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Demonstrant*innen vor dem Wiener-Innenstadt-IKEA

APA/ROLAND SCHLAGER

Hinter der grünen Fassade von IKEA

IKEA hat in Wien seine erste innerstädtische Filiale eröffnet und bewirbt sie mit ihrem umweltfreundlichen Charakter. Doch gleichzeitig sorgt ein neuer Bericht der rumänischen NGO „Agent Green“ für Aufsehen. Das Möbelhaus soll in Rumänien illegal und umweltbedenklich Wälder abgeholzt haben.

Von Lukas Lottersberger

160 Bäume und Sträucher in überdimensionalen Töpfen stehen auf Plattformen entlang der Fassade der neuen IKEA-Filiale am Wiener Westbahnhof. Der große, modulare Bau ist die erste innerstädtische Möbelhaus-Filiale in Österreich und man will damit ein grünes Image vermitteln. Schließlich gibt es keine Parkplätze (was zu einem Streit in der Wiener SPÖ geführt hat). Kund*innen sollen mit den Öffis oder Fahrrädern angelockt werden. Doch den Eröffnungstag nutzen Umwelt-Aktivist*innen, um hinter die grüne Fassade zu blicken und aufzuzeigen, woher IKEA sein Holz bezieht.

Ein Jahr lang hat Gabriel Paun von der rumänischen NGO Agent Green beobachtet und dokumentiert, wie IKEA in Rumänien Wälder abholzt. „Was mein Team über die Holzgewinnung von IKEA herausgefunden hat, ist ein Desaster“, erklärt der Aktivist. Denn Rumänien beherbergt einige der letzten Urwälder und alten Baumbestände Europas. Neben dem Staat, der Kirche und der alten Königsfamilie, sei IKEA einer der größten Waldbesitzer in Rumänien. Subunternehmen sollen für das Möbelhaus ohne Umweltprüfung und mit illegalen Abholzmethoden Lebensraum zerstört und Urwälder abgeholzt haben.

Demonstrant*innen vor dem Wiener-Innenstadt-IKEA

APA/ROLAND SCHLAGER

Eine EU-Richtlinie, die das eigentlich verhindern soll, ist in Rumänien noch nicht Gesetz, sagt Paun: „Deshalb holzt IKEA vorrangig diese Wälder ab. Obwohl diese enorm wichtig für die Resilienz von Gemeinden sind, sie sind Kohlenstoffspeicher, wichtig für Biodiversität, für saubere Luft und Wasser.“ Sie zu erhalten, so Paun, sei die günstigste Art gegen die Klimakrise zu kämpfen, „und [IKEA] holzt den Wald einfach ab.“

Das Problem ist nicht neu und auch österreichische Verarbeitungsbetriebe sollen darin eine Rolle spielen. Der Bericht von Agent Green will erneut beweisen, dass die Lieferkette weiterhin sehr intransparent ist und in IKEA-Möbeln fragwürdig oder illegal geschlägertes Holz steckt. Bilder von Erosion, Vermurungen und kahlgeschlagenen Waldflächen in Pauns Bericht sollen die Vorwürfe untermauern.

Forderung nach Lieferkettengesetz

Die österreichische Initiative Lieferkettengesetz will endlich mehr Transparenz und Konzerne für solche Vergehen in die Verantwortung nehmen: „Wir wollen, dass wenn ich zukünftig zu IKEA einkaufen gehe, dass auf dem Stuhl draufsteht, woher das Holz stammt, aus dem der Stuhl gefertigt wurde“, sagt die Sprecherin der Initiative, Veronika Bohrn Mena, bei der Kundgebung. „Ich will wissen, wie der Stuhl gemacht wurde. Ich will wissen, in welcher Fabrik er gemacht wurde [...] und ich will wissen, dass es dabei zu keinen groben Verletzungen von Menschenrechten oder Umweltauflagen gekommen ist. Das heißt, wir fordern die totale Transparenz von IKEA und jedem anderen Konzern.“

Demo bei der Ikea-Eröffnung in Wien

FM4/Lukas Lottersberger

Veronika Bohrn Mena und Gabriel Paun

Ein Lieferkettengesetz, wie es in Deutschland bald Realität sein soll, müsse auch in Österreich Realität werden, so die Initiative. Es soll bei Verstößen nicht nur die Konzerne strafen, „sondern wir wollen auch, dass es zur persönlichen Haftung der CEOs der Konzerne kommt“, unterstreicht Veronika Bohrn Mena.

„Wo gehobelt wird, fallen Späne“

Bei der Kundgebung spricht der rumänische Aktivist Gabriel Paun auch mit dem österreichischen Nachhaltigkeits-Manager von IKEA, Florian Thalheimer. Er signalisiert Gesprächsbereitschaft mit den Aktivist*innen.

Und er gesteht auch ein: Es gebe keine Sicherheit, dass in einem IKEA-Sessel kein Holz aus fragwürdigen Quellen drinstecke. „Mit der Komplexität der Lieferkette weiß man es nie, aber trotzdem weiß ich sehr wohl, dass wir bei IKEA von ganz oben, quer durch alle Länder und alle Funktionen das höchste Interesse haben, die Dinge zu verbessern.“ Es gebe bereits interne Kontrollmechanismen, sagt Thalheimer, doch: „Wo gehobelt wird, fallen Späne. Unsere Intention ist zumindest, dass es wirklich 100 Prozent ökologisch, sozial und [...] fair abgeht und transparent ist.“

Thalheimer erwähnt einige Ziele von IKEA: Kreislaufwirtschaft bis 2030 oder Emissionsreduktion. Es habe sich schon viel getan, aber natürlich habe man noch nicht alles erreicht. Aktionen wie jene bei der Filial-Eröffnung, „setzen uns ja auch unter Druck, dass wir die Ziele auch erreichen müssen“, so Thalheimer.

Der Nachhaltigkeits-Manager will Gabriel Pauns Bericht nun unternehmensintern weiterleiten. Am 8. September soll es zudem ein Treffen zwischen NGOs und IKEA geben. Das Ziel von Aktivist Paun: Der Konzern müsse transparenter werden, sich an Gesetze halten und keine juristischen Schlupflöcher mehr ausnutzen. „Die EU-Umweltgesetze sind klar, die EU-Abholz-Regulierungen sind klar und die nationale Rechtssprechung ist klar“, sagt Paun. Doch IKEA wisse, dass Korruption in Rumänien ein Problem sei und könne deshalb weitermachen wie bisher. „Blöd nur, dass es uns gibt, denn wir bringen Licht ins Dunkel und jetzt werden sie zum Handeln gezwungen.“

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