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Waves Festival 2021

Alexander Galler

Festival

Wenn die Wellen hochgehen

Als Showcase Festival bringt das Waves Vienna seit Donnerstag rund 100 nationale wie internationale neue Acts nach Wien. Der Freitag Abend stand dabei ganz im Zeichen der österreichischen Newcomer - unter anderem mit Rahel, Modecenter, Florence Arman und Zinn.

von Michaela Pichler

„Ich komme aus dem Waldviertel, aus der Pampa. Ich bin in so einer Art WG aufgewachsen, auf einem Hof mit vielen verschiedenen Familien. Und da gab es auch schon ganz viel Kreativität und verrückte Dinge. Da wusste ich eigentlich als Kind schon, dass ich auf eine Bühne will“, erzählt Rahel im FM4-Interview. Diese Bühne bekommt die Künstlerin Freitag Abend nun auch - und was für eine. Die Newcomerin tritt auf der Mainstage des Waves Festivals in der WUK Halle auf. Dort, wo am Vorabend gerade noch Efterklang-Sänger Casper Clausen seine treuen Indie-Fans als Headliner bespaßt hat. Während sich die einen Musiker*innen aus einer jahrzehntelangen Band-Historie schälen und beim Waves ihr Solo-Ding präsentieren, gibt es viele im Line-Up, die in der Kategorie Newcomer*in mit den Hufen scharren.

Waves Festival 2021

Patrick Münnich

Rahel ist eine von ihnen. Erst letzte Woche ist sie mit ihrer Single „Tapp Tapp Tapp“ in die FM4 Charts eingestiegen und wird da - geschuldet der ohrwurmtauglichen Leichtfüßigkeit des Songs - wohl bestimmt einige Zeit verweilen. „Hallo, Waves Festival“, begrüßt die 25-jährige Künstlerin ihre Crowd. „Ich weiß nicht, wie es euch gerade geht, aber in mir gehen die Wellen gerade hoch!“

Am Donnerstag wurde das Waves Vienna Festival 2021 feierlich eröffnet - unter anderem mit Auftritten von Casper Clausen, Sinks, Faux Real, Aze, Oska, uvm. Hier gibt’s alle Highlights zum Nachlesen!

Rahel hat für die WUK-Halle eine Band mitgebracht; drei Musiker unterstützen ihren deutschsprachigen Gesang, der so schöne Zeilen hervorbringt wie „Der allerschönste Tanz / das ist der Widerstand“. Wer ganz genau hinhört, der wird zwischen den Indie-Schichten auch sehr subtile Untertöne der Marke Neue Deutsche Welle finden. Rahel ist mit Bands wie der Westberliner Gruppe Ideal aufgewachsen; eine gute Schule. Zwischen den Songs macht die Newcomerin Ansagen, die auch als solche gemeint sind. Sie spricht sich für mehr Sichtbarkeit von FLINTAs aus und stimmt das nächste Lied an. „Mädl“ ist ein poppiges Statement gegen Slutshaming und Diskriminierung, im Publikum wippt die Rahel-Mama nickend mit. Da schickt dann die Tochter auch mal ein Luftbussi von der Bühne.

Wolfgang Pérez

Alexander Galler

Wolfgang Pérez

Von Märtyrern und griechischer Mythologie

Ortswechsel zur Canisiuskirche. Dort treten Freitag Abend unter anderem Solo-Artists wie der Schweizer Dino Brandão oder die deutsche Tausendsassarin Mira Mann auf. Es geht aber noch weiter runter, in das geheime Gewölbe, das auch als Krypta im Waves-Plan steht. Diese liegt im Normalfall genau unter dem Altar einer Kirche und diente früher als Heiligengrab oder als Aufbewahrungsort für die Reliquien eines Märtyrers. An diesem Abend muss sich zum Glück niemand aufopfern, sondern einfach nur dem Sound von Wolfgang Pérez lauschen. Im Vorfeld wurde der Musiker, der sonst auch als Teil de Gruppe Golf unterwegs ist, mit Kapazundern wie Helado Negro oder Erlend Oye verglichen - ausgesprochen schöne Komplimente an das neue Soloprojekt Wolfgang Pérez. Live mischt sich da moderner Bossa Nova mit verjazzten Impro-Elementen und Indie-Poprock unter die leichte Softness in der Stimme, begleitet von einem vierköpfigen Live-Ensemble. Einige Bandmitglieder sind als Sonne verkleidet, die anderen zupfen am Kontrabass oder bearbeiten die Percussion-Abteilung inklusive seltenen Instrumenten wie Chimes.

