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„Die Alpen im Fieber“: Skifahren ist in der Klimakrise nur das kleinste Problem

Der Meteorologe Andreas Jäger hat ein Buch über die Auswirkungen der Klimakrise in den Alpen geschrieben, mit dem er möglichst viele Menschen abholen will. Seine Kernbotschaft: Es ist ernst, auch hierzulande, aber wir haben unsere Zukunft noch selbst in der Hand.

Von Simon Welebil

Dass der Wetterbericht der unpolitischste Teil der Nachrichten ist, ist schon längere Zeit vorbei. Im Kampf gegen die Auswirkungen der Klimakrise werden Wetter-Modeartor*innen und Meteorolog*innen zu Aktvivist*innen und Aufklärer*innen. Auch Andreas Jäger, ehemaliger Wetter-Anchorman von Ö3, ATV und Servus TV, reiht sich in diese Riege ein.

Jäger hält seit Jahren Vorträge über die Klimakrise und betreibt den Youtube-Kanal „Klimajäger“. Mit „Die Alpen im Fieber“ legt er nun ein Buch vor, mit dem er seine Expertise einem möglichst breiten Publikum vermitteln will.

Andreas Jäger im FM4 Studio mit Stuart Freeman

Radio FM4

Andreas Jäger zu Gast in der FM4 Morning-Show am 20.10.21

Warum Jäger hauptsächlich über die Alpen schreibt begründet er im Vorwort damit, dass sie das Buch seien, „in das das Klima seine Launen mit den fettesten Lettern geschrieben hat.“ Hier hätte man die Kapriolen des Klimas mit seinen Eis- und Warmzeiten zuerst verstanden, hier sei durch Eis in Jahrtausenden ein Paradies entstanden, das vor der Klimakrise aber auch keine Sicherheiten mehr bietet. Die Alpen wählt er aber natürlich auch, um zu zeigen, dass wir hier nicht vor der Klimakrise verschont werden, im Gegenteil: „Wir leben im Alpenraum in einer besonders stark erwärmten Region.“

Das wichtigste zuerst

Wenn man sich an ein großes Publikum richtet, gilt es zuerst, ein gemeinsames Verständnislevel herzustellen. Jäger schreit dafür - auch illustriert mit einem Megaphon - die fünf Kerninfos des Deutschen Klima-Konsortiums zum Klimawandel geradezu hinaus:

„Er ist real. Wir sind die Ursache. Er ist gefährlich. Die Fachleute sind sich einig. Wir können noch etwas tun.“

Gleich danach räumt er mit fünf populären Einwänden und Bedenken zur Klimakrise auf, etwa dass es nicht so schlimm sei, weil sich das Klima immer schon gewandelt hätte, oder dass CO2 gar nicht für den Klimawandel verantwortlich sein könnte.

Es ist wichtig, dass Jäger gleich am Anfang die wichtigsten Punkte prominent benennt, auch wenn er im FM4 Interview anmerkt, dass die Zahl von Klimakrisenleugner*innen in den letzten Jahren verschwindend klein geworden sei. Speziell die Führungsetagen großer Unternehmen, für die er immer Vorträge hält, würden die Klimakrise sehr ernst nehmen. Etwas unglücklich ist in diesem Kontext, dass die allererste Überschrift im Buch „wir haben noch etwas Zeit“ lautet.

Abbildungen aus Andreas Jägers Buch "Die Alpen im Fieber". Grafiken und Zeichnungen zur Klimakrise in den Alpen.

Bergwelten Verlag

Von den Anfängen bis in die Gegenwart

In den ersten beiden großen Kapiteln geht Jäger dann weit zurück in die Geschichte. Er zieht einen Bogen vom Pleistozän vor 2,6 Millionen Jahren mit seinen großen Eiszeiten, über die erste Besiedelung der Alpen, das Römische Reich bis zu den Schrecken der Kleinen Eiszeit vom 15. bis ins 19. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, denn „wir wollen die Vergangenheit der Alpen verstehen, um die Zukunft aktiv zu gestalten.“

In diesen Kapiteln wird Jäger zum großen Erklärer. Er zeigt etwa einerseits auf, durch welche Voraussetzungen sich Eis- und Warmzeiten auf der Erde abgewechselt haben, beschreibt die Grundlagen für das Wetter in den Alpen, vom Golfstrom bis zu Starkwindbändern, andererseits bringt er uns aber auch Wissenschaftsgeschichte nahe, etwa wie wir überhaupt Temperaturen aus Zeiten ermitteln können, aus denen keine Aufzeichnungen vorliegen.

