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Daniel Craig

Universal Pictures

Mein Name ist Craig, Daniel Craig: Ein kleiner Bond-Rückblick

Zur Einstimmung auf „No Time To Die“: Ein kritischer Blick auf die letzten Abenteuer von Agent 007.

Von Christian Fuchs

Sechs Jahre ist es jetzt her, seit „Spectre“ über die Leinwände flimmerte, das bislang letzte James-Bond-Abenteuer mit Daniel Craig in der Titelrolle. Eine ziemlich lange Zeit, in der diverse Erdbeben die Kulturszenen erschütterten. Durch das #metoo-Movement, #blacklivesmatter und den Drang zu verstärkter Diversity passierten vor allem im Filmbereich heftige tektonische Verschiebungen.

Mit „No Time To Die“ kehrt James Bond nun, mit pandemischer Verspätung, in eine gesellschaftliche Landschaft zurück, in der sich viel verändert hat. Wie ein Fossil aus einer anderen Ära wirkte er schon vorher. In der unmittelbaren Gegenwart scheint ein mörderischer Geheimdienst-Erfüllungsgehilfe und abgebrühter Frauenheld, erschaffen vom Autor Ian Fleming am Höhepunkt des Kalten Kriegs, aber noch mehr out of place. Man kann sich Agent 007 in einem spärlich eingerichteten Unterschlupf vorstellen, über den Dächern von London, wie er als einsamer Boomer an seinem Martini nippt und die Welt nicht mehr versteht.

Daniel Craig

MGM

„Spectre“

Genau solche Bilder tauchen aber bereits in den Bondfilmen mit Daniel Craig auf. Nicht zuletzt auf Betreiben des Hauptdarstellers befinden sich die letzten Actionthriller rund um den britischen Superspion in einem Dialog mit dem Hier und Jetzt.

Es gibt Frauenfiguren, die weit von den passiven Bondgirls der Vergangenheit abweichen. Globale Überwachungspolitik zeigt sich als Bedrohung. James Bond kämpft mit Selbstzweifeln und offenbart zerbrechliche Facetten. Sogar ein Hauch von Homosexualität flackert einmal auf. In „No Time To Die“ bekommt 007 nun eine mehr als ebenbürtige Kollegin in Gestalt der toughen Lashana Lynch. Und Craig himself holte die britische Autorin Phoebe Waller-Bridge, bekannt für ihren scharfzüngigen feministischen Humor, zum Drehbuchteam.

Wie weit sich der alte Playboy Bond aber von seinen antiquierten Wurzeln entfernt, um in der Popkultur der Zukunft eine Rolle zu spielen, wird sich zeigen. Daniel Craig verabschiedet sich mit „Keine Zeit zu sterben“ vom MI6. Eine Gelegenheit, um die aktuelle Bondreihe noch einmal Revue passieren zu lassen.

Daniel Craig

Universal

„No Time To Die“

Das furiose Comeback: „Casino Royale“

Der hässlichste Titelvorspann der 007-Geschichte. Der schlechteste Themensong ever. Einige ermüdende Verfolgungsjagden, die nicht und nicht aufhören wollen. Davon abgesehen ist „Casino Royale“ aber 2006 der sehenswerteste James Bond-Film seit Ewigkeiten.

Zuvor war Commander Bond, der alte Chauvinist im Auftrag Ihrer Majestät, wieder einmal in eine Sackgasse geraten. In „Die Another Day“ kämpfte sich Pierce Brosnan ausgelaugt durch ein hoffnungslos übertriebenes Effektspektakel. Also raus mit allen Gimmicks und Gadgets. Statt comichafter Überzogenheit gibt es in „Casino Royale“ tatsächlich so etwas wie Ansätze von Realismus zu sehen.

