FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

deutscher Bundestag Plenarsaal leer

APA/dpa/Fabian Sommer

interview

Ampel oder Jamaika - was wollen junge Wähler*innen?

Im Funk-Format „Kreuzverhör“ stellten sich deutsche Spitzenpolitiker*innen Fragen, die vor allem für junge Menschen unter 30 relevant sind. Wir haben nach der Wahl mit dem Funk-Journalisten Jan Schipmann über seine Eindrücke gesprochen. Wie ist das Wahlergebnis bei jungen Menschen in Deutschland angekommen und welche Erwartungen gibt es hinsichtlich möglicher Koalitionen?

FM4: Du hast dich während des Wahlkampfes intensiv mit den jungen Wähler*innen beschäftigt und bist dafür sehr viel auf social media unterwegs gewesen - was hast du gestern Abend nach Bekanntgabe des Ergebnisses mitbekommen, wie war die Stimmung bei den jungen Wähler*innen?

Jan Schipmann: Genau, wir haben für unser „Funk“ Format „Die da oben“ sehr spezifisch darauf geschaut was junge Wähler*innen so wollen, was sie sich wünschen und was die Parteien dazu anzubieten haben und es fällt immer schwer für eine homogene Masse von jungen Menschen zu sprechen. Der Tenor war, von dem was ich mitbekommen habe: Es hätte besser sein können, aber es hätte auch schlechter kommen können. Das war so der Konsens der Menschen bei uns in der Community.

FM4: Olaf Scholz und seine SPD ist ja als Sieger aus dieser Wahl hervorgegangen, Armin Laschet als Unionskandidat zweiter geworden - das sind ja Parteien der Mitte. Bei den unter 30-Jährigen zeigt sich da aber ein anderes Bild?

JS: Junge Menschen haben sich primär für die Grünen und die FDP entschieden und das ist tatsächlich ein Trend der sich fortsetzt wenn man auf die Landtagswahlen schaut, zB. in Sachsen-Anhalt in diesem Jahr - da war das tatsächlich ähnlich und Grüne und FDP waren bei jungen Menschen weit vorne.

FM4: Dass die Grünen aufgrund des Klima-Themas einen starken Rückhalt bei jungen Menschen haben, scheint irgendwie klar, aber was manche doch verwundert ist, dass die FDP bei Erstwähler*innen stimmenstärkste Partei wurde. Was war hier ausschlaggebend?

JS: Ich glaub viele vergessen, dass die Jungen nicht eindimensional auf das Thema Klima schauen. Die FDP hats geschafft zwei wichtige Schlagwörter zu besetzen schon über die letzten Jahre hinweg und zwar ist das die Digitalisierung und die Bildung. Das konnte man bei jeder Talkshow mit FDP Beteiligung sehen und auf jedem FDP Plakat lesen. Digitalisierung und Bildung kommt überall vor und das sind auch bei uns in der Community wenn wir nach Themen fragen, die unseren Usern am Herzen liegen zwei Themen die immer wieder genannt werden. Das hat die FDP sehr geschickt gemacht, und deshalb hat es mich auch nicht allzu sehr verwundert, dass der Trend so weiter gegangen ist.

Porträt

Jan Schipmann

Jan Schipmann ist Journalist und Redaktionsleiter Politik bei Hyperbole TV. Für funk (ARD/ZDF) produziert er als leitender Redakteur und Moderator das Politik-Format DIE DA OBEN! (zuvor INFORMR) von funk, für Hyperbole TV die Videokolumne FRAG EIN KLISCHEE, die sich mit Vorurteilen gegenüber Minderheiten auseinandersetzt.

FM4: Im Wesentlichen werden jetzt drei Möglichkeiten einer Koalition diskutiert: eine Große Koalition aus SPD und CDU/CSU und zwei 3-er Koalitionen. Einerseits SPD mit Grünen und FDP bzw. CDU/CSU mit Grünen und FDP. Welche davon käme beim jungen Wähler*innenspektrum das ihr beobachtet habt, am besten an?

