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Schausammlung des Weltmuseums Wien

KHM Museumsverband

„Unlearning Racism“ neben Raubkunst

Ist es vertretbar, dass in Museen gestohlene Kunst ausgestellt wird? Die Frage scheint leicht zu beantworten - in der Realität sieht es aber oft komplizierter aus.

Von Aischa Sane

Bei gestohlener Kunst handelt es sich oft um Werke, die zu Kolonialzeiten vor allem durch Plünderung und Raub nach Europa gelangten. Diese sind immer noch in den Beständen europäischer Museen zu finden. So auch beispielsweise im Wiener Weltmuseum, das viele Bestände aus Habsburgerzeiten beherbergt: Die Schausammlung, eine historische Ausstellung in 14 Sälen, soll das Herzstück des Museums bilden. Diese zeichnet aus, dass es unter anderem Kunstwerke und historische Gegenstände aus Benin, Nigeria, Äthiopien und auch aus Asien zu sehen gibt.

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Gleichzeitig ist dort bis Jänner auch die antirassistische und de-koloniale Ausstellung „Re:Present - Unlearning Racism“ von und mit internationalen Künstler*innen zu sehen. Dort werden Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Eigen- vs. Fremddarstellung künstlerisch abgehandelt. Es entsteht ein fast schon satirischer Gegensatz.

Von Geschichtsschreibung zu aktuellem Dialog

Die Ausstellung lebt von Interaktivität und persönlicher Nähe. Betrachter*innen werden aktiv mit der Vielfalt Schwarzen Lebens und Leidens in Österreich konfrontiert. Zur selben Zeit wird zur Selbstreflektion aufgefordert. Dabei geht es um die Auseinandersetzung mit Schwarzer österreichischer Geschichte, Stereotypen und Zivilcourage.

Um eine selbstbestimmte Geschichtsschreibung geht es in der Darstellung „Allow us to reintroduce ourselves“. Künstler Rossel Chaslie inszenierte dafür Momente und Persönlichkeiten Schwarzer österreichischer Geschichte an den Wänden des Ausstellungssaals. Da findet sich etwa Angelo Soliman, der im Österreich des 18. Jahrhunderts als Berühmtheit am Hof lebte und nach seinem Tod ausgestopft und ausgestellt wurde. Seine Tochter Josephine, die sich für eine würdevolle Bestattung ihres Vaters einsetzte, gilt als erste Schwarze Aktivistin in Österreich.

Sujet dre Ausstellung "Re:present". Mann hebt seine Faust

Calle Libre

Ausstellungssujet von „Re:Present - Unlearning Racism“

Die Timeline führt weiter über die Tötung von Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung bis zum „Black Voices“-Volksbegehren, das letztes Jahr initiiert wurde. Highlights sind auch eine Fotoserie der großen „Black Lives Matter“-Demo in Wien mit Bildern von Ricardo Hölzl und Samira Saidi sowie eine ausdrucksstarke Portraitserie von Angelo Kreuzberger. Die Kernaussage von „Allow us to reintroduce ourselves“ lautet, dass Schwarze Menschen schon lange Teil der Geschichte in Österreich sind.

Allow us to reintroduce ourselves

Kuratorin: Tonica Hunter | Historikerin: Vanessa Spanbauer | Künstler*innen: Rossel Chaslie, Mercedes Mercedes-Mercedes

Im Saal nebenan findet unter anderem das Schwarz-österreichische Streetwear Label „Kids Of The Diaspora“ mit der #IDENTITYseries Platz. Die ausgestellten Kleidungsstücke dürfen berührt werden. Außerdem gibt es eine Fotoausstellung, die zum Ziel hat, das Konzept von Minderheit umzukehren und in Frage zu stellen.

Verantwortung übernehmen?

Klar werden soll bei Re:Present auch, dass Kunst nicht in einem Vakuum stattfindet. Das Weltmuseum gibt sich hier öffentlich selbstreflektiert. So heißt es im Begleitheft der Ausstellung, dass das Museum „im Lichte seines postkolonialen Erbes kritisch bewertet werden“ müsse. Das Museum versteht sich also als aktiver Akteur im Dialog, den die Ausstellung anregen soll.

Schausammlung des Weltmuseums Wien

KHM Museumsverband

Das Weltmuseum scheint bereit, auch in der Öffentlichkeit Teil dieser Debatte zu sein. So hat es beispielsweise an einer Podiumsdiskussion des „Black Voices“-Volksbegehrens zu diesem Thema teilgenommen. Außerdem ist das Museum Mitglied der Benin Dialogue Group, die den Austausch zwischen europäischen Museen und afrikanischen Kulturbehörden fördern soll. In der Benin Dialogue Group sicherten europäische Mitglieder dieses Jahr jedenfalls zu, dass sie die Restitutions- und Rückgabefrage klären würden.

Aber das ändert nicht viel daran, dass im Weltmuseum immer noch 46.000 Kunstobjekte aus Afrika ausgestellt und gelagert werden. Im Saal direkt neben der Re:Present-Ausstellung befindet sich der Korridor des Staunens, wo nicht nur Raubkunst, sondern auch Nachstellungen ausgestellt werden. Trotzdem erscheint es etwas makaber, dass Re:Present, bei dem es um das Reclaimen von Geschichte und Identität geht, nur durch eine Glastür von einer kolonial angehauchten Kunstsammlung getrennt ist.

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