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Live is good: Das Heart of Noise Festival 2021 naht

Des Einen Noise ist des Anderen Pop: Das Innsbrucker Heart of Noise Festival denkt Popmusik und radikale Soundentwürfe zusammen und bringt von 3. bis 5.9.2021 Artists wie Die Sterne, Radian und Roly Porter in einem stimmigen Lineup zusammen.

Von Katharina Seidler

Heart of Noise 2021

  • 3. bis 5.9.20219, Innsbruck
  • Weitere Infos, Tickes und das vollständige Lineup gibt es hier.

„Live is good“, unter diesem Motto geht am ersten Septemberwochenende das Heart of Noise Festival in Innsbruck über seine zahlreichen Bühnen. Das Stolpersteinchen liegt im ersten Wort – kein gutes life soll hier im Angesicht der apokalyptischen Gegenwart beschworen werden, sondern das gemeinsame Live-Erlebnis, dessen schmerzvollen Entzug wir alle in den letzten Jahren am eigenen Leib gespürt haben. Dass die digitale Welt keinen wahren Ersatz für Community bietet, haben die bisherigen Pandemiejahre eindrücklich gezeigt. Unter schwierigsten Bedingungen und beinahe gänzliche ohne Planungssicherheit haben Event-Veranstalter*innen seither probiert, ihre Herzensprojekte wieder auf die Beine zu bringen; nach zweimaligem Verschieben und fast komplettem Umorganisieren kann das Heart of Noise von 2. bis 5. September nun endlich wieder Innsbruck bereichern.

„Heart of Noise möchte das Mosaik von E und U zerbrechen und seine Teile wieder zusammenführen. Wir wünschen die temporäre autonome Zone, Emanzipation, Widerstand, Hauntology und Hedonismus, eine Fortsetzung der Utopie des Totalausstieges, Pop Life.“ In diesem Satz aus dem Programmtext des Festivals kommen die vermeintlich unterschiedlichen künstlerischen Ansätze, die das Lineup in sich vereint, gut zum Vorschein. Radikale Klangforschung am Rande zum Krach schlägt sich auch in diesem Jahr wieder ebenso im Programm nieder wie dreiminütige Popsongs im Radioformat, niemals seicht, immer mit Haltung.

ROTOЯ : live at SAT / MUTEK-MONTREAL 2019 from kutin on Vimeo.

So bringen etwa am Eröffnungstag der deutsche Medienkünstler Robert Henke alias Monolake sowie das österreichische Duo No1, bestehend aus Peter Kutin und Mathias Lenz, physikalische Vorgänge und audiovisuelle Kunsterfahrungen zusammen. Während Monolake im Rahmen seines Projekts „CBM 8032 AV“ fünf restaurierte Commodore-Rechner aus den 1980er Jahren mit zeitgenössischer Software zu Soundmaschinen umwandelt, haben No1 die Erzeugung von Klang und gleichzeitig seinen Output in der rotierenden Tonskulptur ROTOЯ zusammengelegt.

Des Weiteren kann man sich in der gigantischen neuen Main-Venue des Heart of Noise, dem Dogana im Congress Innsbruck, daran erinnern, warum das Trio Radian eine der spannendsten und relevantesten Bands des Landes ist. Ihr wandelbarer, instrumentaler Art Rock schlägt Brücken zwischen kühler Abstraktion und warm-flackerndem Groove, und wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, lassen Martin Brandlmayr, John Norman und Martin Siewert an diesem Abend erstmals seit dem hochgelobten 2016er-Album „On Dark Silent Off“ neues Radian-Material erklingen.

Am selben Mainfloor bauen am zweiten Heart of Noise Tag die Briten Roly Porter und MFO geradezu überwältigende, immersive AV-Welten, die mittels Soundwänden, Stimmschnipseln, Field Recordings und Versatzstücken aus keltischer Folklore Steingräber namens „Kistvaen“ im südwestenglischen Moor zu begehbaren Liveerlebnissen machen.

Nach weiteren performativen Grenzerfahrungen, durch Acts wie Stephen O’Malley und Francois Bonnet unter ihrem gemeinsamen Alias Kassel Jäger, schlägt das Heart of Noise-Programm am Abschlussabend dann einen vermeintlich überraschenden Haken. Da bringt nämlich Frank Spilker, seines Zeichens einzig verbliebener Stern der Hamburger Diskurspop-Ikonen Die Sterne, den Indie-Disco-Funk des aktuellen Sterne-Albums namens „Die Sterne“ auf die Bühne des Dogana. Unter Mithilfe des Kaiser Quartetts, von Mitgliedern der Bands Von Spar und The Düsseldorf Düsterboys sowie des Hamburger Disco-Dons Erobique bringt Spilker auf „Die Sterne“ wieder die Verhältnisse zum Tanzen. Wider die Abstumpfung und die Bequemlichkeit („Die besten Demokratien“), aber immer mit federnden Knien: „Du musst gar nichts“.

Wie immer legt das Heart of Noise Festival wieder großen Wert darauf, den Öffentlichen Raum ebenso als Bühne zu begreifen. Im Reich für die Insel Kubus auf dem Vorplatz des Innsbrucker Landestheaters stehen Installationen von etwa Benjamin Tomasi, Peter Lorenz und Martin Hofstetter. Im Musikpavillon des Innsbrucker Hofgartens erklingen etwa die konzentrierten Rhythmusstudien von Schlagwerk-Zauberin Katharina Ernst sowie der derzeit hochgehypte, Field-Recordings-durchtränkte Zeitlupen-Ambient des kenianischen Shooting Stars KMRU.

Außerdem beschwört dort im Pavillon die zypriotische Musikerin Maria Spivak verwaschenen Synth-Pop und verwunschene DIY-Dance Music. Mystische, formwandlerische, nachtfarbene Popmusik auf Griechisch und Englisch, die etwa auf einem Label wie Not Not Fun oder 100% Silk gut aufgehoben wäre – eine echte Entdeckung im Programm des exzellenten Heart of Noise. Don’t stop the dance.

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