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Natascha Strobl zu Gast bei FM4

Radio FM4 | Jan Hestmann

interview

„Radikalisierter Konservatismus“: Wie ehemals staatstragende Parteien nach rechts rücken

Was haben die Republikaner unter Donald Trump, die türkise ÖVP unter Kanzler Kurz und die Post-Brexit-Tories gemeinsam? Sie haben viel von der extremen Rechten übernommen, meint Natascha Strobl in ihrem Buch „Radikaler Konservatismus“ und im FM4-Interview.

Von Boris Jordan

Wie ist der rabiat-kindische Quereinsteiger Donald Trump zum mächtigsten Mann der Welt geworden? Wie hat ein eher seltsamer Kauz wie Boris Johnson die älteste Demokratie Europas aus der EU geführt? Wie kommt es, dass der österreichische Bundeskanzler nahezu unbeschadet aus allerlei Affären und Gerichtskontakten hervor geht?

Sie alle sind keine Außenseiter, sondern kommen aus großen konservativen Parteien, wie sie zusammen mit der Sozialdemokratie die Nachkriegsordnung im Westen bestimmt haben. Gehören diese guten alten, konservativen Parteien, wie wir sie kennen, vielleicht ganz der Vergangenheit an?

Natascha Strobl, Politikwissenschaftlerin und Expertin für Rechtsextremismus beleuchtet diese Phänomene in ihrem neuen Buch „Radikalisierter Konservatismus“. Sie hat erforscht, wie in Umbruchszeiten - wie der unseren - traditionell konservative, staatstragende Parteien aus der Mitte der Gesellschaft, sich ihrer christlichen oder wertorientierten Positionen entledigen und weiter nach rechts rücken. Dies passiert mit Hilfe klassisch rechter Strategien wie Kulturkampf, Medienbeeinflussung, tabubrechender Rhetorik und Personenkult.

In ihrem Buch erläutert Strobl diesen neuen Weg der Mitte-rechts-Bewegungen anhand der Erfolge von Donald Trump, Boris Johnson und Sebastian Kurz. Boris Jordan hat sie gefragt, wie sie dazu gekommen ist.

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Das Interview mit Natascha Strobl ist auch als Podcast verfügbar.

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Pop, Politik, Gesellschaft - wir können über alles reden! Und das in der Gesamtlänge, also (fast) ungeschnitten. Hier kann es schon Mal zur Sache gehen: schwitzende Reporter*innen, um keine Ausrede verlegene Interviewpartner*innen, aber auch entspannte, oder lustige Situationen, in denen Interessantes und Überraschendes besprochen wird.

Boris Jordan: Natascha Strobl, du bist Politikwissenschafterin und eigentlich bekannt als Expertin für Rechtsradikalismus, auch bei uns schon öfter zu Gast gewesen in Fragen der Identitären etc. Es gibt ein neues Buch von dir, erschienen bei Suhrkamp Edition, „Radikalisierter Konservatismus“. Das ist doch ein kleiner Schritt nach vorne, nach „oben“, hier geht es nicht mehr um Graswurzelbewegungen oder subkulturelle Dinge, sondern tatsächlich um die großen konservativen Kräfte der Welt. Du widmest dich den Republikanern unter Donald Trump, der türkisen ÖVP unter Kanzler Kurz und den Tories des Post-Brexit. Was haben jetzt ausgerechnet diese drei gemeinsam?

Natascha Strobl: Ich weiß noch genau, wie ich daheim gesessen bin und diesen Aha-Moment hatte, als ich Kanzler Kurz zugehört habe und mir dann gedacht hab’ „Moment, ich kenn’ diese Strategien doch“. So wie er redet, die Beispiele, die er benutzt, die Richtung, in die er geht, und bin draufgekommen, dass er sehr viel übernommen hat von dem, was wir eigentlich traditionell aus der extremen Rechten kennen. Kanzler Kurz und die ÖVP sind kein singuläres Phänomen, denn - obwohl sie quasi diametral unterschiedlich sind - wenn man sich Trump und Kurz anschaut, dann sieht man, dass sie, wenn man ein bisschen unter der Oberfläche kratzt, doch sehr viel gemeinsam haben. Das Wichtigste, was sie gemeinsam haben, ist, dass sie nicht mehr diese staatstragenden konservativen Parteien, wie wir sie aus der Nachkriegszeit kennen, sein möchten, sondern dass sie diesen Konsens, dieses Einvernehmen, schlicht aufkündigen und eine Bewegung nach rechts in Richtung der extremen Rechten vollführen.

