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Nura ist „Auf der Suche“ und sagt sozialer Ungerechtigkeit den Kampf an

Nura ist von der schlechteren SXTN-Hälfte zur echten Deutschrap-Ikone aufgestiegen und verteidigt diesen Titel auf ihrer neuen Platte. „Auf der Suche“ hat Nura ihre Stimme gefunden und sagt sozialer Ungerechtigkeit den Kampf an.

Von Alica Ouschan

Zugegebenermaßen schmerzt mein Herz noch immer bei dem Gedanken daran, dass sich die TicTacToes der 2010er Jahre - wie sollte es auch anders sein? - am Weg zum Karrierehöhepunkt aufgelöst haben. Die Rapperinnen Nura und Juju, die SXTN 2016 nicht nur eine neue Ära im männerdominierten Deutschrap eingeleitet, sondern auch rasend schnell die Herzen vieler HipHop Fans erobert haben, konzentrierten sich bereits zwei Jahre später so sehr auf ihre Soloprojekte, dass sie 2019 schließlich ihre endgültige Trennung bekannt gaben. Dass es im Endeffekt, genau wie bei TicTacToe, vielleicht so besser war, beweist Nura mit ihrem zweiten Solo-Album.

Nura "Auf der Suche"

Universal Music

Auf der Suche ist bei Universal Music erschienen.

Es war ein weiter Weg

Obwohl Nura mit ihrer scharfzüngigen Art, die sie bestimmt, aber mit Augenzwinkern rüberbrachte, schon immer prädestiniert für Großes war, stand die 1,59-Frau nicht gerade vor optimalen Solo-Karrierebedingungen. So wurde sie vielfach von Musikmedien als die technisch und textlich schlechtere Hälfte von SXTN bezeichnet. Ihr erstes Solo-Album „Habibi“, das vor zweieinhalb Jahren erschien und einen Haufen rosarote-Brille-Songs im Dancehall-Stil, mit wenig Skill und noch weniger Tiefgang vereinte, konnte, im Gegensatz zum Album ihrer talentierten Ex-Bandkollegin Juju, im Rap-Game leider nicht wirklich punkten.

Umso schöner ist es, dass Nura auf ihrem zweiten Album endlich ihre Stimme gefunden hat. Es ist nicht nur musikalisch, technisch und textlich ausgereifter als Platte Nummer eins, sondern trägt eine Vielzahl an wichtigen politischen Messages in die Massen. „Auf der Suche“ behandelt Themen der sozialen Ungerechtigkeit, aus der Perspektive einer queeren Schwarzen Frau, die ohne deutschen Pass in Deutschland lebt.

Zwar ist ihre Perspektive, das Starkmachen und Lautsein gegen Rassismus und Sexismus, sowie das Thematisieren von Diskriminierung und Fluchterfahrung in Nuras Musik nicht neu, auf diesem Album wird sie jedoch so politisch wie nie zuvor. Abgezeichnet hat sich das schon, als Nura letztes Jahr ihr erstes Buch, eine Autobiografie mit dem Titel „Weißt du, was ich meine? Vom Asylheim in die Charts“ rausgebracht hat. Darin bespricht sie die Fluchterfahrung ihrer Mutter aus Eritrea nach Kuwait, und wie sie dann mit Nura und ihren Geschwistern nach Deutschland gekommen ist.

Kristallklare Ansagen und sneaky Wortspiele

Zwar verpackt Nura ihren Drang nach Gerechtigkeit und ihre Wut über aktuelle Geschehnisse in ihren Songs in kecke Reime und knallharte Punch Lines, die Messages der Songs donnern dafür mit einer Klarheit in die Ohren, die ihresgleichen sucht, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass Nura aus der Perspektive einer betroffenen Person spricht.

Was auf der Welt alles falsch läuft, angefangen von Geschlechterungleichheit, über systemischen Rassismus bis hin zu sexuellen Übergriffen, bringt Nura unter anderem im Song „Fair“ auf den Punkt. Mit „Niemals Stress mit Bullen“ zeigt Nura die strukturelle Problematik rassistisch motivierter Polizeigewalt, sowie salonfähigen Alltagsrassimus in Deutschland auf: „Ich bin doch kein Rassist, ich habe einen schwarzen Freund“ und „Dafür sprichst du aber wirklich gutes Deutsch“, heißt es in der Hook. Nura knüpft damit an Songs wie „Ich bin Schwarz“ oder „Hass Frau“ aus SXTN-Zeiten an und hebt sich selbst in den neuen Songs sowohl inhaltlich als auch technisch auf ein neues Level.

Produziert von den Drunken Masters, hat sich Nura jetzt auch musikalisch wieder mehr den klassischen, bass-lastigen Rap-Beats zugewandt, die auch für SXTN recht typisch waren und hat somit glücklicherweise großen Abstand zwischen sich und den Dancehall/Raggaton vom letzten Album gebracht, der einfach irgendwie zu aufgelegt, dadurch zu gewollt undeinfach zu unauthentisch und flach war. Flach ist am jetzigen Album gar nichts mehr, nicht mal die klassische Selbstbeweihräucherung, ohne die Deutschrap-Alben einfach nicht auszukommen scheinen, wie „On Fleek“, oder die Persiflage auf ebendiese in „Hier Oben“. Nura schafft es immer irgendwie, ein Grinsen, ein Fäusteballen oder ein Nachdenken auszulösen.

Auch mit meinem persönlichen Favourite - nicht zuletzt aufgrund des tollen Feature-Gasts, der großartigen Pop-Sängerin Alli Neumann - legt Nura den Finger genau in die Wunde. „Wichsen ist Mord“ ist, wie der Titel schon vermuten lässt, ein satirischer Take rund um die Thematik der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen und zeigt Nuras großes Talent, harte Themen mit Humor zu nehmen und sie dadurch aufzuweichen, nur um sie dann mit noch beharrlicherer Deutlichkeit gleich im nächsten Moment pur und ungefiltert zu servieren.

Frech und familientauglich

Trotz der Ernsthaftigkeit der Themen ist „Auf der Suche“ kein schweres oder gar trauriges Album, ganz im Gegenteil hat die Musik etwas von Aufbruch, ist kämpferisch, provokant und unerbittlich. Trotz der teilweise vorhandenen derben Straßen-Rap-Sprache ist das Album außerdem poppig und nett genug, um familientauglich zu sein. Es hat das Potential, sowohl Personen in, als auch außerhalb der Deutschrap-Bubble zu erreichen. Die Nura, auf die wir SXTN-Fans so lange gewartet haben, ist nicht nur mehr „Auf der Suche“, mit diesem Album ist sie endlich und wahrhaftig wieder da.

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