Sirens of Lesbos

Patrick Münnich

Sirens of Lesbos

Während sich der im Handy eingebaute Schrittzähler freut, als man wieder Richtung WUK spaziert, machen sich in der großen Halle die nächsten internationalen Gäste bereit: Sirens of Lesbos wurden schon auf BBC rauf- und runtergespielt, für das Waves Vienna Festival reist das Kollektiv aus der Schweiz an. Es ist der erste Gig außerhalb der eigenen Ländergrenzen, wie Sirens of Lesbos freudig auf der Bühne erzählen. Draußen im Innenhof gibt es immer mal wieder Einlass-Stopps, die Musiker*innen erzählen in der Zwischenzeit Dad Jokes und spielen dann eklektisch-entspannte Clubsounds an. Mit den großräumigen Synthie-Flächen kommt ein bisschen Party-Feeling im WUK auf. Irgendwann kriecht der mehrstimmige Gesang im Hall-Modus auch in die letzte Ecke der Halle, als ob es sich bei den Sirens of Lesbos tatsächlich um wahrgewordene mystische Sirenen-Wesen handelt.

Bis Samstag findet das Waves Festival in und um das WUK in Wien noch statt - hier geht es zum gesamten Line-Up.

Alles, was das heimische Gitarrenherz begehrt

Geht man ein paar Schritte retour, steht man auch schon wieder im WUK Foyer. Den Freitag Abend haben die Booker des Showcase-Festivals einem Wiener Label gewidmet: Numavi Records feiert mit den neuesten Label-Zugängen und All-Time-Favourites eine schöne Party - darunter Gran Bankrott, Oxyjane und Sluff, die zwischen den Noise-Gitarren immer auch ihr Faible fürs Eingängige durchschimmern lassen. „Können wir das Licht ein bissl dunkler haben? Sooo happy sind wir auch wieder nicht!“, lacht der Sluff-Sänger und Gitarrist Martin Zenker von der Bühne.

Dieses Credo hat sich auch das nächste Numavi-Trio auf die Bandfahnen geschrieben: Zinn sind eher Kinder der Traurigkeit, aber die klingt dafür umso besser. Nach Freak-Folk und verrauchten frühen 1970s, nach den österreichischen The Velvet Underground irgendwie. Das Trio hypnotisiert das Publikum mit mantrahaften Song-Entwürfen aus ihrem Platten-Debüt, die Musikerinnen verfluchen das Patriarchat und erinnern sich an Shinkansen-Fahrten in Japan. Besonders erfreulich ist dann auch der letzte Song, ein ganz neues Lied, das an diesem Abend die Wiener Live-Premiere feiert. Zinn fordern zum gemeinsamen Tanz auf, zuerst ein Calypso, dann ein Apocalypso - die Melancholikerinnen werden auch live ihrem Ruf gerecht.

Florence Arman

Alexander Galler

Florence Arman

Die Bude(n) am Waves-Gelände sind Freitag Abend prinzipiell knackevoll, der Pop-Ruf von Florence Arman tut das übrige. Sie ist unter den Nominierten des XA Export Awards, der am letzten Waves-Tag unter heimischen Hoffnungsträger*innen vergeben wird. Wer aufgrund des Einlass-Stopps nicht mehr bis zu Florence Arman in die WUK-Halle kommt, kann sich schon mal in den ersten Reihen des Foyers anstellen. Am besten nochmal in den Ohrstöpsel-Spender greifen, die letzte Numavi-Band des Abends betritt gleich die Bühne.

Modecenter

Alexander Galler

Modecenter

Organischer Post-Punk zum Abschluss-Abriss

„Ich will nicht sagen, dass wir eine mega harte Band sind, aber für uns geht es darum, diese direkte Energie auf der Bühne rauszulassen. Das ist auch der Grund ist, warum wir das ganze hier machen.“, erzählt der Modecenter-Sänger David Bauer im FM4 Interview. Modecenter ist einer dieser Namen, den man sich spätestens nach diesem Musikwochenende fett notieren sollte. Selbst haben sie sich den Stempel „Krisen-Rock“ aufgedrückt; als sie mit den ersten Akkorden losfetzen, bauen sich schnell die Noise-Wände auf. Das Quartett ist die lauteste Band des Abends, da fließt so viel Power durch die Kabel, dass kurz auch mal das Bühnenlicht ausfällt - dem Sound-Treiben auf der Stage tut das allerdings keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil - die Tontechnik im WUK-Foyer ist an diesem Abend mehr als on point.

Beim Waves Festival präsentieren Modecenter ihr gerade erschienenes, selbstbetiteltes Debütalbum, das mit ziemlich viel Druck daherkommt. Live manifestiert sich diese Energie im Miteinander, als eingespielte Live-Band funktionieren Modecenter ausgesprochen gut. Und das, obwohl sie noch gar nicht so viele Gigs spielen konnten, immerhin wurde die Band kurz vor der Pandemie gegründet. Letztes Jahr haben die vier Musiker u.a. auf einer illegalen Skate-Party in Wien aufgespielt, aber das WUK, das ist natürlich noch mal was anderes. Die Rolle der abstrakten Zerstörer steht der Underground-Formation gut - und so hallt der erhoffte und wahrgewordene Abriss auch noch bei der Heimfahrt nach. Gute Nacht, Waves!

Waves Festival 2021

Alexander Galler

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