JS: Also ich glaub die GroKo kann man außer im absoluten Ernstfall ausschließen. Da hat keiner mehr Bock drauf und beide, sowohl SPD als auch die Union, haben im Wahlkampf immer wieder betont, dass sie keine Lust mehr drauf haben. Es ist auch bei jungen Wähler*innen absolut nicht beliebt. Insofern bleibt die Ampel unter SPD Führung oder Jamaica unter Unionsführung und prinzipiell muss man sagen, Armin Laschet, speziell wenn man auf unsere Community schaut, hats halt verbockt. Der Wahlkampf ist bei ihm wahnsinnig unglücklich verlaufen und er hat im Endeffekt auch ein ganz schlechtes Ergebnis eingeholt. Ich würde mich aus dem Fenster lehnen und sagen, dass kaum jemand aus dem politischen Spektrum, wenn man die AfD mal außen vor lässt, so unbeliebt ist wie Armin Laschet bei vielen jungen Menschen. Deswegen glaube ich, dass die Ampel bei vielen jungen Menschen als spannende Option gesehen wird, weil zum einen Grüne und FDP beide vertreten sind und da, wenn sie sich bei essenziellen Fragen wie der Steuerpolitik einigen könnten, auch beide ihre Stärken einbringen könnten. Und zum anderen der Gedanke, dass die Union in der Opposition landet, was sehr, sehr lange nicht passiert ist, ist glaub ich auch ein Punkt den viele junge Menschen sehr gerne mal sehen würden.

FM4: Und welche Koalition erscheint dir realistischer?

JS: Wenn man mal schaut was auf dem Papier steht, dann haben wir auf der einen Seite einen historischen Verlierer und auf der anderen Seite einen Olaf Scholz der mit der SPD den Wahlkampf von hinten aufgerollt hat und dann wirklich noch auf den ersten Platz gekommen ist. Also natürlich ist es so, dass man zuerst einmal mit dem Wahlgewinner spricht, das wäre das Bündnis, dass den breitesten Rückhalt in der Bevölkerung hätte. Am Ende ist es aber auch die Sache, dass FDP und Grüne sich ganz stark überlegen werden, wo können wir am meisten rausholen und die Union unter Armin Laschet war noch nie so schwach. Das heißt wenn sie jetzt noch einmal an der Macht festhalten wollen, müssten sie so fundamentale Zugeständnisse machen, dass sie wirklich Angebote machen müssten die beide, Grüne und FDP, nicht ablehnen könnten. Es wären auch die Grünen, die am meisten in eine solche Jamaika Koalition reingelockt werden müssten, da sie es sind die dabei am meisten zu verlieren haben. Viele, viele die die Grünen gewählt haben, hätten keine Lust auf einen Kanzler Laschet und wenn die jetzt Laschet zum Kanzler machen, dann ist da auch ein ganz großes Risiko dabei. Da müsste ihnen hat wirklich etwas ganz substanzielles angeboten werden, dass sie sagen - ok, so etwas können wir nicht ablehnen.

FM4: Mittlerweile hat die FDP ja begonnen, mit den Grünen Vor-Sondierungen zu führen. Was heißt dieses Wahlergebnis bei Themen, die du schon angesprochen hast wie Digitalisierung und Bildung, aber auch Klima? Kann da durch eine 3er-Koalition doch mehr Bewegung rein kommen, als es in den letzten Jahren vielleicht war?

JS: Da kommt es halt stark drauf an unter welcher Führung die 3er-Koalition läuft. Bei der Ampel-Variante wären da, zumindest was gesellschaftspolitische Fragen betrifft, doch einige Änderungen zu erwarten. Es ist ja nicht nur Digitalisierung und Bildung sondern es gibt hier zum Beispiel im Strafgesetzbuch das Verbot von Werbung für Abtreibung. Der Paragraph würde innerhalb kürzester Zeit fallen, das ist sehr vielen Menschen sehr wichtig. Es würde eine Entkriminalisierung von Cannabis geben, das ist auch einigen wichtig, zwar nicht als Leitthema aber doch für junge Menschen wichtig. Und auch in anderen Bereichen z.B. in der Sterbehilfe würde es zu Änderungen kommen. Das wären einige Sachen die ein Ampelbündnis schaffen könnte. Bei der Digitalisierung sind sich prinzipiell auch alle einig, dass muss schneller und besser gehen und ich sag mal, auch die Bildungspolitik wäre in einer Ampel besser reformierbar, weil der einzige große Freund des Föderalismus ist in Deutschland eigentlich die Union. Das heißt, da kann einiges passieren. Beim Klimaschutz hingegen gibt es durchaus unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte, da müsste man schauen wie alles zusammenkommt, das wäre aber bei der SPD, also Ampel, wie auch Union, also Jamaika, in beiden Fällen so. Ich würde das also aus meiner Perspektive so analysieren, dass sich junge Menschen am ehesten die Ampel wünschen würden. Wenn man sich anschaut wer gewählt wurde bei den jungen Menschen, dann war das zuerst einmal die FDP und die Grünen und dahinter die SPD, daher denke ich, dass die Ampel jetzt bei jungen Wähler*innen als die spannendste Option gesehen wird.

mehr Politik:

Aktuell: