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Screenshot aus dem Computerspiel "OPUS: Echo of Starsong".

SIGONO

Der österreichische Games-Entwickler Chris Chiu schlägt kulturelle Brücken

Die kürzlich erschienene, in Taiwan entwickelte Visual Novel „OPUS: Echo of Starsong“ will auch ein internationales Publikum anzusprechen. Das entspricht einem aktuellen Trend von in asiatischen Ländern entwickelten Games. Ein leitender Programmierer aus Österreich mit taiwanesischen Wurzeln hilft bei der kulturellen Begegnung.

Von Robert Glashüttner

Zwischen westlichen Ländern und dem Fernen Osten gibt es seit jeher sehr unterschiedliche Kulturen, Konfessionen und Konventionen. Die Begegnung ist nicht immer einfach, vor allem auch wegen der Sprachbarriere. Das betrifft Gesellschaft, Politik und natürlich auch kulturelle Ausdrucksformen.

Im Bereich der Videospiele war lange Zeit Japan die eine große Ausnahme, denn dort hat man es von Anfang an geschafft, den internationalen Markt für sich zu begeistern, man denke nur an absolute Klassiker wie „Space Invaders“, „Pac-Man“ oder „Super Mario Bros.“. Seit rund zehn Jahren richten aber auch Gamestudios anderer asiatischer Länder wie Korea oder China ihre Spiele zunehmend international aus, ohne ihre kulturelle Identität zu verlieren.

Starsongs für die ganze Welt

Ein sehr gutes, aktuelles Beispiel für diese internationale Öffnung ist das neue Game „OPUS: Echo of Starsong“ und der dafür arbeitende österreichische Spieleprogrammierer Chris Chiu. Er ist vor sechs Jahren (nachdem er zuvor einige Jahre für das mittlerweile geschlossene österreichische Spielestudio Sproing gearbeitet hat) nach Taiwan, ins Herkunftsland seiner Eltern gezogen. Seit drei Jahren arbeitet er dort bei SIGONO, einem Gamestudio in der Hauptstadt Taipei.

Vor über drei Jahren hat das taiwanesische Indiestudio an der Arbeit zum dritten Teil ihrer „OPUS“-Serie begonnen. Story und Spielwelt sollten dieses Mal wesentlich umfangreicher werden als zuvor. Die Science-Fiction-Geschichte erzählt von einem Astronauten, der sich in eine mysteriöse Frau verliebt, die die Gesänge einer verlorenen Zivilisation interpretieren kann. Mit Hilfe dieser sogenannten Starsongs kann man ins Innere jener Asteroiden vordringen, wo diese gelebt haben.

Ein Ösi in Taiwan

Chris Chiu war zu Projektbeginn erst drei Jahre in Taiwan und feilte noch an seinem Chinesisch. Zwar ist er zweisprachig aufgewachsen, doch die zweite Sprache ist Taiwanesisch, das in urbanen Gegenden kaum verwendet wird. Trotzdem hat er sich als leitender Programmierer beworben, was für ihn entsprechend aufregend war: „Meine Sprachkenntnisse sind überhaupt nicht auf dem Niveau eines Muttersprachlers. So nervös wie beim SIGONO-Einstellungsinterview war ich, glaube ich, noch nie. Aber weil SIGONO eh schon immer auf den internationalen Markt geschielt hat, war das für sie total okay, dass mein Chinesisch nicht perfekt ist.“

Chris Chiu während des FM4-Interviews

Robert Glashüttner

Chris Chiu während des FM4 Interviews in den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers, dem taiwanesischen Computerspielstudio SIGONO in Taipei.

Chris und ein Kollege aus den USA sind im aktuell 22 Köpfe großen Team jene, die für die internationale Ausrichtung verantwortlich zeichnen. Das betrifft etwa den visuellen Stil und die Vielfalt an gezeigten Fraktionen, Völkern und Kulturen.

„OPUS: Echo of Starsong“, der dritte Teil einer Serie, ist eine Visual Novel bzw. ein Puzzle-Adventure, entwickelt und vertrieben von SIGONO Inc. und erschienen für Windows und MacOS.

„In der ursprünglichen Story-Idee war es so, dass alles im asiatischen Stil gehalten war. Sogar Raumstationen hatten chinesische Architektur, mit vielen Bögen und so weiter. Das wurde reduziert, um das Setting im Spiel - man hält sich in einem Sonnensystem auf, wo es diverse Fraktionen und Gruppierungen gibt - zu diversifizieren. Am Schluss war es dann nur noch eine Fraktion im chinesischen Stil - jene, wo auch der Hauptcharakter herkommt -, während die anderen Gruppierungen und Fraktionen komplett andere Stile haben.“

Not lost in translation

„OPUS: Echo of Starsong“ ist in einfachem und traditionellem Chinesisch, Japanisch und Englisch verfügbar. Die englische Übersetzung ging über die wörtliche Übersetzung hinaus. Hier war es auch notwendig, die jeweilige kulturelle Bedeutung miteinzubeziehen, wie Chris Chiu im FM4 Interview ausführt:

„Die Lokalisierung war fast tückisch. Die In-Game-Mythologie basiert auf chinesischer Theologie. Da gibt es einige Gottheiten, deren Namen man im Westen wahrscheinlich noch nie gehört hat. Ich selbst habe diesen ganzen Pantheon an Gottheiten auch nur rudimentär gekannt. Aber im chinesischsprachigen Raum ist das alles sehr bekannt. Unser Übersetzer - der Kollege, der in den USA aufgewachsen ist - hatte die Idee, dass man die Namen der Gottheiten so übersetzt, dass sie zum Beispiel römischen Gottheiten entsprechen, die ungefähr denselben Feel haben.“

Das Team des Videospielstudios SIGONO.

SIGONO

Das SIGONO-Team. Der FM4 Bericht wurde zum Anlass genommen, ein aktuelles Foto zu machen. Herzlichen Dank dafür!

Die über dreijährige Arbeit an dem Puzzle-Abenteuer „OPUS: Echo of Starsong“ hat sich auf vielen Ebenen ausgezahlt: Fast alle Spieler*innen – egal, ob sie aus dem Westen, dem Fernen Osten oder anderswo herkommen – sind bisher von Storytelling, dem visuellen Stil und der guten Übersetzung begeistert, wie die User-Rezensionen auf der Games-Plattform Steam zeigen. Besonders gefreut hat sich das Entwicklungsstudio SIGONO über Streamer*innen, die gleich am ersten Tag das ganze Spiel in einem Satz durchgespielt haben. Manche davon hatten anschließend vor Rührung sogar Tränen in den Augen.

Das gesamte Interview mit Chris Chiu im FM4 Game Podcast

Chris Chiu erzählt im Gespräch mit Robert Glashüttner, wie er von Österreich nach Taiwan gekommen ist, in welchen Regionen Taiwanesisch gesprochen wird und warum es erfüllend war, ein erzählerisches Game ohne Mikrotranskationen zu entwickeln.

Das Interview ist ab Sonntagfrüh, 19. September 2021, im FM4 Game Podcast verfügbar.

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