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Best New Music

Es geht um mehr als um HipHop: LGoony über seine neue EP und #DeutschrapMeToo

Mit seinen lustigen Lines, aufgedrehten Beats und seinem Charisma erobert LGoony seit etwa sechs Jahren die Herzen seiner Fans. Auf der neuen EP „Go Green“ greift der Rapper überraschend ernste Themen auf. LGoony liefert mit seiner EP heute die Best New Music.

Von Alica Ouschan

Cover Go Green

Airforce Luna

Go Green ist am 3. September bei Airforce Luna erschienen.

Bereitmachen für ordentlich viel Autotune und freshe Beats, denn LGoony hat neue Musik released. Der Kölner Rapper, der einst von Money Boy entdeckt und gefördert wurde, veröffentlicht seit geraumer Zeit regelmäßig Musik auf seinem eigenen Independent Label Airforce Luna. Dass die jetzt erschienene EP sich stark aus der bisherigen LGoony Diskografie hervorhebt, ist bereits beim ersten Mal hören klar.

Grün, grün, grün ist alles was ich mag

Alle Songs auf „Go Green“ wurden in der Natur aufgenommen, was den Sounds einen sehr entspannten, zurückgelehnten Charakter verleiht. Typische LGoony-Turnup-Songs finden sich darauf fast keine, dafür schlägt der Künstler das erste Mal seit langer Zeit wieder ernstere Töne an. LGoony ist bekannt für den Schelm und Witz in seinen Songs, in denen er eine Art übermenschliche Persona verkörpert, die alles kann und superreich ist.

Auf dieser EP scheint diese Fassade ein wenig zu bröckeln, LGoony gewährt Einblicke dahinter, ohne dabei auf den Spaß zu vergessen. Im FM4 Interview erzählt er, wie die Idee der EP entstanden ist und was es mit der überraschenden inhaltlichen Tiefe der Songs auf sich hat: „Die Songs sind alle 2019 entstanden und wir haben sie diesen Sommer in der Natur neu aufgenommen. Der Name ‚Go Green‘ ist mir sehr früh eingefallen, weil er sehr griffig ist.“

Eigentlich hätten im letzten Jahr, in dem LGoony über vierzig Tracks gemacht hat, ganze drei Tapes erscheinen sollen. Der erste Teil „Frost Forever“ wurde im April 2020 als „Wintertape“ released, ein Frühlings- und Sommertape sollten folgen. „Dann kam aber der Lockdown und es hat sich irgendwie komisch angefühlt, ein Tape rauszubringen, mit Songs, die alle davon handeln rauszugehen. Man merkt schon, dass die Thematik sehr 2019 ist, auch mit Fridays for Future, Greta Thunberg und so.“

Letzterer hat LGoony auf „Go Green“ sogar einen eigenen Song gewidmet. Es ist gleichzeitig der einzige musikalisch härtere Song auf der EP, der richtig Bock auf eine LGoony Liveshow macht. Darin werden alte Männer im Internet gedisst, Politiker kriegen ihr Fett weg: „Sie woll’n zurück in die Eighties, das Feindbild ist Friday For Future / Und haten das Wunderkind LGoony, auch bekannt als Greta Goonberg“, rappt er. Obwohl seine Lines nach wie vor gezielte Schenkelklopfer beinhalten, dreht sich „Go Green“ inhaltlich mal mehr, mal weniger subtil um die Klimakrise. Zwar sind drei der fünf Songs als klassische LGoony Flex-Tracks einzuordnen, er bezieht sich aber häufig in seinen Vergleichen auf Nachhaltigkeit. Umweltschutz wird zum roten Faden der EP, womit LGoony, der eher weniger dafür bekannt ist, sich politisch zu positionieren, eine überraschen klare Message in seine Musik packt.

„Ich hab natürlich drauf geachtet, dass die EP auch in die Zeit passt und nicht komplett dran vorbeigeht. Ich hatte ganz früher zum Beispiel den Song ‚Lüge der Medien‘, der hat sich mit Verschwörungstheorien beschäftigt. Der ‚Go Green‘ Song und der ‚Greta Thunberg‘ Song sollten auch in die Richtung gehen, dass man komplexe Themen auf sich selber bezieht und ein paar lustige Lines drüber kickt, also das Thema behandeln kann, ohne mit dem Zeigefinger zu kommen und die Leute belehren zu wollen, aber trotzdem dem Thema Raum gibt“, erklärt LGoony.

