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Best New Music: Poppy und ihr Album „Flux“

Pop, Punk, Grunge und Metal kommen auf der vierten Platte von Poppy zusammen, um ein Meisterwerk der Selbstfindung und Realitätskonfrontation zu kreieren. „Flux“ ist Poppys bestes Album bis heute.

Von Christoph Sepin

„For your amusement, for your confusion, I guess I’ll do it because I’m bored“, singt Poppy im Titel- und Openingtrack zu ihrem neuen, vierten Album „Flux“. Moriah Pereiras Kunstfigur hat jahrelang für Unterhaltung und Verwirrung existiert, für ihre unkonventionellen Musikvideos, für Clips, in denen sie einfach minutenlang ihren eigenen Namen wiederholt, während sie vor weißem Backdrop wie eine Artificial Intelligence, wie ein Roboter posiert. Für mysteriöse und in ihrer Künstlichkeit verstörende Videos, in denen Bubble-Gum-Pop-Ästhetik auf raue, verzerrte Metal-Elemente trifft. Der subversive Blick auf Meme-Kultur quasi.

Millionen Videoaufrufe später hat sich das Grundkonzept von Poppy verändert, spätestens seit dem Ende der Zusammenarbeit mit ihrem ehemaligen Co-Producer Titanic Sinclair, dem Poppy manipulatives Verhalten vorwirft. Die Kunstfigur tritt immer mehr in den Hintergrund, dafür kristallisiert sich eine neue Poppy heraus. Geheimnisvolle Präsentation und Messages werden weniger, auf ihrer neuen Platte gibt sich Moriah Pereira direkter und offensiver als je zuvor. Und hat damit ihr bestes Album - und vermutlich eins der besten Rockalben des Jahres - veröffentlicht.

Pop, Punk, Grunge, Metal, das kommt alles in den neun Tracks auf „Flux“ zusammen, als tragende Genreelemente für Poppys Geschichten der Selbstfindung, der Selbst- und Neubestimmung dessen, was dieser Charakter Poppy eigentlich sein soll. „Flux“, das steht für Dinge, die in Bewegung sind - und in Bewegung ist Poppy auf dieser Platte. Was auf dem letzten, sehr guten Album „I Disagree“ noch gesucht wurde, das hat die Musikerin auf „Flux“ gefunden: ihre neue, starke Persönlichkeit.

Schon der erste vorab veröffentlichte Track „Her“ war ein erstaunliches Meisterwerk: Über verzerrte Akkorde rechnet Poppy hier mit dem Thema Gaslighting und Manipulation ab, wie das noch kaum in einem Song besprochen wurde: „Give her a name that isn’t hers, then make her yours“ und „pick her up, throw her on the floor“ sind da Zeilen drin, dann aber auch „I’m getting to know her and all of her anger, picked herself up, put her back together“ und „whеn she woke up, she ran away“.

„Flux“ ist eine Platte, auf der sich Poppy neu vorstellt. Sie rechnet ab mit dem Bullshit der Vergangenheit, erzählt aber auch von neugefundenem Glück. In „Bloom“ dreht sich die Metapher um das Aufblühen einer Blume, die zu lange kein Wasser gehabt habt. In „On The Level“ singt sie von neugefundener Liebe mit Zeilen wie „I’ll put my heart out on display, now I know that everything’s okay“. Und das klingt dann schon wie ein waschechter Upbeat-Pop-Punk-Song.

In fast jedem Lied aber zu hören: wütendes Schreien, oft aus dem Hintergrund, dann ganz deutlich vorne im Mix; Momente, in denen zuerst fast schon fröhliche Major-Akkorde von ärgster Verzerrung abgelöst werden. Wenn man glaubt, ein Lied würde sich schon zu eingängig und mainstreamfreundlich präsentieren, taucht plötzlich raueste Eskalation auf, harte (Nu-)Metal-Riffs, Walls of Sound und Konfrontation mit dem Nonsens der Realität.

Man kann nur vermuten, was da noch alles kommt: „Flux“ ist ein selbstbewusster Neuanfang für Poppy, nicht nur ein weiteres, großes Stück Rockmusik für eine neue Generation, sondern ein Album, das sich schönsten Pophooks bedient, um sie dann in einem mitreißenden Feuerwerk von Noise und Distortion zu zerlegen. Wie das alles live klingen wird, kann man sich nur vorstellen und muss das hoffentlich nicht mehr all zu lang. Fürs erste ist die Konzerttour für nächstes Jahr, die Poppy auch nach Österreich gebracht hätte, aber verschoben. Um das Warten zu verkürzen, ist „Flux“ der beste Soundtrack. Ein Album zum immer wieder Anhören.

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