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Die feine Linie zwischen Mutter und Monster: Jessica Linds Roman „Mama“

Die Autorin Jessica Lind ist uns zum ersten mal beim Wortlaut-Kurzgeschichten Wettbewerb 2013 begegnet. Jetzt ist ihr Debütroman herausgekommen: „Mama“ handelt davon was passiert, wenn Mutterliebe zu weit geht und was wir von Müttern verlangen (können).

Von Diana Köhler

Die Mutter in Jessica Linds Roman „Mama“ heißt Amira. Aber das Mutterglück will sich bei ihr nicht und nicht einstellen. Ewig versuchen sie und ihr Partner Josef schon, das Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie zu erfüllen. Aber aus Mutter-Vater-Kind wird einfach nichts. Die Nerven liegen blank. Um runterzukommen, begeben sich die beiden in eine Hütte im Wald.

Mama passt auf dich auf

Was sich zunächst wie eine gute Idee anhört ist es aber ganz und gar nicht. Das Paar streitet, beide sind weiterhin gestresst. So weit, so unidyllisch. Schließlich schaffen es die beiden doch: Amira wird schwanger. Zunächst erscheinen ihre Ängste wie die üblichen Sorgen einer Schwangeren. Bis zu diesem Punkt kommen viele typische Klischees vor: Der unerfüllte Kinderwunsch, das streitende Paar, plötzliche Erlösung, es hat doch funktioniert!

Cover "Mama"

Christine Fischer

Der Roman ist beim Verlag Kremayr & Scheriau erschienen.

Aber dann kippt die Geschichte. Und der einst so ruhige und schützende Wald wird immer bedrohlicher. Amira fühlt sich beobachtet, vom Wald und von ihrem ungeborenen Kind.

„Es ist lebendig. In ihrem Bauch und in ihrem Kopf- Es kann sie hören. Es erkennt ihre Stimme. Aber ihre Gedanken hört es nicht, oder doch? ‚Du bist mir unheimlich‘, sagt sie laut in die Stille des Raums.“

Realität und Traum vermischen sich immer mehr. Eines Nachts läuft sie hochschwanger im Regen hinaus und verirrt sich. Der Wald scheint seine Wege so zu legen, wie es ihm passt. Und dort draußen bekommt sie schließlich ihr Kind, Luise. Was sie nicht weiß: Damit ist sie mit diesem Wald eine Bindung eingegangen. Luise ist jetzt auch irgendwie sein Kind. Und auf seine Kinder passt man auf, als gute Mutter.

„Sie steht vor der Hütte. War das ihr Ziel? Wollte sie hierher? Ja, es kommt ihr richtig vor. Die Hütte ist ihr Zuhause, oder nicht? Es ist doch so: Die Blätter und Bäume, die Farne und Gräser, die Vögel und Käfer beschützen sie. Weil Luise ein Kind des Waldes ist.“

Was macht eine gute Mutter aus?

Raum und Zeit scheinen jetzt außer Kraft gesetzt zu sein. Mehrere Realitäten überschneiden sich. Amira will ihr Kind vor allem schützen und mit niemandem teilen. Sogar ihr Mann Josef erscheint ihr wie ein Eindringling in die perfekte Mutter-Tochter Beziehung. Doch vielleicht ist Amira selbst der Eindringling? Ist sie die Art von Mutter, die sie sein soll? Ist sie vielleicht selbst eine Gefahr für ihr Kind? Der Wald hat dazu seine eigene Meinung. Auch er hat eine Aufgabe, die er gnadenlos verfolgt.

In „Mama“ werden viele Klischees über das Mutter-werden und Mutter-sein aufgegriffen. Die Frage was eine „gute“ Mutter ausmacht zieht sich durch den ganzen Roman: Sie soll uns beschützen, begleiten und formen. Sie muss viel leisten und viel sein können: Ihre Kinder lieben, ernähren und sich um sie kümmern. Wenn eine Mutter das nicht tut, zu viel oder zu wenig davon, gibt’s Probleme. Eine Mutter muss ja immer perfekt sein, oder?

Um das zu erreichen kommt es oft zu einer Aufopferung, die von Müttern aber immer wieder verlangt wird. „Mama“ ist ein Roman über die feinen Linien zwischen „gut“ und „böse“ zwischen Beschützen und Verletzen. Jessica Linds sanfter Sprachstil konterkariert die bedrohliche Stimmung im Buch. Alles mit einer Prise düsterer Fantastik. Ein Buch für die Lichtung im dunklen Wald. Aber nur, wenn man sich traut.

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