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Ein gemaltes Portrait von Sufjan Stevens und Angelo De Augustine

Daniel Anum Jasper

„A Beginner’s Mind“: Die neuen Songs von Sufjan Stevens sind von Filmen inspiriert

Der US-Songschreiber Sufjan Stevens zog sich in eine Hütte in den Bergen zurück und erschuf zusammen mit seinem Musikerfreund Angelo De Augustine ein von Filmen inspiriertes Album. Nachts schauten Sufjan und Angelo „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Gefährliche Brandung“. Am Morgen machten sich die beiden dann gleich daran, Songs zu schreiben - das Album „A Beginner’s Mind“ ist so entstanden.

Von Eva Umbauer

Albumcover von Sufjan Stevens und Angelo De Augustines "A Beginner's Mind", darauf zu sehen eine geflügelte nackte Medusa im Meer vor einem Regenbogen

Asthmatic Kitty

„A Beginner’s Mind“ von Sufjan Stevens und Angelo De Augustine ist am 26.September 2021 bei Asthmatic Kitty erschienen.

Der US-Songschreiber Sufjan Stevens begeisterte mit Alben wie „Illinois“ oder „Carrie & Lowell“. Sein letztes Album, das vor einem Jahr entstandene „The Ascension“, war dicht, komplex und nicht immer einfach zu hören. Mit „A Beginner’s Mind“ zeigt sich Sufjan Stevens wieder zugänglicher. Er hat das Album zusammen mit einem Musikerfreund, nämlich Angelo De Augustine, erschaffen. Angelo veröffentlicht seine Musik ebenfalls beim amerikanischen Plattenlabel Asthmatic Kitty Records, das Sufjan Stevens zusammen mit seinem Stiefvater Lowell Brams Ende der 1990er Jahre gegründet hat. Zusammen sind Sufjan und Angelo bei „A Beginner’s Mind“ ein richtiges „match made in heaven“.

Einer fing mit einem Song an, der andere setzte ihn direkt fort. Sufjan und Angelo entschieden sich, die Texte dieser Songs in der Ich-Form zu schreiben. Beide schlüpfen also in eine Rolle. Ihre beinahe himmlischen Stimmen sind meist eng miteinander verwoben, etwa wenn sich beide dem Harmoniegesang hingeben. Aber Sufjan und Angelo geben gleichzeitig auf dieser gemeinsamen Platte dem jeweils anderen auch Raum, um solo zu brillieren.

Filminterpretationen in Songform

Sufjan Stevens und Angelo De Augustine haben eine ganz besondere Chemie, sonst hätten sie es wohl auch gar nicht miteinander ausgehalten, wochenlang in einer einsamen Hütte in den Bergen des US-Bundesstaats New York. Nachts schauten die beiden Filme - so unterschiedliche wie „Das Schweigen Der Lämmer“ von Jonathan Demme, „Point Break“ von Catherine Bigelow, „She’s Gotta Have It“ von Spike Lee oder „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders - und am Morgen ging es gleich los mit dem Songschreiben. Die Filme, die sie angeschaut hatten, sollten die Songs beeinflussen, aber sie sollten keine Songs direkt über diese Filme werden. Sie dürfen von uns Hörer*innen also durchaus interpretiert werden, in alle möglichen Richtungen.

Eigentlich muss man auch gar nicht immer wissen, welcher Film nun genau welchen Song inspirierte, denn letztlich geht es bei diesem neuen Album von Sufjan Stevens um „the meaning of life, the meaning of death, and everything in between.“ Oder sie handeln von „observing what is pure and good - or seemingly dark and villainous - with the eyes of a child“, wie Sufjan Stevens sagt. Es geht letztlich auch darum „how we cope in a broken world“.

Raum für beide

Fast alle musikalischen Stile von Sufjan Stevens sind auf „A Beginner’s Mind“ vertreten, immer aber findet sich tief im Herzen eines jeden seiner Songs dieser unendlich zärtliche Folk, mit dem sich Sufjan Stevens ein Publikum geschaffen hat. So erinnern die Songs „Cimmerian Shade“ und „Lacrimae“ mit ihrer sanften akustischen Gitarre und der leicht New-Age-igen Elektronik an Sufjan Stevens’ herzzerreißendes Meisterwerk „Carrie & Lowell“, das 2015 erschienen ist, während ein Song wie „Back To Oz“ eher wie aus seiner Zeit rund um das Album „Illinois“, also 2005, klingt - die Drums, die Glocken, die Synths, die eine ganze Bläsergruppe ersetzen.

Aber auch Angelo De Augustines Beiträge sind auf „A Beginner’s Mind“ nicht gering. Der schon fast „göttliche“ Song „It’s Your Own Body And Mind“ erinnert an Angelo De Augustines 2017er-Album „Swim Inside The Moon“. Bei „Fictional California“ hört gegen Ende der Harmoniegesang von Sufjan und Angelo auf und die Stimme von Angelo De Augustine tritt in den Vordergrund. Angelo zeigt hier sein Können, stellt sich einem größeren Publikum vor, während Sufjan nach dem durchaus „schwierigen“ letzten Album „The Ascension“ einen wieder fest umarmt.

Da ist das elegante „(This Is) The Thing“, entstanden nachdem Sufjan Stevens und Angelo De Augustine den John-Carpenter-Film „The Thing“ - deutscher Titel: „Das Ding aus einer anderen Welt“, erschienen Anfang der 1980er Jahre, in der einsamen Waldhütte angesehen hatten. Neben diesem Science-Fiction-/Horror-Film sahen Sufjan und Angelo etwa auch den Zombie-Film „Night Of The Living Dead“ von US-Regisseur George A. Romero, der in den 1960er Jahren etwa den US-amerikanischen Kapitalismus und die Rassentrennung kritisierte. Der Song „You Give Death A Bad Name“ entstand, nachdem Sufjan und Angelo „Night Of The Living Dead“ gesehen hatten.

„Lost In The World“ strahlt kosmische Nostalgie aus, „Murder And Crime“ hat ein meditatives Piano, „Olympus“ eine einsame Gitarre und der Albumtitelsong „A Beginner’s Mind“ - der Titel bezieht sich auf den Zen-Buddhismus, der eine Strömung des Buddhismus ist - eine wunderhübsche Klavier-Melodie, und in „Reach Out“ geht es darum, „to use history to stand against the empty posturing of the 21st century“.

Sufjan Stevens und Angelo De Augustine wollen sich selbst und die Welt nicht aufgeben, ihr Album „A Beginner’s Mind“ ist faszinierend und gar wundersam.

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