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Glaube oder Wissenschaft? Yaa Gyasi sucht in „Ein erhabenes Königreich“ Antworten

Mit Yaa Gyasis neuem Roman „Ein erhabenes Königreich“ tauchen wir tief ein in die Geschichte einer ghanaisch-US amerikanischen Familie in den heutigen USA. Ein Roman wie ein Geschichtsbuch unserer Zeit, welches das Große im Kleinen erzählt.

Von Diana Köhler

Gifty hatte immer einen recht guten Draht zu Gott. Ihr Tagebuch besteht aus kleinen Briefen: „Lieber Gott, ich frage mich, wo du bist. Ich meine, ich weiß, dass du da bist, bei mir, aber wo genau bist du? Im Weltraum?“

Nach dem Umzug von Ghana nach Alabama besucht sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder Nana die weißeste evangelikale Gemeinde im Ort. Wie ihre Mutter war Gifty lange davon überzeugt, dass Gott und Jesus schon alles richten würden. Mit Gott lässt sich alles erklären. Das Leben ist nicht leicht, aber Gott hat einen Plan.

Welcher Plan?

Doch als der Vater zurück nach Ghana geht wird das ohnehin schon schwierige Leben noch schwerer. Die Mutter hat zwei Jobs als Pflegerin, der Glaube ist ihr Anker.

Cover von Yaa Gyasis Roman "Ein erhabenes Königreich", abgebildet sind schematisch zwei Köpfe und gefaltete Hände

DuMont Buchverlag

„Ein Erhabenes Königreich“ ist im Dumont Verlag erschienen, übersetzt von Anette Grube

Der große Bruch mit Gott kommt erst, als ihr Bruder Nana an einer Überdosis Heroin stirbt, als Gitty 11 Jahre alt ist. Er ist eines der Opfer der Opioidkrise der USA. Wie für viele, hat es mit einer leichten Verletzung angefangen. Doch dann verschreibt der Arzt das Schmerzmittel Oxycodon. Nana wird davon abhängig und findet aus dieser Sucht nicht mehr heraus.

Ein neuer Gott

Gitty wendet sich nach dem Tod ihres Brudersder Wissenschaft zu, mit der gleichen Hingabe wie sie zuvor ihrem Glauben gefolgt ist, und wird später Neurowissenschaftlerin in Stanford. Während ihre Mutter nie mehr wirklich aus ihrer Depression herauskommt, sucht Gifty nach Gründen für die Sucht ihres Bruders.

„Wenn es uns in vielen, vielen Jahren möglich sein wird, die Teile des Gehirns zu identifizieren und zu isolieren, die bei diesen Krankheiten betroffen sind, wenn es uns möglich sein wird, sie notwendigen Hürden zu überspringen, um die Forschung auch für andere Tiere als Mäuse nutzbar zu machen, können dann diese Ergebnisse auf Menschen übertragen werden, die sie am nötigsten haben? Könnten sie einen Bruder dazu bringen, die Nadel wegzulegen? Könnten sie eine Mutter aus dem Bett holen?“

Aber auch dieser Weg lässt Gifty an ihre Grenzen stoßen.

Gespür fürs Detail

Yaa Gyasi schreibt über Heimat, Heimweh, Depression, Sucht und Glaube und arbeitet dabei die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge gekonnt heraus. Die Figuren sind plastisch und detailreich und es ist vor Allem Yaa Gyasis Gespür für genaue Beschreibungen, das auf die Leser*innen überspringt. Die Autorin hilft uns, wirklich genau hinzuschauen.

„Ein erhabenes Königreich“ ist schon wie Yaa Gyasis erster Roman „Homegoing“ ein bemerkenswertes Buch. Ein Roman wie ein Geschichtsbuch unserer Zeit, das die großen Zusammenhänge im Kleinen erklärt und greifbar macht.

Erst in der Danksagung lüftet sich übrigens das Geheimnis, warum Yaa Gyasi so genau über Neurowissenschaften Bescheid weiß: „Ein erhabenes Königreich“ begann tatsächlich mit dem Besuch im Labor ihrer besten Freundin Christina Kim. Sie war so fasziniert von ihrer Arbeit, dass Yaa Gyasi ihr nach ihrem ersten Besuch öfter über die Schulter geschaut hat. „Tina“ Kim und ihrer Forschung ist es zu verdanken, dass die Hauptfigur im Buch so glaubhaft erscheint.

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