Gibt es da eine methodische oder diskursive Änderung, ist es ein richtiger Rechtsruck? Wir hatten immerhin Nixon, Thatcher, Reagan, sehr, sehr viele sehr konservative Politiker in Österreich, die auf eine vielleicht qualitativ andere Art, aber doch eine sehr rechte Position vertreten haben. Auch die deutsche CSU hat doch immer gesagt, rechts von mir gibt es die Wand. Also kann man sagen, dass die jetzt rechter werden im Spektrum? Oder geht es da mehr um die Technik?

Diese Versuche hat es immer wieder gegeben. Es ist auch historisch überhaupt nicht neu, was hier passiert. Was das jetzt so besonders macht, ist, dass wir an dieser Weggabelung der Geschichte stehen, wo man drauf kommt: So richtig, wie es bisher gegangen ist, so geht es nicht weiter. Jetzt entscheidet sich, wie die Zukunft aussehen wird. Nämlich wirklich. Dass in dieser Krisensituation konservative Kräfte oder Teile des Konservatismus diesen Schwung nach rechts machen, und zwar nicht singulär aus sich heraus, sondern dort auch wiederum auf ein subkulturelles, außerparlamentarisches, rechtes Spektrum treffen, wo das aufgenommen wird. Die Rolle, die da auch die sozialen Medien spielen und ein globalisierter Rechtsextremismus, die ist schon qualitativ anders zu dem, wie es unter Thatcher, Reagan und so weiter war, wo es extrem rechte konservative Kräfte schon gegeben hat. Denn man sieht ja auch, wie schnell sich das verbreitet: Dass das, was Trump macht, dann ganz schnell übernommen wurde von anderen Politikern und Politikerinnen. Der Kreisel dreht sich einfach viel schneller als zuvor. Was sie alle eint, ist ideologisch diese Aushöhlung des Sozialstaats, das geht in einer Schnelligkeit, die wirklich atemberaubend ist.

Diese sozialökonomische Ebene, diese Klassenkampfebene, muss man sagen, wird verbunden mit einer Ebene des Kulturkampfes.

Das heißt, es reicht nicht nur, den Sozialstaat auszuhöhlen, und das dann an die Spenderinnen und so weiter, wie man es halt kennt, zu verteilen, sondern gleichzeitig wird diese Kulturkampfebene betreten, die wir tatsächlich nur von der extremen Rechten kennen. Also "Arbeitslose sind faul“, „die Ausländer sind schuld, dass wir unsere Identität verlieren“, „der Feminismus ist sowieso an allem schuld“. Dies und das so miteinander zu verbinden, macht so einen ganz eigenen Strang des Konservatismus auf.

Wir haben das beim Brexit gesehen, wo wir jetzt schon wieder den Backlash sehen, was das heißt, wenn man so eine rassistische Stimmung verbreitet. Wir haben das in den USA gesehen, wo dann die Antifa an allem schuld war und zu einer riesigen Fantasterei aufgeblasen worden ist. Wir sehen das in Österreich, wo Wien dann so ein Feindbild wird, wo die Leute nicht aufstehen, wo man überhaupt nicht mehr auf die Straße gehen kann, wo so viele Ausländer sind und so weiter. Dass das mit dieser Inbrunst betrieben wird, nämlich von Parteien an der Macht, das ist schon eine neue Qualität.

Natascha Strobl und Boris Jordan

Radio FM4 | Jan Hestmann

Natascha Strobl im Studio bei Boris Jordan

Eventisierung und „riding the news”

Ich folge jetzt einmal deinem Entwurf und tu diese drei Parteien in einen Topf. Man sieht aber dann doch extreme Unterschiede: Donald Trump und Boris Johnson, die haben ja fast ein Comedy-Element bei sich, die geben sich bewusst hässlich, die sind Bullys, Klassenclowns, sie inszenieren sich als Personen, die nicht ernst zu nehmen sind, während Sebastian Kurz das genaue Gegenteil ist, der ist trotz seiner Jugend schon so gemessen und überlegt und fesch - also es gehen sich da verschiedene Stile aus mit dieser Strategie?

