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Der Song zum Sonntag: Lorde - „Mood Ring“

Popmusik ist oft eine Insel und mittendrin steht Lorde mit ihrer Version der Nostalgie. Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit am neuen Album „Solar Power“, darauf auch zu finden ist der satirische Song „Mood Ring“.

Von Christoph Sepin

„Don’t you think the early 2000s, seem so far away?”, das ist eine Zeile, die sofort bleibt, beim ersten Anhören von „Mood Ring“ von Ella Marija Lani Yelich-O’Connor alias Randy Marsh alias Lorde. War die Welt darauf eingestellt, dass so schnell von Revival zu Revival getaumelt wird? Was das auch immer ist, der nostalgische Neuentwurf des schon mal Dagewesenen in der Popwelt, Lorde ist mittendrin und erreicht ein fast erschreckendes Level von Raffiniertheit.

Es hätte wohl kaum jemand in den frühen 2000ern geglaubt, dass zwanzig Jahre später musikalische Held*innen und Wiederentdeckungen für eine neue Generation Travis Barker, Avril Lavigne oder Natasha Bedingfield heißen werden. Wie letztere klingt auch Lordes Instrumentierung in „Mood Ring“, aber auch wie TLC oder All Saints oder B*Witched. Ganz klare Gitarrensaiten, ganz klare Stimme, ganz klare, softe Percussion. In seiner Eingängigkeit ist dieses Lied fast schon unangenehm. Alles ist voll mit Referenzen und bekannten Soundcollagen, wie ein Versuch, die Vergangenheit zurück zu holen. Weil, so schaut die Welt oft durch die rosarote Brille aus, früher war ja alles besser.

So einfach ist das alles dann doch nicht. Denn Lorde singt hier nicht aus der Perspektive von Lorde, sondern aus der Sicht einer Person, die zwanghaft versucht, den rauen Realitäten zu entfliehen. „Wellness Culture“ ist ein Begriff, den sie als Beschreibung für ihre neue Musik verwendet, „Spirituality, pseudo-spirituality, wellness, pseudo-wellness“, das auch. „This is kind of my extremely satirical look at all of those vibes“. Eine Song als Satire also, der von vielen sicher nicht als das wahrgenommen werden wird.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

In einer vernetzten Welt, in der alles was passiert, sofort für alle sichtbar ist, wirkt die altmodische Fakeness der Popmusik absurd. Wie Plastikstrohhalme, die es nicht mehr gibt. Lorde nimmt diese Künstlichkeit und vermischt sie mit Old-School-Idealismus-Ästhethik. Alles so naiv, wie der Mood Ring, der vom Finger leuchtet und erklärende Quelle der eigenen Emotionen sein soll: „I can’t feel a thing, I keep looking at my mood ring, tell me how I’m feeling“, singt sie da ein paarmal.

Eigentlich ist das alles fantastisch, einen Popsong als Persiflage auf die Popkultur zu veröffentlichen. Mit Textzeilen wie „Today it’s as dark as my roots, if I ever let them grow out“. Nachwachsende, dunkle Haarwurzeln als Metapher für die eigene Depression, was geht ab? Die Illusion von Freiheit, im Musikvideo durch Menschen in Zelten am Strand wie in Kommunen transportiert. „You can burn sage, and I’ll cleanse the crystals“, singt Lorde weiter und „We can get high, but only if the wind blows just right“. Denn in dieser Welt, die Ungezwungenheit vorgaukelt, gibt es trotzdem strenge Regeln. Wie dieser Früh-2000er Gitarrenloop, der verlässlich durch das Lied trägt.

Dann geht’s um Selbstfindung („I’m trying to get well from the inside“), um das Suchen von Ablenkungen („Plants and celebrity news, all the vitamins I consume“) und Sehnsucht nach einer alten, egoistischen Welt („Let’s fly somewhere eastern, they’ll have what I need“). Auch Lorde singt über den Weltuntergang, aber macht das in „Mood Ring“ sehr klug. Aus Perspektive einer Protagonistin, die sich nicht mit der Realität konfrontieren will. Und die hinter Pseudo-Spiritualität und eskapistischen Glücksszenarien am Ende genau so unsicher ist wie alle anderen: „Watch the sun set, look back on my life“, singt sie zum Finale des Songs. „I just wanna know, will it be alright?“

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