Der Däne Mads Mikkelsen ist als Oberbösewicht Le Chiffre kein Supergangster, der nach der Weltherrschaft strebt, sondern einfach ein gieriger Geldwäscher im Dienste des Terrorismus. Die Französin Eva Green darf als Vesper Lynd die klassische Rolle der Bondine erstmals mit Emotionen ausstatten - und im Gegenzug auf knappe Bikinis und Maschinenpistolen verzichten.

Dabei steht und fällt „Casino Royale“ mit dem damals 38-jährigen Briten, der im Vorfeld so umstritten war wie kaum ein anderer Bond-Darsteller. Und eben dieser Daniel Craig überzeugt vollends als unsicherer, ramponierter, grantelnder Geheimagent, dem es völlig egal ist, ob sein Wodka-Martini geschüttelt oder gerührt serviert wird.

Natürlich verzichtet der Film nicht auf die obligaten spektakulären Schauplätze, auf schnelle Schlitten und jede Menge Schießereien. Aber es menschelt eben gehörig in diesem Agentenabenteuer. James Bond schwitzt und blutet wie ein gewöhnlicher Erdenbürger, er begeht Fehler und kommt eigentlich nie zum Sex.

Daniel Craig

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„Casino Royale“

Der Absturz: „Quantum of Solace“

Erstmals schließt ein 007-Abenteuer mit seiner Story nahtlos an den Vorgängerstreifen an, der Einfluss des seriellen Fernsehens lässt grüßen. Der mysteriöse Mr. White aus „Casino Royale“ entpuppt sich bloß als Teil einer weitverzweigten Organisation, die im Verborgenen finstere Geschäfte abwickelt. Der Staragent des MI6 macht sich bald auf einen unerbittlichen Rachefeldzug für Vesper Lynd, bei dem er seine Lizenz zum Töten ausgiebig ausnutzt.

Leider bricht „Ein Quantum Trost“ in stilistischer Hinsicht mit dem Vorgängerfilm. Was den Neustart auszeichnete, war ein klassischer Ansatz in Sachen Kamera und Schnitt. Bereits die ersten Minuten von „Quantum Of Solace“ zeigen, dass Regisseur Marc Forster ganz woanders hinsteuert. Eine Autoverfolgungsjagd wird da bemüht als Montagegewitter inszeniert. Was von der sinnlos hektischen Szene zurückbleibt, ist aber bloß Achselzucken. Keine Begeisterung, keine Emotion.

Der darauffolgende Vorspann macht endgültig klar, dass Marc Forster kein richtiges Gespür für den Mythos James Bond hat. Zum großartigen Themesong von Jack White und Alicia Keys überflutet zwar todschickes Grafikdesign die Leinwand. Aber im Grunde sieht das Ganze dann doch wie eine animierte Strecke aus einem slicken Lifestylemagazin aus.

Zu glatt und beliebig lautet dann auch mein finaler Hauptvorwurf an den Film, als nach 106 Minuten zu den berühmten Klängen von Monty Norman die Schlusstitel abrollen. Was „Quantum Of Solace“ dennoch sehenswert macht sind die Hauptdarsteller. Daniel Craig trägt die Franchise locker auf seinen durchtrainierten Schultern. Statt großen Gesten reicht ihm oft nur ein unterkühlter Blick, um brodelnde Emotionen zu vermitteln. Toll auch die Russin Olga Kurylenko als undurchschaubare Action-Femme Fatale. Und ein lässiger Kurzauftritt von Gemma Arterton.

Daniel Craig

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„A Quantum of Solance“

Das Stil-Monument: „Skyfall“

Futuristisch, gegenwartsbezogen, nostalgisch: Passend zum 50. Geburtstag von James Bond versucht es Regisseur Sam Mendes, allen Fans recht zu machen. Alles ist wieder da: Die einschlägigen Gadgets, der trockene Humor und die stilvollen Vintage-Autos. Eine abgehobene Comicfigur wird der Superagent trotzdem nicht.