Absolut. Ich würde Trump und Kurz wirklich als das genaue Gegenteil bezeichnen. Das macht es auch so spannend, dann die Gemeinsamkeiten zu suchen. Es ist so wie gerade beschrieben: Trump, dieser ältere, immer ein bisschen schwitzige, unberechenbare, erratische Mann. Und dann dieser kalkulierte, überlegte, nichts dem Zufall überlassende - man hat das Gefühl, der kommt gar nie ins Schwitzen - Sebastian Kurz. Aber man sieht ja dann, wenn er aus der Fassung gerät, ist auch Sebastian Kurz nicht mehr so cool, wie er das gerne möchte. Aber ja, es geht sich mit unterschiedlichen Stilen aus.

Das, was sie verbindet, ist ja, dass wir sie so sehen, aber die eigenen Fans, die sagen ja nicht, Donald Trump ist dieser verrückte Typ und eigentlich total unangenehm, sondern die finden ihn gut, weil das authentisch ist, weil das Glaubwürdigkeit hat. Dieses Sich-Fans-Aufbauen zeichnet sie auch aus: ein Politiker, der sich nicht Wähler*innen, Parteimitglieder und so weiter aufbaut, sondern eine Fanbase. Das sieht man an diesem unkritischen Umgang, auch an dieser Uniformierung, mit den Hüten oder den T-Shirts. Und dann gibt es wirklich so eine Fanbetreuung, so Leute, die Animateure sind. Das kennt man vom Fußball, dass es so Fanbetreuung gibt, wo man den Austausch sucht. Was braucht ihr? Was wollt ihr? Hier verteilen wir T-Shirts, Goodies... Also auch diese Eventisierung von Politik.

Grünes Buchcover

Edition Suhrkamp

„Radikalisierter Konservatismus“ von Natascha Strobl ist in der edition suhrkamp erschienen.

Jetzt muss ich natürlich fragen: Wie machen die das? Im Buch bezeichnest du einige Strategien sozusagen als generalstabsmäßig, auch wenn sie wie Irrtümer ausschauen. Etwa, dass man Kommunikation außerhalb der Kanäle kontrolliert, die Message Control innerhalb der Kanäle, die man dann durch Inserate kaufen kann. Und du hast auch davon gesprochen, dass sich die Repräsentanten oder die Politiker dieser großen, konservativen Bewegungen in einem ständigen Wahlkampf, in einem ständigen Wettbewerb befinden. Man muss nicht alle vier Jahre Babys küssen, sondern eigentlich ständig, jeden Tag. Wie wird das gemacht?

Mitten in der Legislaturperiode gibt es dann Fanwanderungen oder einfach auch Rallys - Trump hat einfach Wahlkampf gemacht. Was es aber auch bewirkt, ist, dass das Denken viel kürzer wird. Man denkt nicht in Abständen von "Wir machen das jetzt und in drei Monaten, fünf Monaten, in einem Jahr sehen wir dann, was es bewirkt“, sondern es wird in 24-Stunden-Cycles gedacht. Das ist dieser berühmte News-Cycle von Schlagzeile zu Schlagzeile: Hier werden auch strukturelle Probleme der Medienlandschaft einfach beinhart ausgenutzt. Denn warum passieren die Dinge denn am Freitagnachmittag? Warum passieren sie denn am Sonntag? Wenn die Redaktionen weniger gut besetzt sind, wenn oft eine Person für den Newsroom zuständig ist, weil es dann natürlich der eigene Spin viel leichter mal ohne Filter in die Schlagzeile schafft. Und dann wird es vielleicht am Dienstag, am Mittwoch eingeordnet, aber dann ist es auch schon wieder uninteressant. Und dieses Spiel, auch dieses Drangsalieren der Presse und dieses Ausnutzen von Schwachstellen gehört dazu. Es zählt immer nur die Schlagzeile am nächsten Tag. Man will am nächsten Tag eine Schlagzeile haben und dann am nächsten Tag. Und dann schaut man in die Umfragen, wie stehen die einzelnen Dinge da? Was gut dasteht, das macht man, und was schlecht dasteht, interessiert dann nicht mehr so, da können sich dann Beamte drum kümmern oder auch nicht. Aber politisch ist immer der 24-Stunden-Cycle, das Riding the News das Wichtigste.

Da lassen sich wenig langfristige Dinge bewirken. Wenn unpopuläre Maßnahmen oder Maßnahmen, die lange Verhandlungen mit Sozialpartnern erfordern, anstehen, wie kriegt man das hin? Das muss ja auch gemacht werden.

