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Szenenbild "No Time To Die"

Universal Pictures

„No Time to Die“: Nobody does it better

In „No Time to Die“ schlüpft Daniel Craig zum letzten Mal in die teuren Anzüge von James Bond und legt einen der besten Filme des Agentenfranchise und der letzten Jahre vor. Ein Film zwischen zahlreichen Anspielungen auf die Bond-Welt und kompletter Neuerfindung. Sagen wir ruhig Meisterwerk dazu. No spoilers ahead!

Von Pia Reiser

Am Montag, 4. Oktober, widmen wir uns auch im FM4 Filmpodcast „No Time to Die“ und der Bond-Ära mit Daniel Craig.

Wenn am Ende von „No Time to Die“ Louis Armstrongs „We have all the time in the world“ erklingt, dann ist man durchgeschüttelt und gerührt und mit viel hatte ich gerechnet, aber nicht damit, dass ein Bond-Film das macht, was Bond-Filme in ihrer fast 60-jährigen Geschichte so gut wie nie gemacht haben: Das Publikum emotional zu involvieren. Da sitz ich und weine vor Rührung und das in einem Film, in dem Sätze wie „Hack into Blofeld’s bionic eye“ fallen.

Schon zu Beginn des Films taucht „All the time in the world“ auf, nicht als Song, sondern als Satz, den James Bond zu Dr. Madeline Swann (Lea Seydoux) sagt, als sie ihn fragt, ob er nicht schneller fahren kann. „We have all the time in the world“ ist der Titelsong von „In her majesty’s secret service“ aus dem Jahr 1969, der einzige Film mit George Lazenby als Bond - auch der einzige Bond, in dem der Agent heiratet. Die Macher*innen hinter den Bond-Filmen der Ära Craig haben es geschafft, ein Franchise, das spätestens in den 1990er Jahren jeglichen Bezug zur Gegenwart (und Popkultur) verloren hatte, zurückzuholen.

Szenenbild "No Time To Die"

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Einerseits alles beizubehalten, was Bond zu Bond macht, und trotzdem alles neu zu denken. Von Frauenrollen über die Titelsongs bis zur Martini-Bestellung. Daniel Craig als Bond sah nicht nur anders aus - und oh boy, war der Protest groß, dass James Bond nun erstmals blond ist und nicht die klassischen „Gentleman“-Gesichtszüge vorweisen konnte. Dieser Bond hat sich verliebt, wurde verletzt, hat geblutet und wurde ins Krankenhaus eingeliefert, krachte bei Kämpfen gegen Wände, hat Sachen falsch eingeschätzt, er saß nackt vor Le Chiffre und wurde mit einem Tau gefoltert. Sogar winzige Details aus Bonds Kindheit wurden erwähnt. Bond war auch 2006 immer noch ein Actionheld, aber mit Craig war Bond zum ersten Mal eine Figur, der man menschliche Regungen, einen Blutkreislauf, einen Verdauungstrakt, Poren zugetraut hat.

Dieser Bond hatte Zweifel, Verletzungen, ein gebrochenes Herz - und seine Geschichte fing nicht mit jedem Film wieder bei Null an. Die Filme mit Daniel Craig als Bond, sie sind kleine Meisterstücke des world building, weil sie einzeln funktionieren und sich doch ein roter Faden von „Casino Royale“ bis „No Time to Die“ zieht und sich jetzt abschließend zu einer Masche formt.

Szenenbild "No Time To Die"

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„No Time to Die“ bebildert zu Beginn eine Geschichte, die wir im Vorgängerfilm „Spectre“ nur erzählt bekommen haben. Wie Madeline Swann als Kind zuhause war und ein Mann gekommen ist, um ihren Vater - den mysteriösen Mr White - zu töten. Jetzt ist Swann an der Seite von Bond, der im Agentenruhestand ist, in Süditalien. Man trinkt Wein, schmust und aus dem Grammophon trällert eine Oper. Bond hat aber no time to love, denn schnell wummst ihn eine Explosion durch die Gegend und ein Typ mit dem unfassbarsten Haarschnitt seit Guy Pearce in „Lawless“ und einem bionischen Auge (aber nicht Blofeld) ist hinter ihm her.