Nicht nur das Klima ist im Wandel

Das gelingt ihm mit den Songs auf „Go Green“ gleich zweimal. Lgoony thematisiert nicht nur die Klimakrise, der Song „Engel & Teufel“ ist ein Abbild der mentalen Wippe zwischen Manie und Depression: „Mal könnt ich lachen und dann wieder heulen“, heißt es - denn wenn alles gut läuft, wird’s meistens noch besser und wenn’s schlecht läuft, dann kommt immer alles auf einmal zusammen. Auch diese Art von Song ist für LGoony eher eine Seltenheit, die EP wirkt insgesamt ernsthafter, persönlicher und authentischer.

„Der ‚Engel & Teufel‘ Song passt ganz gut auf das Tape, weil er so bisschen zu kommenden Themen hinleitet, wo ich mich vielleicht mehr mit mir selbst beschäftige als mit der Kunstfigur. Ich arbeite grad viel an neuer Musik und die wird ganz anders werden, da wird’s auf jeden Fall einen Wandel geben. Vielleicht wird das ganze ein bisschen ernster - jetzt nur mal ein paar Hints“, verrät LGoony, dessen kommendes Album bereits bald erscheinen soll.

Zwei Fragen kann LGoony in Bezug auf seine aktuelle EP jedenfalls verneinen. Erstens ist der Titel trotz seiner Aktualität mit der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland keine Wahlempfehlung: „Es soll jeder das wählen, was er will. Jeder Mensch hat individuelle Interessen. Insofern sollten sich die Leute einfach informieren, was die Parteien sind, die die eigenen Interessen repräsentieren.“

Die zweite Frage bezieht sich darauf, ob die EP und die Wahl des Hauptthemas eine Anspielung darauf seien, dass sich das Klima auch in der Deutschraplandschaft aktuell in einem heftigen Wandel befindet. Vor einigen Monaten wurde Vorwürfe gegen Rapper, Manager und andere Insider der deutschen HipHop Szene laut, wonach es seit Jahren sexuelle Übergriffe und sexualisierte Gewalt gegen weibliche Fans, Journalist*innen und weibliche Artists gibt - und vor allem aber auch Täter, die sich gegenseitig schützen. Unter #DeutschrapMeToo formierte sich eine Initiative, die sich gegen diese seit Jahren bestehenden Machtdynamiken organisiert und Betroffenen eine Plattform bietet.

Es geht um mehr, als um HipHop

Genau wie bei der tatsächlichen Klimakrise wussten auch im Deutschrap eigentlich alle spätestens seit den Neunzigern, dass ziemlich viel gewaltig schief läuft. Dagegen wurde aber nichts getan, weil die Verantwortlichen einander gegenseitig schützen: „Das ist ein guter Vergleich“, meint LGoony. „Das soll jeder für sich entscheiden, ob man diese Parallele zieht. Ist doch gut, dass die Songs trotzdem noch in die Zeit passen.“ Die 2019 entstandene Idee ist also auch heute noch aktuell.

Die Deutschrap-Krise hat LGoony in den letzten Monaten hautnah miterlebt, als er sich in der lauter werdenden #DeutschrapMeToo Debatte geäußert hat, um den Umgang mit potentiellen Opfern und die Machtdynamiken der deutschen HipHop Szene zu kritisieren. Rapper, denen sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden, haben begonnen, ihre Fans auf Betroffene sowie Kritiker*innen der Szene zu hetzten - und auch auf LGoony: „Jetzt gehöre ich auch zum Kreis der Leute, die einen Beef hatten.“

#deutschrapmetoo Logo

Screenshot

  • Hier gibt’s eine Zusammenfassung der Geschehnisse rund um die #DeutschrapMeToo Diskussion.
  • Mehr über die Initiative #deutschrapmetoo findest du hier.
  • Und hier teilt die Moderatorin, Journalistin und Promoterin Ana Ryue ihre Gedanken zur Diskussion.