Ja, das wird dann entweder in die zweite Reihe abgeschoben oder es passiert auch gar nicht. Man sieht ja auch: Diese Pandemie lässt sich hier nicht mit 24-Stunden-Schlagzeilen beherrschen. Es wurde ja versucht. Wir haben es auch in Österreich gesehen. Also: Sputnik, die Massentestungen letzten Winter, dann Israel, man baut eine gemeinsame Impfstoffproduktion - was ist aus dem allen geworden? Es ist völlig weg. Hauptsache, es war eine Ankündigung, Hauptsache am nächsten Tag war nicht die Schlagzeile: „10.000 Menschen sind in Österreich an Corona gestorben“, sondern Hauptsache, am nächsten Tag war die Schlagzeile: „Jetzt kommt Sputnik und wir handeln gegen die EU“. Das funktioniert als Schlagzeile, aber das funktioniert natürlich nicht im Sinne einer Pandemiebeherrschung.

„Rohe Bürgerlichkeit“

Abgesehen von dem Strategischen und Medienpolitischen bemühst du auch ein Schlagwort, das relativ jung ist, nämlich das der „rohen Bürgerlichkeit“. Wie spielt die da mit?

„Rohe Bürgerlichkeit“ ist ein Konzept, das Wilhelm Heitmeyer, ein großer Sozialwissenschaftler, entwickelt hat. Er beschreibt damit eine spezifische Form von Rohheit. Rohheit kommt ja in allen gesellschaftlichen Schichten vor. Die spezifische rohe Bürgerlichkeit verbirgt sich hinter einer glatten Stil-Fassade, und dahinter offenbart sich eine rabiate Rhetorik, eine Rhetorik der Abwertung gegen alle, die gesellschaftlich schwächer sind. Das Spezielle ist, dass diese Form von Rohheit gesellschaftlich organisiert und akzeptiert ist. Wenn die Fußballfans sich aufführen, da gibt es ein gesellschaftliches Zurückweichen, aber wenn sich diese rohe Bürgerlichkeit organisiert, dann ist das in Netzwerken, Clubs, Parteien, Vorfeldorganisationen. Die ist nicht so leicht zu dechiffrieren, weil sie sich eben innerhalb der akzeptierten bürgerlichen Etikette verbirgt.

Sämtliche dieser konservativen Parteien sind auf dem Wahlweg relativ knapp raufgekommen. Donald Trump wird mutmaßlich Wahlbetrug vorgeworfen, Boris Johnson war sehr knapp und Sebastian Kurz ist auf 37 Prozent - muss koalieren. Das schaut so aus, als wäre diese ganze Strategie jetzt nicht der richtige Durchmarsch zur Alleinherrschaft, sondern er muss sich immer noch mit einem Parlamentarismus auseinandersetzen?

Das müssen sie. Man muss auch sehen, wo sie gestartet sind, also diesen ganzen inneren Antrieb. Warum auch so viele, die jetzt schlicht nicht zu dieser türkisen ÖVP gehören, sondern eigentlich in so einer schwarzen ÖVP sozialisiert sind, mitmachen. Dieser Gram, dieser Hass, immer Zweiter zu sein, immer einen sozialdemokratischen Kanzler zu haben - das schmerzt. Diese Kränkung, diese Ideologie der Kränkung, das ist ganz, ganz wichtig. Dann hat man jemanden und dann ist man Erster, dann ist man auch unangefochten. Und mit Sebastian Kurz hat man jetzt jemanden - trotz aller ganz objektiven Hoppalas oder Fehlern ist er trotzdem Erster. Das sagt etwas über Sebastian Kurz, es sagt auch etwas über die Parteien aus, die ihn herausfordern sollten. Und bei den Republikanern gibt es ja ganz ähnliche Elemente der Kränkung. Wer ist dieser Obama? Und dann kriegt er den Friedensnobelpreis. Für was eigentlich? Wir sind immer nur die Kriegsverbrecher und die kommen daher. Warum lieben die alle? Und dann kommt Beyoncé und ist Everybody’s Darling und in Europa lieben sie ihn.

Aber es ist eine, wie soll man sagen, Rhetorik der Sieger. Wenn sich diese Bewegungen, die umgestalteten Bewegungen, als Verlierer erweisen, oder wenn es irgendeinen linken Populisten gäbe oder einen Herbert Kickl, die das auch können - dann ist es dann schnell entzaubert, kann man sagen, oder?

