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Danny Clinch

The Killers und ihr faszinierendes neues Album

The Killers („Mr. Brightside“) haben ein Jahr nach ihrem letzten Album schon wieder eines heraußen. Dem großen evangelikalen Pop/Rock von „Imploding The Mirage“ folgt ein faszinierendes Americana-Album namens „Pressure Machine“, inspiriert von der Kleinstadt Nephi im US-Bundesstaat Utah, wo Killers-Mastermind Brandon Flowers erst einen Teil seiner Kindheit und dann seine Jugend verbrachte.

von Eva Umbauer

Das letzte Album, „Imploding The Mirage“, haben The Killers aus Las Vegas nie live gespielt. Wegen der Pandemie gab es dazu keine Möglichkeit. Also machte sich die Band gleich wieder an neue Songs. Sie sind nun unter dem Titel „Pressure Machine“ als Album erschienen. Während die von „Imploding The Mirage“ noch vor der Pandemie enstanden waren, sind die neuen während dieser Zeit erschaffen worden. Ohne Corona würde es sie wahrscheinlich so nicht geben.

„Everything came to this grinding halt, and it was the first time in a long time for me that I was faced with silence. And out of that silence this record began to bloom.“ - Brandon Flowers über das neue Album von The Killers

Brandon Flowers und seine Bandkollegen haben den Killers-Bombast abgeworfen und ein Americana-Album erschaffen, ein faszinierendes Konzeptalbum, das den Frontman vielleicht sogar in der Rolle seines Lebens zeigt. Manchmal schlüpft er direkt in die Figuren, von denen die Songs handeln, hinein.

„Pressure Machine“ spielt in der Kleinstadt Nephi im US-Bundesstaat Utah. Sie hat Brandon Flowers nie losgelassen. Etwa sechstausend Menschen leben in Nephi, das auf 1563 Metern Seehöhe liegt. Der Ort wurde 1851 von Mitgliedern der christlichen Glaubensgemeinschaft der Mormonen gegründet. Auch die Familie von Brandon Flowers gehört dieser Gemeinschaft an. Die Flowers waren aus Las Vegas weggezogen, um ihren Kindern ein schöneres, behüteteres Aufwachsen zu ermöglichen.

Später ist Brandon Flowers dann wieder in seine Geburtsstadt Las Vegas zurückgegangen, hat seinen Traum vom Erfolg mit einer Band in Vegas verwirklicht. Mit Songs wie „Mr. Brightside“ wurden The Killers zu internationalen Stars. Die Songs der Band waren vor allem von britischem Pop inspiriert, aber auch Bruce Springsteen gab Brandon Flowers immer wieder als Einfluss an. Manchmal klingt er auf „Pressure Machine“ dann auch ein wenig wie Springsteen. Und bei einem Song, „Dustland“, singt Springsteen, einer der bedeutendsten Musiker, die die USA je hervorgebracht haben, dann auch gleich selbst mit.

Bruce Springsteen ist nicht der einzige Duett-Partner von Brandon Flowers am neuen Killers-Album. Bei „Runaway Horses“ singt Phoebe Bridgers mit. Die Kalifornierin ist eine der wichtigsten jungen US-Musikerinnen. Bevor dieser zärtliche Akustik-Track beginnt, der Zeilen hat wie „we had spring in our heels, unwavering forces, headfirst into the unknown“, hören wir kurz eine Frau sprechen, eine Bewohnerin von Nephi. Sie erzählt, dass einmal bei der „stampede“, einem Volksfest, wo auch Rodeo geritten wird, ein Pferd auf dem matschigen Boden ausrutschte. Das Pferd - es galt als das beste - brach sich ein Bein. Die junge Frau, die das Pferd geritten hatte, legte sich auf dem Boden über das todgeweihte Tier und weinte.

„Maybe it´s the getting by,“ singt Brandon Flowers im Song „Getting By“. Von „God´s mysterious ways“ ist die Rede, vom Auskommen, vom Zurechtkommen, vom Über-die-Runden-kommen. Eine Frau aus Nephi erzählt vor dem Song, dass Nephi ein guter Ort ist. Ihr Sohn, so sagt sie, geht gerne in die Berge „shed horn hunting“, also vom Wild abgeworfene Geweihe suchen. Im Frühling, wenn der Schnee geschmolzen ist, ist die beste Zeit dazu. Ein paar Dollar lassen sich mit diesen Geweihen verdienen. Die raue Schönheit des Lebens in den Bergen.