Bisher hat LGoony keine Interviews zu seinen Erfahrungen gegeben: „Ich will mich nicht mit dem Thema profilieren, weil es mich selber nicht betrifft. Es betrifft uns alle in gewisser Weise, aber ich bin kein Opfer sexualisierter Gewalt.“ Trotzdem hat er sich entschieden, in der Debatte seinen Standpunkt klarzumachen: „Es gab viele Leute, die sich dazu geäußert haben, die auf der anderen Seite standen und dann ihre eigene Fanbase mobilisiert haben, gegen andere Leute vorzugehen. Und das hat mich dann getriggert, weil es hieß: ‚Wir müssen für HipHop kämpfen, wir müssen dafür kämpfen, dass uns nicht der Mund verboten wird!‘, und darum ging es ja gar nicht. Es ging nicht um Inhalte von Songs, sondern es ging um konkrete Straftaten, um Sexualverbrechen.“

LGoony, der selbst schon seit vielen Jahren HipHop-Hörer ist, weiß, dass es früher oft darum ging, sich gegen den Mainstream zu wehren: „Aber jetzt ist HipHop Mainstream. Es ist die größte Musikrichtung der Welt. Für mich zählt dieses Argument nicht mehr, dass wir HipHop verteidigen müssen und deshalb gegen Leute vorgehen.“ Ihn stört vor allem, dass die Diskussion umgekehrt wird und behauptet wird, dass die Organisation Rappern den Mund verbieten wollen würde, obwohl es darum geht, aufzuzeigen und dagegen vorzugehen, wie Frauen im HipHop behandelt werden. „Und da geht es auch nicht drum, dass in einem Track ‚Bitch‘ gesagt wird, sondern darum, dass Frauen in Backstages sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt werden.“

Wie schwer es ist, gegen die Unterdrückungsmechanismen innerhalb der Szene anzukämpfen, hat LGoony am eigenen Leib erfahren: „Da ist um mich rum eine komplett neue Dynamik entstanden. Bisher gab es Täter und Opfer, die einander gegenseitig beschuldigt haben.“ Als LGoony seine Kritik am Umgang mit der Debatte äußerte, richteten die Beleidigungen und Drohungen plötzlich gegen ihn, Rapper hetzten ihre Leute auf LGoonys Social Media Profile, er bekam Gewaltandrohungen, wurde nachts von fremden Nummern angerufen, manche versuchten sogar, seine Adresse herauszufinden.

LGoony geht mit diesen Androhungen relativ gelassen um: „Ich bin es gewohnt im Internet beleidigt zu werden, ich hab ein dickes Fell.“ Was ihn an der ganzen Sache jedoch völlig schockiert hat, ist die Tatsache, wie homofeindliche Beleidigungen und Gewaltandrohungen in diesen Kreisen zusammenhängen und fast immer Hand in Hand gehen: „Ich fand das halt so krass, weil das nicht nur eine Beleidigung ist, sondern wirklich eine Androhung, die zeigt, dass diese Leute damit ausdrücken wollen: ‚Du gehörst nicht zu uns, du gehörst nicht zur Gesellschaft, queere Leute gehören nicht zur Gesellschaft‘“, sagt LGoony, der daraufhin seine Solidarität mit der LGBTQIA+ Community bekundet hat.

Er ist überzeugt davon, dass sich innerhalb der gesamten Gesellschaft und nicht nur im HipHop etwas grundlegend ändern muss: „Wir müssen einfach mehr drauf achten was falsch läuft und überdenken, was bisher so gang und gäbe war.“

Und so geht es für ihn auch persönlich und musikalisch weiter: „Meine Musik ist natürlich auch ein Spiegel von meinem Befinden, wie ich mich grad fühle. Bis jetzt war das alles sehr ‚Happy‘ Musik und es war alles sehr locker. Das geht aber nur, wenn es einem persönlich gut geht“, sagt LGoony und gibt abschließend erneut einen Ausblick auf die Musik, die er zukünftig machen will: „Es fühlt sich nicht richtig an, den Weg hundertprozentig so weiterzugehen wie man das bisher gemacht hat, weil das auch gar nicht geht. Es ist so viel passiert, da ist die logische Konsequenz, dass sich das alles verändert. Ich setz mich auch nicht hin und sag ‚Ich muss jetzt Musik machen‘, es kommt halt einfach aus mir raus.“

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