 Seiten und ist im Querverlag erschienen.

Auf der Suche nach Rausch, Party und neuen Bekanntschaften

Es ist ein normaler Samstagabend in Berlin, an dem die Figuren, die durch Kevin Junks dynamischen und glasklaren Schreibstil zum Leben erwachen, auf der Suche nach Rausch, Party und neuen Bekanntschaften sind. Zwar ist jeder der fünf jungen, queeren Charaktere für sich, gleichzeitig wird durch die stellenweise durchscheinenden Backstories unterschwellig erzählt, wie ihre Geschichten durch Arbeitsumfeld, gemeinsame Drogendealer oder vergangene Nächte bereits vor ihrem Aufeinandertreffen im Club miteinander verwoben sind.

Der Club ist dabei natürlich kein anderer als das sagenumwobene, berüchtigte Berghain, das seit den späten Neunzigern einer der wichtigsten Locations der queeren Club- und Technoszene Berlins ist. Dieser, für viele der Charaktere zum Lebensmittelpunkt gewordene Zufluchtsort, wird Schauplatz einer mitreißenden Geschichte die von Enttäuschung, Höhenflügen, Exzessen und Realitätsflucht erzählt.

„Der Rausch intensivierte sich ohne sein Zutun und sein Gehirn schnappte nach Luft, doch jeder Atemzug sättigte es mit mehr Chemie. Sein Körpergefühl veränderte sich, der Schmerz wich dem Bewegungsdrang, die Müdigkeit der Lust aufs Tanzen. Was passiert mit mir?, fragte er sich, und im gleichen Moment wurde die Frage unwichtig. Sein physischer Körper entglitt ihm, sank in sich zusammen und übrig blieb ein Tanz, ein frommer Tanz durch den Raum, durch die Zeit.“

Sex, Drugs and Techno

Die Figuren sind auf der Flucht vor ihrer langweiligen, monogamen Beziehung, auf der Suche nach Abenteuern in der Entdeckungsphase ihrer Homosexualität, auf der Jagd nach ihrem Instagram-Crush oder genießen den stundenlangen Rave, der sich von Samstagnacht bis Sonntagabend zieht, als rituelle Zeremonie. Höhen und Tiefen eines über zwölfstündigen Aufenthalts im Berghain werden dabei realistisch und unverblümt beschrieben, Wahrnehmung und Gedanken kommen abwechselnd aus den unterschiedlichen Perspektiven der Figuren. Je größer der Rausch, desto verschwommener werden auch die Erzählungen des Episodenromans.

Wer sich an der Glorifizierung von Drogenkonsum, Rauschzuständen oder an Darstellungen von expliziten Sexszenen stößt, sollte vom Buch „Fromme Wölfe“ lieber die Finger lassen, denn Kevin Junk spart zu keinem Zeitpunkt mit Details. Beim Lesen steht man selbst gefühlt mitten im Club, fühlt die Tanzwut und den unbändigen Wunsch nach Exzess, den der Autor in seinem Debütroman „Fromme Wölfe“ beschreibt.

Ein Manifest der queeren Clubkultur

Der Umstand, dass die Ursprünge der Berliner Technoszene in Fetisch- und queerer Clubkultur wurzeln, gerät oft in Vergessenheit und bekommt mit diesem Roman eine hommage-artiges Manifest für die Gegenwart. Allen, die seit Langem nach durchtanzten Nächten lechzen, macht der Roman nach der Durststrecke ohne Clubs und Nachtleben der letzten anderthalb Jahre, mit Sicherheit brennendheiße Lust auf schwitzige Tanzflächen, ballernde Musik und dubiose neue Bekanntschaften.

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