Eine andere Frau, Anfang Zwanzig, erzählt, dass sie immer hier wohnen wird, eine Familie gründen wird, denn Nephi sei ein idealer Ort dafür. Das hatten auch die Eltern von Brandon Flowers gedacht, aber dann war Nephi in seinen Grundfesten erschüttert worden. Zwei junge Menschen, Teenager - Brandon kannte sie flüchtig aus der Schule - wurden von einem Zug erfasst und starben. Dieser Unfall hat Brandon Flowers nie losgelassen, er hat sich in seine Gedanken eingegraben. Ein Unfall? Der Zug, so sagt ein Bewohner von Nephi am neuen Killers-Album, er ist eine Möglichkeit, dich aus diesem Leben wegzubringen.

Coverbild von Pressure Machine

Universal

„Pressure Machine“ ist bei Universal erschienen.

Brandon Flowers blickt niemals herab auf die Bewohner*innen von Nephi - sie haben meist noch nie das Meer gesehen und manche gehen auf Eichhörnchenjagd; das Fleisch, zart gegrillt, soll gut schmecken. Arme-Leute-Nahrung, wie wir sie vielleicht auch aus der Autobiografie von Beth Ditto kennen. Der wilde Truthahn ist ein richtig begehrtes Jagdobjekt, für manche schon mit 12, ab diesem Alter darf man jagen. Brandon Flowers beäugt die Menschen von Nephi nicht wie einer von außen, nein, er ist einer von ihnen, außer dass er ein Quäntchen mehr Glück hatte.

„Nephi shaped me,“ sagt er in Interviews zum neuen Killers-Album. In der Vergangenheit ging es bei ihm um das Weggehen aus der Kleinstadt, jetzt ist er zurückgekehrt, jedenfalls in den neuen Killers-Songs. Tatsächlich pendelt Brandon Flowers heute zwischen Las Vegas und Utah - allerdings nicht Nephi, sondern dem Ort Park City.

Die Sonne brennt vom Himmel, das Heu duftet, aber es zieht wohl bald ein Gewitter auf. Da sind der schwule junge Mann, der Polizist, der einen Mann tötet, weil dieser eine Frau misshandelt hat, und der Dealer - die Opiat-Krise, die die USA seit Jahren im Würgegriff hat, ist auch an der Kleinstadt Nephi, Utah, nicht vorbeigegangen: „West Hills“ heisst der Song dazu - von „hillbilly heroin pills“ singt Brandon Flowers in diesem dunklen Track, in dem der Sheriff die Tür eintritt und die „hillbilly heroin pills“ findet, die so stark sind, dass sie locker die Wildpferde draußen auf den Wiesen vor Nephi töten könnten. Ein Song wie ein Film.

„Pressure Machine“ ist ein höchst sensible, subtile Platte, eine Hommage an eine kleine Stadt und ihre Menschen. Ein textliches und klangliches Meisterwerk, das den Synthesizer meist in der Ecke stehen lässt, stattdessen zur Mundharmonika greift. Brandon Flowers schaltet einen Gang, oder gleich zwei, zurück und beeindruckt als großer Americana-Storyteller. Seine Tenor-Stimme ist besser, seelenvoller denn je zuvor.

Gitarrist Dave Keuning - mit ihm hatte Brandon Flowers 2001 in Las Vegas die Band gegründet - ist mit diesem Album wieder zurück bei den Killers. Ach was haben wir ihn vermisst. Es fühlt sich so an, als ob er nie weg gewesen wäre. Dazu Drummer Ronnie Vannucci wie immer treu an der Seite von Brandon Flowers, dafür pausiert diesmal Bassist Mark Stoermer. Alle vier treffen sich aber zur Zeit im Aufnahmestudio von Dave Keuning im kalifornischen San Diego, um schon wieder an einem Album zu arbeiten, einem, das, so die Band, wieder lauter sein wird. Wir geben uns, bis das dann kommt, dieser wunderschönen „Pressure Machine“ hin, die das bereits siebte Album der Killers ist.

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