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Screenshot von unbekanntem geometrischem Wesen über dem Bett

Humble Grove

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„No Longer Home“: Die Suche nach dem Platz in der Welt

Im Point-and-Click Abenteuer „No Longer Home” begleiten wir zwei nichtbinäre Studierende, die kurz vor dem Abschluss stehen und nicht genau wissen, wohin ihr Weg sie führt. Sie besprechen die großen Fragen des Lebens mit übernatürlichen Wesen, die plötzlich in ihrer WG auftauchen.

Von David Riegler

Der Studienabschluss ist ein Grund zum Feiern, doch viele Studierende schlittern direkt von der Abschlussprüfung in eine große Lebenskrise, weil das der Zeitpunkt ist, an dem sich ihr Leben radikal ändert. So ist es auch im Game „No Longer Home“ für unsere beiden nichtbinären Hauptfiguren Bo und Ao. Die beiden leben seit einem Jahr in der WG in London und wir begleiten sie durch die letzten Tage in ihrem Zuhause. Es herrscht viel Nostalgie, denn schon bald werden sie gezwungen sein, sich den großen Fragen des Lebens zu stellen.

Erinnerungen in jeder Ecke

Wir schlüpfen in die Rolle von Bo oder Ao, bewegen uns durch ihre Wohnung und erleben ganz alltägliche Situationen in ihrer etwas chaotischen Wohngemeinschaft. Man klickt sich durch die verschiedenen Ecken der Wohnung und lernt viel über ihr WG-Leben, denn in jedem Gegenstand steckt eine Geschichte und oft auch eine Emotion. Zum Beispiel die Enttäuschung, als Bo sich daran erinnert, dass die Mitbewohner*innen oft ihr Essen verrotten lassen und sich schon wieder Insekten in der Küche versammeln. Das alles wirkt relativ normal, nur eine einzige Sache in der WG ist ungewöhnlich: Über dem Bett schwebt eine schwarze Kugel, die aussieht, als wäre sie von hunderten Scherben bedeckt. Sie beschließen, sie vorerst zu ignorieren.

Screenshot Freunde sitzen im Garten

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Statt sich mit der paranormalen Kugel auseinanderzusetzen veranstalten sie lieber einen letzten BBQ-Abend mit all ihren Freund*innen. Doch spätestens jetzt wird klar, dass sich bald alles verändert. Niemand im Freundeskreis hat Aussichten auf einen gut bezahlten Job oder eine leistbare Wohnung in London, darum ziehen sie in die unterschiedlichsten Teile des Landes. Es ist, als würde die Stadt sie nicht wollen, und am deutlichsten bekommt das Ao zu spüren, denn Ao droht die Abschiebung nach Japan, weil das Studienvisum bald ausläuft. Dabei beginnt gerade jetzt eine Beziehung zwischen Bo und Ao, die droht, vom Staat auseinandergerissen zu werden.

„No Longer Home“ wurde von Humble Grove entwickelt und ist für Mac und Windows PC erschienen.

Monster, die zuhören

Mitten in all ihren Zukunftsängsten tauchen Monster in ihrer Wohnung auf, zum Beispiel Lu, der fünf Augen hat, und eigentlich nur auf der Couch chillt. Bo und Ao wundern sich kurz über die übernatürlichen Wesen, gehen dann aber dazu über, mit ihnen alle Sorgen und Wünsche zu besprechen: ihre Planlosigkeit, die Suche nach der eigenen Identität und die Angst, dass die Welt draußen sie nicht so akzeptiert, wie sie sind. Als nichtbinäre Menschen haben sie Angst, dass sie von der Gesellschaft in eine Rolle gedrängt werden, die sie nicht haben wollen.

Screenshot Monster Lu mit 5 Augen

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„No Longer Home“ hat einen langsamen Rhythmus und verzichtet auf actionreiche Momente. Das Spiel erzählt einen komplizierten Ausschnitt des Lebens auf subtile Art und Weise. Das Storytelling funktioniert durch lange Gespräche, spontane Begegnungen mit Freund*innen und Monstern und innere Monologe. Das intelligente Sounddesign sorgt dafür, dass man sich währenddessen fühlt, als wäre man physisch anwesend, und die liebevoll animierte Welt wirkt minimalistisch und wunderschön zugleich. Wie ein Diorama kann man Zimmer für Zimmer einzeln betrachten und sich mit den Hauptfiguren in Erinnerungen verlieren. Die surrealen Ereignisse sind so geschickt platziert, dass sie sich völlig alltäglich anfühlen, als wäre ein Märchen plötzlich real.

Screenshot Bo redet mit Katze

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„No Longer Home“ ist kein klassisches Game, sondern die Verarbeitung einer Lebenskrise in Form einer interaktiven Geschichte. Man fühlt sich, als wäre man Teil der Wohngemeinschaft, und lernt durch Bo und Ao, welche Gefühle in dieser Phase des Lebens vorherrschen. Das Spiel basiert auf den Erfahrungen des Entwicklerduos von Humble Grove. Developer Cel Davidson sagt über das Game, in „No Longer Home“ gehe es darum, unseren Platz in der Welt zu erkunden und das Wunder in der alltäglichen Häuslichkeit zu finden. Das ist auch der große Wert dieses wunderschönen Games, denn man stellt sich immer wieder die gleichen Lebensfragen, die sich Bo und Ao stellen und findet am Ende auch einige kostbare Antworten darauf.

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