Die vielleicht atemberaubendste Prä-Titelsequenz der gesamten James Bond Historie ist der Auftakt zu einem Film, der spannende Gegensätze vereint. Einerseits spektakuläre Schauwerte und klassisches Spionagefilm-Flair, auf der anderen Seite ein Bond, dem man die heftige Geschlauchtheit ansieht. Was natürlich letztlich nur noch mehr Coolness-Punkte generiert.

Nicht nur mit dem Supergangster Silva, von Javier Bardem so over the top angelegt, dass man sich an burleske Klassiker wie „Moonraker“ erinnert fühlt, zitiert „Skyfall“ die eskapastischen Momente der Vergangenheit. Neben der herrlich schroffen Judie Dench als M gibt sich der legendäre Waffenmeister Q wieder die Ehre, von Ben Whishaw als köstliche Variante des gängigen Computernerds interpretiert.

Die Mischung aus Gegenwartsanbindung und Nostalgietrip, Bodenständigkeit und Futurismus, Action und Charakterfokussierung funktioniert vielleicht nicht auf der ganzen Überlänge von 140 Minuten. Aber alleine die betörenden Bilder von Roger Deakins, der Titelsong, der das Erbe von Shirley Bassey anschmachtet, das Auftauchen des Aston Martin, die doomige Stimmung, die durch viele Szenen wabert: All das und noch viel mehr macht „Skyfall“ zum würdigen Jubiläumsstreifen.

Daniel Craig

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Skyfall

Die Hit-Compilation: „Spectre“

Eigentlich hätte dieser elegante Abgesang auf James Bond und Kino-Spione der alten Schule auch der Abschied von Daniel Craig werden sollen. Das Drehbuch greift auf eine kriminelle Vereinigung zurück, die in der Ära von Sean Connery eine zentrale Rolle spielte. Erdacht hat sich die Organisation Spectre der Autor Ian Fleming, der seinen literarischen Helden gegen eine besonders plakative Gefahr antreten lassen wollte. Also kreierte er eine Art Terroristen-Supergroup, in der dunkle Mächte aus allen Erdteilen kooperieren.

In „Spectre“ gibt es eine Extradosis Bond. Vergleichbar mit einer Greatest-Hits-Compilation werden zentrale Momente der Agentensaga zitiert, vor allem aus der Ära des besagten Mr. Connery. Vom Dienst suspendiert, nachdem der aalglatte Jungchef des Centre for National Security droht, das Doppelnull-Programm zu beenden, ermittelt unser Mann vom MI6 auf eigene Faust. Schon bald wird James Bond in einem römischen Palast mit Spectre und dem dazugehörigen grinsenden Chef Franz Oberhauser (Christoph Waltz) konfrontiert.

Sam Mendes, der erneut Regie führt, lässt die Story ideologische Haken schlagen. Ausgerechnet der reaktionäre Antiheld Bond mutiert quasi zum Gesinnungskollegen von Edward Snowden. Und dieser Anflug von gutgemeinter Message funktioniert sogar im Rahmen des stylischen Actionkinos. Dazu verwandelt sich der zynische Womanizer von einst zumindest zu einem Gentleman, der nicht gleich in der ersten Szene die Schlafzimmertür öffnet. Sondern sich zumindest einen dramatischen Augenblick Zeit lässt.

Daniel Craig

MGM

„Spectre“

Monica Bellucci (die leider zu schnell aus dem Film verschwindet) und Leá Sedoux vereinnahmen im Gegenzug die Leinwand mit ihrer fantastischen Präsenz, Naomi Harris ist die coolste Miss Moneypenny ever. „Spectre“ ist kein Genre-Meisterwerk, aber ein prächtiger, den schimmernden Oberflächen huldigender Trip in die 007-History.

Ob „No Time To Die“ ein würdiger Abschluss für Daniel Craigs Bond-Zyklus ist, wie sich die anachronistische Figur tatsächlich weiterentwickelt hat, wie der James Bond einer neuen Generation aussehen könnte, darüber reden wir demnächst auch in einem FM4 Filmpodcast. Es bleibt spannend.

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