Jäger ist sehr gut darin, komplexe Sachverhalte in einfache Beispiele herunterzubrechen, und die graphische Aufbereitung des Buches, das mit vielen bunten Illustrationen besticht, unterstützt ihn dabei.

Abbildungen aus Andreas Jägers Buch "Die Alpen im Fieber". Grafiken und Zeichnungen zur Klimakrise in den Alpen.

Bergwelten Verlag

„Die Alpen im Fieber“ ist im Bergwelten Verlag erschienen.

Jetzt wird’s ernst

Im dritten Teil des Buches geht Jäger dann darauf ein, was auf uns zukommen könnte, wenn wir die Klimakrise nicht aufhalten können. Denn nahezu alle Ursachen für Klimakatastrophen der Vergangenheit schaffen wir Menschen seit der Industriellen Revolution selber, durch unseren Ausstoß von Treibhausgasen.

Dabei stellt er vier sogenannte Kipppunkte heraus, die es unbedingt zu vermeiden gilt, wenn wir nicht in eine Heißzeit kippen wollen, die menschliches Leben auf der Erde fast unmöglich macht: Wenn die Eisschilde der Westantarktis und in Grönland abschmelzen; wenn sich die Tiefenwasserzirkulation im Nordatlantik abschwächt; wenn Permafrostböden auftauen und wenn die borealen Nadelwälder absterben sollten.

Buchcover von Andreas Jägers "Die Alpen im Fieber"

Bergwelten Verlag

Neben diesen Kipppunkten gibt es aber auch noch jede Menge anderer Probleme, die uns drohen und deren Effekte Jäger für die Alpen anführt: Mehr Muren und mehr Hochwässer, aber auch mehr und potentiell verheerende Dürrephasen; mehr Steinschlag, Felsstürze. Mit solchen Aussichten ist die Zukunft des Skifahrens, das wohl nur mehr in Lagen über 1.500 Höhenmetern möglich wird, wohl eines der kleineren Probleme.

Endlich ins Tun kommen

Jäger ist aber nicht nur ein Warner und Mahner, er will uns auch ermuntern, aktiv im Kampf gegen die Klimakrise zu werden. „Es ist ernst, wir müssen etwas machen, aber wir können auch etwas machen“, sagt er im Interview.

Im Zentrum des Kampfs gegen die Klimakrise steht natürlich, dass wir möglichst keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen, indem wir weniger Fleisch essen, öfter aufs Auto und vielmehr noch aufs Fliegen verzichten, weniger Kleidung kaufen und generell auch die Wirtschaft umbauen, und zwar „so schnell wie möglich“ und in einem Ausmaß, dass wir bis 2030 bereits die Hälfte unseres CO2-Ausstoßes reduzieren. Da sind wir schon im Rückstand, weshalb wir endlich ins Tun kommen müssen. Und mit wir meint Jäger natürlich nicht nur den Einzelnen, sondern auch den Staat, etwa mit einer weit stärkeren CO2-Besteuerung: „Es muss einfach das CO2-starke Leben bestraft und das andere belohnt werden.“

Abbildungen aus Andreas Jägers Buch "Die Alpen im Fieber". Grafiken und Zeichnungen zur Klimakrise in den Alpen.

Bergwelten Verlag

Für Jäger wird das alleine aber nicht ausreichen, um die Klimakrise aufzuhalten. Zusätzlich zum CO2-einsparen müssten wir auch versuchen, möglichst viel CO2 wieder aus der Luft zu holen. Das kann etwa durch Aufforstung und die verstärkte Verwendung von Holz als Baustoff, wo CO2 dann lange eingelagert wird, geschehen, durch großindustrielle Verfahren, die aber allesamt noch recht wenig überzeugend sind, oder auch durch die verstärkte Umwandlung von Biomasse zu Pflanzenkohle, die auch als CO2-Speicher dient.

Menschen, die sich schon länger mit der Klimakrise beschäftigen, wird Andreas Jäger mit „Die Alpen im Fieber“ wohl nicht mehr allzu viel Neues erzählen können. Alle anderen nimmt er aber an die Hand und führt sie Schritt für Schritt an die komplexe Thematik heran, an Probleme, aber auch Lösungen. Ins Handeln kommen müssen wir schließlich gemeinsam.

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