Szenenbild "No Time To Die"

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Glamourös und einnehmend bebildert Kameramann Linus Sandgren die Heldenreise des Agenten, die ihn von Süditalien über Jamaika und Kuba bis in die tiefen Wälder Norwegens führen. Eine Insel wird eine wichtige Rolle spielen, bei deren Produktionsdesign man Ken Adam ehrt, den Mann, der den Look der Bond-Filme geprägt hat, der unglaubliche Bauten entworfen hat von „Dr. No“ bis „Moonraker“. Schlichter Beton, hier kombiniert mit einem nicht ungefährlichen Garten und Neonröhren, die aus Wasser ragen: Technik und Natur - hier vereint von einem von Bonds Gegenspieler - sind hier fantastisch in Szene gesetzt.

Wie aus einer anderen Welt ist auch eine Sequenz in Kuba, ein luxuriöser Bau voll elegant gekleideter Menschen, eine Actionsequenz wie eine Tanzeinlage, während draußen die Straßen von Neonschildern im Retrodesign erleuchtet werden. „No Time to Die“ ist ein Hochglanz-Blockbuster, eine ausgefeilt und einnehmend schöne Choreografie aller Bond-Bausteine, die immer wieder auf die Bond-Vergangenheit verweisen, von denen sich das Franchise doch soweit wegbewegt hat. Immerhin das Büro von M (Ralph Fiennes) sieht ziemlich genauso aus wie zu Zeiten von Sean Connery und Roger Moore, Moneypenny, die vor der Bürotür sitzt, hat aber mit Moneypenny in den Filmen früherer Jahrzehnte außer dem Namen nichts gemeinsam. Während frühere Bonds hier gerne ihren Hut aus weiter Entfernung an einen Garderobenhaken geworfen haben, wirft Craigs Bond ebenso zielsicher was in den Papierkorb. Treffsicher sind in „No Time to Die“ die Anspielungen genauso wie das Timing, die zunächst nach Unendlichkeit klingenden 163 Minuten sind einem im Grunde dann zu kurz. Auch, weil „No Time to Die“ Figuren wie M, Q und Moneypenny mehr Platz einräumt, als bloß eine Zielscheibe für Bonds Pointen zu sein. Es ist fast wie im „Mission Impossible“-Franchise Teamwork gefragt, ebenfalls nach „Mission Impossible“ (oder sogar Christopher Nolan) schaut eine wunderbar leise eingeleitete Sequenz aus, in der Figuren an Sicherheitsseilen ein gläsernes Hochhaus hinunterlaufen.

Szenenbild "No Time To Die"

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Irgendwann kehrt „No Time to Die“ wieder zurück zu dem Haus von Anfang, dem Haus, wo Swann als Kind dem Mörder ihres Vaters begegnet ist, wieder nähert sich ein Mann diesem Haus, doch die Geschichte ist jetzt eine andere. Im Kern des Films steckt ein Film über vier Figuren, die u.a. durch ihre als Kind erlittenen Traumata miteinander verstrickt sind. Rundherum funkelt eine visuell einnehmende und spannende Verpackung als Blockbuster, der die Ära von Daniel Craig als Bond mit einem Meisterwerk zu Ende bringt.

Wenn dann „We have all the time in the world“ erklingt und Louis Armstrong singt „Nothing more, nothing less, only love“, dann bringt das auch auf den Punkt, was wohl viele am Ende des Films für diesen Film empfinden werden.

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FM4 Film Podcast: Daniel Craig als James Bond

Pia Reiser, Christian Fuchs und Jan Hestmann schwärmen nicht nur gemeinsam über das melodramatische Meisterwerk „No Time To Die“, zum Abschied von Daniel Craig erinnern sie auch an dessen denkwürdigste Leinwandmomente als ein James Bond der ganz anderen Art.

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Der FM4 Film Podcast ist ein Tauchgang in die Tiefen und Untiefen des (FM4) Filmuniversums. Christian Fuchs, Pia Reiser und Jan Hestmann unterhalten sich - manchmal mit Gästen - über aktuelle Filme, Superheldencapes, jump scares und jump cuts. Und über ihre Liebe zur Leinwand. Achtung, hier fließt Herzblut. Im Radio immer in der Nacht von Montag auf Dienstag von Mitternacht bis 1 Uhr früh. Online schon ab 22 Uhr.

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