FM4 Extraleben: Die Mitte der Gesellschaft

Das Games-Kränzchen macht sich auf die Suche nach dem Wahrheitsgehalt hinter einer jahrzehntealten Floskel. Sind Games jetzt „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen - und was bedeutet das überhaupt?

Von Rainer Sigl

„Computerspiele sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Kaum einen Satz hat man in den letzten Jahren in Bezug auf Videospiele so oft gelesen wie diesen. Diese Floskel wird vor allem mit Zahlen untermauert: So und so viel Prozent der Bevölkerung spielen Videospiele, der „Durchschnittsspieler“ ist so und so alt und gibt immer höher werdende Beträge für das gar nicht mehr so junge Medium aus. Games setzen mittlerweile weitaus mehr Geld um als Filme, und eSport ist umsatzstärker als so manche Fußballliga.

Aber reicht das aus, um wirklich in der sogenannten Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein? Mit dieser Frage beschäftigen sich Conny Lee, Robert Glashüttner und ich in Ausgabe 79 des Computerspielkränzchens FM4 Extraleben.

Immer noch peinlich

Allen Argumenten zum Trotz, mal ehrlich: Videospiele sind vielen Menschen immer noch peinlich. Auch wenn Oma ihren Nachmittag mit Online-„Schnapsen“ am iPad verbringt, der Schwiegerpapa sich extra eine Konsole fürs „FIFA“-Spielen zugelegt hat und die junge Mutter am Spielplatz gelangweilt „Gardenscapes“ spielt - so richtig selbstbewusst stehen die wenigsten der „neuen“ Gamer-Zielgruppen zu diesem Hobby. Irgendwie verschwendet man ja mit dem ziellosen Herumspielen doch eher nur wertvolle Zeit, die man besser für „etwas Sinnvolles“ nutzen sollte.

Auch 2021 fürchtet man sich ein wenig vor der Stigmatisierung, die dem Medium immer noch anhaftet. Videospiele, ich? Nicht wirklich! Über den neuen Tarantino, das letzte WM-Spiel, einen Krimibestseller oder das aktuelle Madonna-Album plaudert man ohne Hemmungen auch mit Zufallsbekannten - wer die Zigarettenpausen mit „Clash of Clans“ verbringt, auf der Switch des Sohnes abends „Zelda“ spielt oder sich auf das neue „Resident Evil“ freut, bespricht das eher mit von vornherein Gleichgesinnten. Warum eigentlich?

Baumhaus statt Mitte

Dass sich Kevin Spaceys fieser US-Präsident Frank Underwood in der TV-Serie „House of Cards“ gern und wiederholt mit Videospielen beschäftigte, ist ein recht einzigartiger Vorläufer der Normalisierung in den Massenmedien geblieben, stattdessen sind die Parade-Nerds von „Big Bang Theory“ immer noch das Standard-Klischee vom „typischen“ Videospieler - egal, wie mittig das Medium tatsächlich geworden ist.

Mangelnde Zugänglichkeit, hohe Einstiegshürden und ständige technische Neuerungen machen es für Neulinge auch schwer, einzusteigen - und mit den Anforderungen des Erwachsenenlebens lassen sich viele der traditionell auf endlose Spieldauer setzenden Games auch nicht besonders gut vereinbaren. Nach acht Stunden Arbeit und Familienleben mit Kindern kommt auch dem früher begeisterten Gamer die Zusatzherausforderung am Joypad weniger reizvoll vor als ein paar Stunden Fernsehschlaf.

Und apropos Gamer: Der eifersüchtig über die Reinheit „ihres“ Mediums wachenden Hardcore-Fraktion ist es ohnehin nicht recht, dass da neue Menschen auch mitspielen wollen. Im Baumhaus, umgeben von Gleichgesinnten, ist es am gemütlichsten. Filthy casuals!

Reden wir über Computerspiele!

Stagniert das Medium Videospiele also weiterhin in der Schmuddelecke dahin, statt sich selbstbewusst im Zentrum als ganz normal zu behaupten? Was kann man dagegen unternehmen? Diesen Fragen gehen wir diesmal nach. „Die Mitte der Gesellschaft“ ist Thema in diesem FM4 Extraleben. Conny Lee, Robert Glashüttner und ich sprechen über Videospiele.

Die Erstausstrahlung findet am Montag, 27. September 2021, von 21 bis 22 Uhr statt, anschließend kann man das aktuelle Extraleben im FM4 Player sowie im FM4 Spielkultur-Podcast hören.