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„Schwarzes Herz“ von Jasmina Kuhnke handelt von ungleichen Startbedingungen für ein glückliches Leben

Jasmina Kuhnke erzählt mit ihrem Debütroman „Schwarzes Herz“ die erschütternde Geschichte einer jungen Frau, die alles andere als privilegiert ist: Ihr Leben ist von Rassismus, Sexismus und häuslicher Gewalt geprägt. Ein ehrlicher, harter Roman über die oft lebenslangen Folgen von Diskriminierung.

Von Livia Praun

Jasmina Kuhnke ist Drehbuchautorin und Kolumnistin, aber Schlagzeilen macht sie vor allem mit ihrem Twitter-Account @quattromilf wo sie über 110.000 Follower hat. Sie twittert viel, vor allem über Feminismus, Faschismus und strukturellen Rassismus, und hat viele Fans, aber auch viel Gegenwind. So wurde sie im Frühjahr Opfer von Doxing – das ist, wenn persönliche Informationen zusammengetragen und im Internet veröffentlicht werden. Bei Jasmina Kuhnke war es der Wohnort, es wurde dazu aufgerufen, sie zu „massakrieren“. Die Polizei sah keinen Anlass, sie zu schützen, und sie musste mit ihrer Familie aufgrund der akuten Gefahr umziehen.

Unter anderem deshalb hat sie ihren Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse abgesagt, da dort auch ein faschistischer, rechtsextremer Verlag einen Stand hatte. Aus Angst um ihr Wohl und auch aus Prinzip hat sie damit ihren bis dato einzigen Live-Auftritt mit ihrem Roman abgesagt. Damit hat sie eine Riesen-Debatte ausgelöst, ob rechten und rechtsextremen Verlegern und Gedanken eine Plattform geboten werden soll. Nach beinahe zwei Wochen erscheinen noch immer neue Artikel zu der Kontroverse.

Jasmina Kuhnkes Leben ähnelt dem der Protagonistin ihres Romans. Die Protagonistin, aus deren Perspektive der Roman geschrieben ist, kommt in Deutschland auf die Welt, als Tochter einer weißen Frau aus Kroatien und eines Schwarzen Mannes aus Gambia, der schon vor ihrer Geburt verstorben ist. Ihr Leben als Schwarzes Mädchen in Deutschland ist alles andere als einfach. Schon als Kind wird sie ausgegrenzt, abgewertet und fühlt sich folglich fehl am Platz. Das einzige, woraus sie Kraft schöpfen kann, ist der Leistungssport, sie läuft nämlich unfassbar gerne. Aber auch dieses Glück währt nicht lange: Sie ist chronisch krank und muss ihre Laufkarriere als Jugendliche an den Nagel hängen.

Kuhnke zeigt in ihrem Roman, wie verschiedene Unterdrückungsmechanismen zusammenwirken: Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts, aufgrund von Armut und Erkrankung. Sie führt einem damit vor Augen, was es bedeutet, privilegiert zu sein - man genießt Vorzüge, die andere nicht genießen können:

„Manchmal (...) sehe ich, von wo ich komme und werde wütend über die große Portion Pech in meinem Leben, aber auch über die ungleichen Startbedingungen, die es für ein glückliches Leben gibt.“

Cover des Romans "Schwarzes Herz" von Jasmina Kuhnke: Eine Frau malt sich ein schwarzes Herz mit Filzstift auf den Bauch

Rowohlt Verlag

„Schwarzes Herz“ von Jasmina Kuhnke ist mit 208 Seiten am 19.10.2021 im Rowohlt Verlag erschienen.

Einige Zeit später lernt die Hauptperson in „Schwarzes Herz“ einen Rapper aus der lokalen Szene kennen. Anfänglich ein großer, aggressiver Klotz, zeigt er ihr schließlich seine weiche Seite. Sie fühlt sich geschmeichelt, bald kommt es, wie es kommen muss: Gemeinsame Wohnung, gemeinsame Kinder. Doch er fällt bald in sein altes Verhaltensmuster, missbraucht sie physisch, psychisch und sexuell und schirmt sie von der Außenwelt ab.

Das gemeinsame Umfeld bekommt den Missbrauch mit, aber schreitet nicht ein. Jasmina Kuhnke thematisiert hier Sexismus und Misogynie im Deutschrap – der gewalttätige Partner, die Freunde, die nicht einschreiten, all das kommt nicht aus dem Nichts. Jasmina Kuhnke zitiert hier reale Song-Lyrics aus dem Deutschrap, die sexistisch und gewaltverherrlichend sind, etwa von Rapper Finch Asozial: "Es ist Kampfgeschrei, was nachts aus unserm Schlafzimmer dringt, weil dank mir in deinem Gleitgel ein paar Glassplitter sind.“ Daher denkt die Protagonistin: „Sie alle hören Tracks von Typen, die ganz ungeniert verachtend über Bitches und Hoes rappen. Warum zur Hölle sollten also Typen, die andere Typen feiern, die solche Texte schreiben, hier einschreiten und mir helfen.“

Die Protagonistin in den verschiedensten Lebenssituationen wird immer und immer wieder als „anders“ gesehen und behandelt - sogar dort, wo sie besonders gut ist. Ihr Talent für das Laufen wird als „naturbedingt“ angesehen. Bei einem Rennen etwa gewinnt sie, woraufhin sich die Zweitplatzierte beschwert, dass die Protagonistin von Natur aus schneller rennen könnte. Im Fach Turnen bekommt sie trotz herausragender Leistungen nur einen Zweier ins Zeugnis. Die Erklärung des Lehrers lautet: „Du hast eine Note abgezogen bekommen, weil du körperlich im Vorteil bist. Es liegt an deinen Fersen. Ihr habt andere Fersen als wir. Wenn ich fair sein will, bleibt mir gar nichts anderes übrig, als dir eine Note abzuziehen.“

„Schwarzes Herz“ von Jasmina Kuhnke erscheint zur Zeit von Identitätspolitik-Diskussionen, in denen vor allem Sprache eine große Rolle spielt. Kuhnke erzählt, wie nicht nur rassistische Taten – Anschuldigungen, Abwertungen, Beschimpfungen – sondern auch rassistische Sprache verletzt. Etwa dann, wenn ihre Familie über ihren Schwarzen Vater auf eine herablassende Art und Weise spricht - all das hat sie immens verletzt und verschreckt. Damit zeigt Kuhnke, dass Sprache und sogenannte „Mikroagressionen“, also übergriffige Äußerungen und Handlungen im alltäglichen Leben, sehr wohl auch reale Auswirkungen haben.

Jasmina Kuhnke beweist mit ihrem Debütroman viel Feingefühl, obwohl sie nüchtern und ohne große Umschweife schreibt. Sie erzählt so nah und persönlich, dass man das Gefühl hat, als würde einem die Ich-Erzählerin ihre Geschichte persönlich erzählen. Kuhnke zeigt mit dieser Geschichte, wie alltäglich Rassismus und Sexismus noch immer sind, in einer Zeit, in der diese Themen groß und hitzig diskutiert werden. Das Buch kommt zum richtigen Zeitpunkt, und betrifft sowohl die identitätspolitische Debatte als auch #DeutschRapMeToo - eine Empfehlung.

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