Das ist ganz, ganz wichtig, und es ist eine harte Lektion für Linke: Es sind nicht alle Leute rechts und es sind nicht alle Leute jetzt verloren, Aber: In so unsicheren Zeiten und in so schwierigen Zeiten wie jetzt wäre man gern bei den Siegern dabei. Und wenn man vermitteln kann, dass man der Sieger ist, dass man das durchzieht, auch kompromisslos durchzieht, dann hat das einen großen Appeal in diesen Zeiten. Und damit kann man jetzt machen, was man will. Aber das einzusehen, dass eine Siegermentalität auszustrahlen wichtig ist und auch ein Teil des Zaubers dieser Leute ist, gehört da dazu. Und das haben sie bis zum Schluss: Keine Niederlage, keinen Fehler eingestehen. Es ist essenziell für das Selbstbild und für die Projektion nach außen.

Klientelpolitik und Potemkin’sche Kabinette

Was mir noch auffällt betrifft hauptsächlich die ÖVP und deren Traditionen. Vor - sagen wir - 30 Jahren war die SPÖ die regierende Partei und hat so agiert, als hätte sie eine Art Message Control. Wir hatten einen Klubzwang, man hat in ganz Österreich keine oppositionelle Meinung zur Parteiführung gefunden. Währenddessen in der ÖVP, die ganze Zeit: Streitereien zwischen Bünden, einzelne Leute, die die sich gegenseitig absägen wollen, Landeshauptleute, Lehrergewerkschafter, totaler Dissens …. Da hat man offenbar Platz getauscht, die ÖVP ist jetzt zu diesem monolithischen Block geworden. Eine neue Qualität, die aber der Struktur dieser Partei nicht vollends gerecht werden dürfte. Wir haben auch in letzter Zeit öfter mal gehört, dass sich Pfarrgemeinderäte hinter migrantische Familien stellen, die gut integriert sind und dergleichen, dass Thomas Schmid - laut Chat - schon mal die Caritas zurechtweist und mit der Abschaffung von Steuervorteilen bedroht. Da legt sich jemand sozusagen mit dem Kern seiner Bewegung an. Wie gut kann das gehen?

Zum einen muss man sagen: Alle, die in einer Partei oben sind, freuen sich, wenn es eine Parteidisziplin gibt. Das brauchst du. Dass es aber innerparteiliche Diskussionen geben muss, dass es diese Räume geben muss, dass es verschiedene Flügel gibt, dass Anträge möglich sind und dass man über die diskutieren muss, das gehört aber auch zu einer Demokratie, dass man das nicht abtrennen darf. Das ist ganz normale Parteiendemokratie. Bei der ÖVP ist es aber mittlerweile so, dass diese innerparteiliche Demokratie schlicht nichtig gemacht worden ist. Was sie gemacht haben, sehr ähnlich wie bei Trump: Zu viele Leute sind ja schon von ihm direkt abhängig, weil sie nicht mehr über die Parteistrukturen an ihre Plätze gekommen sind, sondern aufgrund von persönlichem Wohlwollen. Das ist ja das Gegenteil von innerparteilicher Demokratie, wenn ich alle von mir persönlich abhängig mache. Weil es hier um wirklich persönliche Loyalität geht - und die wissen ja auch, dass sie weg sind. Wenn ich keine politische Basis habe, wenn ich nichts Außergewöhnliches kann und wenn ich eine Funktion habe, dann ist es mir schon lieber, dass der, der die schützende Hand über mich hält, dableibt.

Donald Trump und Boris Johnson waren da aber nicht so glücklich, die hatten extreme Fluktuationen, die ein wenig erinnert haben an die Häufung der Verkehrsminister in Schwarz-Blau 1. Da hat man offenbar Leute nach oben gelassen, die auf dem Weg nach oben geholfen haben, sich dann aber als Repräsentanten der Bevölkerung als nicht geeignet erwiesen.

Und gleichzeitig hat man mit dieser Fluktuation dafür gesorgt, dass niemand zu stark wird, dass sich dann nicht noch irgendein Machtzentrum aufbauen kann. Diese extremen Fluktuationen von Leuten, die ja nur die Funktion haben, die Führungsperson zu stärken. Der Guardian hat das bei Johnson ein „Potemkin‘sches Kabinett“ genannt, ein Kabinett, das nur eine Fassade ist, ohne irgendeinen eigenen Willen oder eigenständige Persönlichkeiten. Ich meine, in Österreich sehen wir da ja auch schon ein Potemkin‘sches Kabinett. Wenn eine Landwirtschaftsministerin nur als Scharfmacherin agiert ist das nicht ihr Job, aber sie macht es trotzdem. Weil sie es kann. Und weil man sich freut, wenn man wieder eine Schlagzeile am nächsten Tag hat, weil die gesagt hat, in Wien passiert dieses und jenes.

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