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Der Song zum Sonntag: „Low Era“ von Geese

Alt und neu kommen schön in der Musik der New Yorker Band Geese zusammen. Im Oktober erscheint das Album „Projector“ auf Partisan Records.

Von Christoph Sepin

Viel ist in den letzten Tagen über das Entdecken von Bands diskutiert worden. Showcase-Festivals und Plattenrelease-Shows bestimmen den musikalischen Flavour des Spätsommers und damit auch das Nachdenken darüber, was das genau bedeutet, eine Band das erste Mal live versus per Stream oder im Radio zu hören. Eine der vielen Seltsamkeiten der letzten eineinhalb Jahre ist es eben, dass es jetzt eine ganze Generation an Acts gibt, die noch nie die Chance gehabt hat, sich einem größeren Publikum in einem Konzertsetting zu präsentieren.

Wie schön das sein kann, das fast zufällige Reinstolpern in eine Liveshow einer Band, hat in den letzten Tagen beispielsweise das Waves Vienna Festival bewiesen (sinks! 52 Hertz Whale! The Rodeo! Giudi! Modecenter!). Und damit auch Gedanken darüber angestossen, wie das dann wird, wenn man eine Band, die man nur per Studioaufnahmen kennt, endlich dann in real life sehen wird. Im Fall der hier im Fokus stehenden Gruppe Geese aus Brooklyn wird man wohl einfach nur sprachlos sein. Allein die Vorstellung, das, was diese Band macht, in einer vollen, verschwitzten Live-Venue zu sehen, ist aufregend. Es geht um die Musik.

Gerade einmal zwei Lieder haben Geese veröffentlicht, aber jetzt schon zahlt es sich aus, ein Spotlight auf das Quintett aus New York zu richten. Prädikat Hörenswert Nummer 1: Kein geringeres Label als Partisan Records, Heimat von Bands wie den Idles, Fontaines D.C. oder Cigarettes After Sex ist seit kurzem das Zuhause von Geese. Ende Oktober wird dort auch das Album der Gruppe erscheinen, „Projector“ so der simple Titel davon.

Darauf zu finden dann auch ein Lied, das sich anhört wie der Blick nach vorne und der zurück gleichzeitig: „Low Era“ ist ein verspieltes Stück Hommage an den Spätsiebziger-Sound von zum Beispiel den Talking Heads (und auch den Neuentwurf davon von etwa den frühen Franz Ferdinand), aber trotzdem eine Skizze davon, wie Rockmusik im 21. Jahrhundert produziert werden kann. Voll mit kleinen, kaum hörbaren, raffinierten Tricks und Gimmicks, Ideen, die scheinbar mühelos kurz auftauchen und dann wieder verschwinden.

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Talentierte Angeberei also, wenn man in knapp vier Minuten vier verschiedene Lieder reinpackt, zwischen denen herumswitcht und dann trotzdem noch genug Zeit hat, ein ausgiebiges Gitarrensolo zum Finale hin zu spielen. Und dazu die Lyrics von Vokalist Cameron Winter, der sich, wie es zum Sound von Geese passt, vage hält: „Some are born with the psychic inflection“, lautet Zeile 1. „Catastrophic when they go in the street“, in Falsett serviert, dann schon die zweite.

Eine Charakterstudie in den Zeilen des Songs, wenn Winter sich selbst und die anderen beschreibt: „You lie every time you turn away and you’re too naive to be so petty“ - es geht um die zwischenmenschliche Beziehung, es geht, wie in so vielen Songs, um die Liebe. Dass Geese hier trotzdem eine Geschichte und vor allem sehr schöne Zeilen dazu schreiben können, zeichnet diese Band aus. „Pulls me up into the sky when she asks me: what am I gonna do? What am I gonna do?“

„Swimming alone in a sea-world wasteland, floating lifeless to the edge of the pool“, das ist ein arger Songtext, der fast schon mit Schüchternheit, zumindest aber mit Understatement kommuniziert wird. „Love is running a little faster, losing my body with one ancient word.“ Wie Cameron Winters Story befinden sich auch die Instrumente von Geese in einem fast meditativen Flow. Es dreht sich alles so dahin und die Gedanken wandern. So eine Musik ist das also. Und dann das Nachdenken über eine hoffentlich nicht allzu ferne Zukunft, wenn man tatsächlich mit Getränk in der Hand und Freund*innen rundherum in einem kleinen Club steht und sich das alles live anschaut. Wie wird das wohl werden? In Vorfreude fantastisch.

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