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Tom Mulitzers Roman „Pop ist tot“: Punkrock oder Hipsterhölle?

Tom Mulitzer erzählt in „Pop ist tot“ eine klassische Geschichte neu, mit Witz und Verve und Tiefgang.

Von Rainer Springenschmid

Das Motiv ist ein Klassiker, der Inhalt ist schnell erzählt: Wir bringen die Band wieder zusammen und machen noch eine Tour, so wie damals. Die Band heißt Pop ist tot und war selbstverständlich die punkigste Punkband von ganz Salzburg. Jetzt sind ihre Mitglieder im ganzen Land verstreut und tragen die unterschiedlichsten wie klassischen Lebensgeschichten mit sich herum: Hansi ist Familienvater mit gutem Job, Haus und Swimming Pool, Branko macht jetzt Volksmusik, Günther ist nach Wien gezogen und vom Großstadtdschungel ausgespuckt worden und der Ich-Erzähler sitzt in einer Agentur aka Hipsterhölle und vertreibt sich die Langeweile mit anarchischen Sabotagespäßen.

Die Erlösung kommt, als der perfekt durchvermarkteten Punkdarstellercombo Superschnaps rund um Sänger Johnny Obstler (Ähnlichkeiten mit einer real existierenden Band sind nicht zufällig) die Vorband ausfällt und Gitarrist Günther die alten Pop ist tot-Kumpanen für eine Reise in die eigene Vergangenheit zusammentrommelt.

Buchcover von Thomas Mulitzers Roman "Pop ist tot", in sehr punkiger Schrift gehalten.

Kremayr & Scheriau

„Pop ist tot“ von Thomas Mulitzerist bei Kremayr & Scheriau erschienen. Thomas Mulitzer liest am 12.11. um 11:30 auf der Buch Wien in Halle D auf der DerStandard-Bühne.

Von dieser Fallhöhe aus schreibt sich Thomas Mulitzer mit viel Gespür für Pointen durch eine Geschichte, die trotz vieler klassischer Elemente nie langweilig wird. Nostalgie crasht mit Gegenwart, Anspruch mit Realität, Alkohol mit dem Alter und über allem steht die Frage, ob man sich auch über Vierzig noch stilvoll gegen das erwachsen Werden wehren kann. Spoiler: jein.

Autor Thomas Mulitzer stammt aus Goldegg im Pongau und hat sich in seinem ersten Roman „Tau“ an Thomas Bernhards skandalträchtigem Anti-Heimatroman „Frost“ abgearbeitet. Er ist auch im echten Leben Gitarrist, Sänger und Texter einer Punkband, bei den Pongauer Mundartpunks „Glue Crew“ – und er arbeitet auch im echten Leben in einer Agentur.

Aber Mulitzer ist Anfang Dreißig und die Glue Crew hat sich noch nie aufgelöst, also enden die Analogien des Ich-Erzählers mit seiner eigenen Biografie relativ bald. Trotzdem schöpft er natürlich mit vollen Händen aus dem Erfahrungsschatz mit seiner eigenen Band.

Am Anfang des Buches spielt sich Mulitzers Pointentalent fast selber einen Streich, als die feministischen Agenturchefinnen etwas gar holzschnittartig geraten. Aber schnell merkt man, wer da eigentlich punk ist, und schnell dreht sich das Ganze auch in eine subtile Selbstreflexion, verpackt in eine flott erzählte Story. In Rückblicken erzählt er von den Anfängen im Proberaum und Auftritten auf Zeltfesten, wo die Teenager vom Punkrockleben träumen und von der Dorfjugend verdroschen werden. Bei den Erlebnissen auf Tour ist die Glamourschicht wiederum schon so abgebröselt, dass die erbärmliche Realität nur noch mühsam kaschiert werden kann.

Mulitzer wandelt gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen der beschriebenen Nostalgietristesse und seinem anekdoten- und pointengeladenen Stil, oft droht das Buch in die eine oder andere Richtung zu kippen, immer gelingt es ihm, die Geschichte rechtzeitig wieder aufzufangen. Und über Allem schweben die großen Fragen des Lebens: Kann ich alt werden und cool bleiben? Gibt es ein Leben ohne Punk? Und was gibt’s eigentlich morgen zum Frühstück?

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