FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Cid Rim sitzt auf einer Stiege

Mato Johannik

Futuristischer Pop ohne Genierer

Auf seinem neuen Album ‚Songs of Vienna‘ entwickelt Cid Rim einen noch stärkeren Zug in Richtung Pop - seine elektronischen Songs gewinnen dadurch ordentlich an Kraft.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Cid Rim ist erschöpft. Er hat einen ganzen Nachmittag lang für ein kommendes gemeinsames Projekt mit seinem alten Freund Dorian Concept improvisiert. Das sei geistig erstaunlich kraftraubend, bemerkt der Musiker. Als es dann allerdings darum geht, über sein neues Album Songs of Vienna zu sprechen, erwacht Cid Rim sofort und erzählt pointiert und mitreißend über den Prozess. Und das passt eigentlich sehr gut zur Platte selbst. Denn auch die ist nicht auf dem geraden und einfachen Weg entstanden, kommt aber jetzt auf brillante Weise auf den Punkt. Es wirkt wie die Musik, die Cid Rim schon immer machen wollte: Ein hyperaktiver und eingängiger Zukunfts-Pop, der jegliche Formelhaftigkeit durch überraschende Haken im Keim erstickt.

Mehr von Cid Rim:

Zu bemerken ist das schon im Opener „Paul’s“, der zuerst mit viel Energie und und unruhigen, gestapelten Melodien nach vorne geht, nur um dann in sich zusammenzufallen und mit Chören den Himmel zu versprechen. Stattdessen geht es danach aber ins Fegefeuer, zu einer von gleich mehreren wahren Pop-Singles der Platte. Das folgende „Friday“ könnte der Soundtrack eines frühen Videospiel-Klassikers sein, wenn man nach dem Besiegen des Endgegners noch einmal die besten Szenen vorgespielt bekommt - nur mit deutlich mehr Polyrhythmus, Bass und Dub-Echos.

Erwähnte Zutaten haben im klanglichen Gumbo des Cid Rim generell an Prominenz gewonnen - da fühlt man sich an mancher Stelle schon fast an die Wiener Party-Institution Dub Club erinnert. Und das ist kein ganz verkehrter Gedankengang - reflektiert Cid Rim doch auf „Songs of Vienna“ nicht nur im Titel die vielfältigen Arten, auf die seine Heimatstadt ihn geprägt hat.

Wien sollte ursprünglich auch auf ganz andere Weise den Startpunkt dieser Platte bilden: Mit Musiker-Buddies, die eigentlich aus dem Umfeld der Jazzwerkstatt kommen, jetzt aber auch etwa bei den 5/8erln in Ehren oder 5K HD mitmischen, traf er sich zum freien Improvisieren. Zwei Auszüge dieser Sessions hat Cid Rim vorab veröffentlicht, weil sie doch nicht zur Richtung des Albums passten - hin und wieder tauchen sie jetzt dort als psychedelische Intermezzi oder kleine Samples aber trotzdem auf. Eine anderer roter Faden sind diverse analoge Synthesizer, die der Musiker in Studios zwischen London, LA und Wien in die Finger bekam und gleich von den ersten Noten und Klängen des „Kennenlernens“ an aufnahm - in diesem interessanten Breakdown nachzulesen. Sie sorgen auf „Songs of Vienna“ für eine gewisse Patina, aber vereinzelt auch für die dramatischen, fast schon opernhaften Crescendi.

Die markanteste Neuerung im Klangbild von Cid Rim hat aber mit einem ganz und gar akustischen Instrument zu tun: Seiner Stimme. Hatte er schon in der Vergangenheit schon mit verschiedenen Vokalist_innen eng zusammengearbeitet, und teilweise auch Melodielinien und Texte geschrieben, so behielt der Multiinstrumentalist und Produzent seine Demo-Spuren für „Songs of Vienna“ einfach und rückte sie nach ein wenig digitaler Manipulation selbstbewusst ins Zentrum seiner Pop-Songs. Dass er dabei auch über große Themen wie die Spaltung der Gesellschaft oder die Klimakatastrophe singt, macht das umso bemerkenswerter. Der studierte Schlagwerker hat allerdings nie den Zeigefinger im Einsatz, sondern fängt etwa im wunderbaren „Last Snow“ die Nostalgie darüber ein, als eine der letzten Generationen noch Gletscher in Österreich erlebt zu haben.

Mit herrlich eingängigen Melodien und raffinierten Grooves entwickelt „Songs of Vienna“ einen regelrechten Drive, den auch bewusst gesetzten Stolpersteine und Tempowechsel an keiner Stelle aufzuhalten vermögen. Statt einem nostalgisch-verklärten Blick auf seine historisch so bedeutsame Heimatstadt hat Cid Rim eine mitreißende Vision dafür geschaffen, wie Pop aus Wien jetzt und in den nächsten Jahren klingen könnte - und es hoffentlich auch wird!

mehr Musik:

Aktuell: