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Rebecca Taylor sitzt verkehrt herum auf einem Sessel und streckt ihre Zunge heraus.

Self Esteem

Die Freude priorisieren

Rebecca Taylor war die Frontfrau der englischen Band Slow Club. Bis ihr die Indie-Rock-Welt zu eng wurde und sie sich unter dem Namen Self Esteem neu erfand. Als Self Esteem macht Rebecca jetzt Pop - was sie eigentlich immer schon wollte. Das neue Album nennt sie „Prioritise Pleasure“, wobei es weniger um oberflächliches Vergnügen geht, sondern darum, sich selbst zu mögen und zu akzeptieren.

Von Eva Umbauer

Rebecca Taylor verbrachte zehn Jahre als eine Hälfte des englischen Indie-Pop-Duos Slow Club. Die Songs der beiden waren inspiriert von Anti-Folk, Retro-Soul oder Country-Soul, waren nie Durchschnittsware, trotzdem fühlte sich Rebecca Taylor dann irgendwann eingeengt. Heimlich begann sie über ein Solo-Projekt nachzudenken, heimlich, denn sie wollte ihren Slow-Club-Partner nicht enttäuschen. Rebecca Taylor hat in ihrem bisherigen Leben überhaupt meist zuerst auf andere geschaut und dann erst auf sich selbst. Mit Self Esteem - also Selbstwertgefühl - hat sich vieles für sie geändert, musikalisch und auf persönlicher Ebene.

„I wanted to truly, authentically express myself.“

Die Multiinstrumentalistin und Sängerin Rebecca Taylor macht unter dem Namen Self Esteem Pop, großen, maximalistischen Pop - mit toller Stimme, „Lärm“ wie donnernden Drums, dramatischen Streichern oder inbrünstigen Gospel-Chören. Das neue Album, „Prioritise Pleasure“, ist mit Stacheln versehen, hat aber auch ein witziges Element, und intime Momente gibt es ebenfalls. „Prioritise Pleasure“ ist intensiv, geht auf Konfrontation, ist aber auch zärtlich.

Das Album handelt von toxischen Beziehungen, dem Patriarchat, oder auch von Selbsthass und davon, zu lernen, sich selbst zu lieben. Mit letzterem hat Rebecca Taylor viel Zeit verbracht. „Prioritise Pleasure“ ist auch ein Album zur Selbststärkung. Der Albumtitel ist eine Ansage gegen eine Gesellschaft, in der Frauen noch immer viel zu oft klein gehalten werden: „We’ve been trained to be submissive and secondary and all I’m doing with this is going, ‚what if we’re not?‘“

Als Rebecca Taylor noch bei Slow Club spielte, mochte sie Tourneen nicht gerne. Sie hatte dabei ständig Ohrenentzündungen und Halsentzündungen, wie sie in Interviews zum neuen Album von Self Esteem erzählt. Ihre damaligen Bandkollegen hingegen liebten das Touren total. Noch während Rebecca Taylor bei Slow Club war, nahm sie Demo-Tapes auf für erste Tracks für Self Esteem und schickte diese an den englischen Musiker Jamie T, mit dem Slow Club einmal auf Tournee waren. Sie fühlte, ihre Zeit in der Band war abgelaufen. Rebecca hatte kein Geld und auch sonst liefen die Dinge für sie mit Slow Club immer wieder suboptimal.

„We said yes to everything, apart from one Wombats support tour. We did one show with them and everyone in the crowd was shouting ‚Get your tits out!‘ at me. We got loads of laddy shit.“

Rebecca Taylor wollte nicht mehr die hübsche, heterosexuelle Frau in Slow Club sein. Schon vor acht Jahren war ihr klar geworden, dass sie auf Frauen steht, ihre Situation in der Band wurde für sie immer unpassender. Rebecca Taylor war erst siebzehn Jahre alt, als sie und Charles Watson Slow Club gründeten, vor fünf Jahren erschien schließlich das letzte Album der Band aus Sheffield.

„My Self Esteem work is exploring how complicated it is to just be a human. I’m wonderful and I’m terrible. I hurt people and people hurt me. I feel everything and nothing. It’s a shit laugh but then it can be quite jolly, can’t it.“

Als Self Esteem hat Rebecca Taylor einen Neubeginn gewagt. Ihr erster Track unter diesem Namen, „Your Wife“, erschien 2017. Zwei Jahre später kam dann das Debutalbum „Compliments Please“, der bittersüße Wegbereiter für ihren neuen Longplayer.

Albumcover von "Prioritise Pleasure" von Self Esteem

Fiction Records

„Prioritise Pleasure“ von Self Esteem ist amm 22.10.2021 bei Fiction erschienen.

Das neue Self-Esteem-Album „Prioritise Pleasure“ wurde von Rebecca Taylor sehr intuitiv und nuanciert selbst produziert, zusammen mit dem schwedischen Musiker Johan Karlberg von der Londoner Band The Very Best. Namen, die dabei als Inspiration dienten, sind klassische wie Beyoncé oder Kanye West, aber auch Madonna. Das Album-Cover - Rebecca Taylor mit Cowboyhut - ist dem 2000 erschienenen Madonna-Album „Music“ nachempfunden.

Letztlich aber klingt Rebecca Taylor wie niemand anderer, obwohl einem etwa britische Künstler*innen wie Mike Skinner einfallen, oder vielleicht auch Lily Allen, aber letztere dann doch wieder nicht. „Prioritise Pleasure“ ist jedenfalls das große Pop-Album einer ungehemmten Stimme, in einer Zeit, in der die großen Popkünstlerinnen - von Taylor Swift bis Dua Lipa - vergleichsweise kleine Platten machen.

Der vielleicht beste Song auf dem neuen Self-Esteem-Album heißt „I Do This All The Time“. Manchmal erinnert dieser Track an die englische Pop-Musikerin Lisa Stansfield, die Ende der 1980er Jahre ein bedeutendes Album, „Affection“, veröffentlichte. „I Do This All The Time“ von Self Esteem ist schon jetzt ein Song des Jahres - mit diesem Refrain oder dem Text - „Don’t be intimidated by all the babies they have, don’t be embarrassed that all you’ve had is fun, prioritise pleasure“. Rebecca Taylor hat endlich ihren Platz gefunden.

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