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Demoplakat auf der Klimakonferenz - zwei Augen mit der Aufschrift "COP26 - we are watching you"

APA/AFP/ANDY BUCHANAN

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Worum es auf der COP26 geht

In Glasgow ringen 197 Nationen noch bis zum 12. November um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, und damit um eine lebenswerte Zukunft für uns alle. Die wichtigsten Fakten zum Weltklimagipfel.

Von Barbara Köppel

Das Aus für die Waldzerstörung bis 2030, den Ausstieg aus Kohle bis 2030/40 und überhaupt das Ende des fossilen Zeitalters bis 2050. Klimaziele wie diese sind uns in den letzten zehn Tagen auf der UN Klimakonferenz in Glasgow als „beispiellos“ angekündigt worden. Doch was nützen sie, wenn wir die nächsten acht Jahre munter weiter unsere Wälder abholzen, die großen Kohleländer wie Indien und Australien beim Deal nicht mit dabei sind, und die EU drauf und dran ist, die Förderung von Atomkraft und Erdgas (das zwar weniger Emissionen verursacht, aber immer noch fossile Energie ist) als grüne Investitionen zuzulassen.

Nichts als Blablabla für die junge Klimabewegung um Greta Thunberg. Die kleinsten gemeinsamen Nenner, auf die sich die Staatengemeinschaft einigen kann, reichen nicht, um die Welt zu retten. Bei weitem nicht. Im Folgenden ein kleines Q&A, um zu verstehen, worum es auf der COP26 eigentlich geht.

Was ist überhaupt eine COP?

COP steht für Conference of the Parties, also Konferenz der Vertragsparteien. Gemeint sind die UN-Staaten, die sich auf dem Gipfeltreffen in Rio de Janeiro 1992 verpflichtet haben, gegen die Klimakrise vorzugehen. Seither finden fast jährlich Treffen statt. Die COP26 mit rund 40.000 Delegierten im schottischen Glasgow ist die 26. Konferenz zum Thema.

Warum reden alle vom Pariser Abkommen, die COP findet doch in Glasgow statt?

Dazu ein historischer Rückblick: 1997 reglementierte das Kyoto-Protokoll erstmals die Treibhausgas-Emissionen der Industrienationen. Mit einer Verlängerung lief es bis 2020, allerdings ohne die größten Klimasünder USA und China. Auf der Klimakonferenz 2009 in Kopenhagen sollte endlich die ganze Welt auf Kurs gebracht werden. Doch daraus wurde nichts.

Erst auf der COP21 im Jahr 2015 in Paris gelang es, dass sich alle Staaten wieder auf ein völkerrechtlich verbindliches Klimaschutzabkommen einigten (mit Trump sind die USA aus dem Abkommen ausgestiegen, mit Biden wieder eingestiegen). Die maximale Erderhitzung ist darin auf „deutlich unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter“ festgelegt, idealerweise solle sie aber 1,5 Grad nicht überschreiten. Dieser wichtige Nachsatz ist besonders den kleinen Inselstaaten zu verdanken, die auf dem 1,5-Grad-Ziel bis zur letzten Stunde des letzten Meetings beharrt haben. Es ist nun Grundlage aller Verhandlungen in Glasgow.

Warum sind 1,5 Grad so wichtig?

Die schlechte Nachricht zuerst: „Das Pariser Klimaabkommen ist ein 2,7-Grad-Abkommen mit einem 1,5-Grad-Label“, sagt Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Wiener BOKU. Die aktuell geltenden Verpflichtungen der einzelnen Länder steuern auf eine Erhitzung in Richtung plus drei Grad zu. Das klingt nicht nach viel, doch es zählt jede Kommastelle. Global gesehen stehen wir bereits bei plus 1,2 Grad. Plus 1,5 Grad bringen steigende Meeresspiegel, Waldsterben, Korallensterben, Hitzewellen, Dürren und Hochwasserkatastrophen wie letzten Sommer in West- und Mitteleuropa. Allein in Deutschland sind dabei mindestens 180 Menschen gestorben. Es drohen irreversible Kipppunkte im globalen Klimasystem. Das Leben auf dem Planeten wird vielleicht nicht mit einem Schlag ausgelöscht, aber für hunderte Millionen Menschen und gesamte Ökosysteme buchstäblich unerträglich.

Graphik zur CO2 Einsparung, um 1,5°-Ziel zu erreichen.

CC Twitter-User @robbie_andrew

Was genau passiert jetzt in Glasgow?

In Glasgow geht es darum, den genauen Fahrplan festzulegen, wie das 1,5-Grad-Ziel womöglich doch noch erreicht werden könnte. Laut UN-Bericht müssten wir dafür unsere Emissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 reduzieren und von dort auf netto null Emissionen bis 2050. (Indien hat für sich vor wenigen Tagen 2070 angekündigt.) Folgende Punkte sind wichtig:

  • Reduktionsziele nachschärfen

Nachdem alle Länder ihre Reduktionsziele (NDCs, nationally determined contributions) selbst festlegen, gilt es, diese nachzuschärfen. Das ist schon vor der COP26 geschehen, doch reichen auch die neuen Verpflichtungen nicht aus. Im Gegenteil, laut Weltklimarat würden sie zu einem Emissionsanstieg von 16 Prozent bis 2030, statt zur notwendigen Reduktion um 45 Prozent führen.

  • Einheitliche Emissionsberichte

Alle Länder müssen über ihre Emissionsbilanz berichten. Dafür gibt es bisher kein einheitliches Format. Eine sogenannte gemeinsame Berichtspflicht soll ein einheitliches Schema vorgeben, das Fort- und Rückschritte vergleichbar macht.

  • Mehr Geld für stark betroffene Länder

Die Klimafinanzierung soll erhöht werden. Schon in Kopenhagen haben die reichen Industriestaaten versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Länder des globalen Südens bereitzustellen, also für jene, die von der Klimakrise am stärksten betroffen sind. Dies wurde nicht eingehalten. 2019 betrugen die Klimahilfen knapp 80 Milliarden Dollar. Der volle Betrag soll nun 2023 erreicht werden und danach steigen.

  • Neue Regeln für CO2-Emissionshandel

Wenn ein Land seine Klimaziele übererfüllt, kann ein anderes Land dessen Verschmutzungsrechte in Form von CO2-Zertifikaten kaufen. Dabei ist es schon oft zu Schummeleien gekommen. Eine Neuregelung soll verhindern, dass eine eingesparte Tonne CO2 doppelt oder mehrfach angerechnet wird. Veraltete Zertifikate sollen aus dem Umlauf gezogen werden.

Was trägt Österreich bei?

Die EU verhandelt als Block. Die Beiträge Österreichs sind daher Teil der Reduktionsziele der EU, und die will bis 2050 klimaneutral sein, das bedeutet netto null Emissionen. Österreich möchte die Klimaneutralität aber bereits bis 2040 erreichen. Umweltministerin Leonore Gewessler, die seit Sonntag in Glasgow ist, wird nicht müde, das Klimaticket, die „ökosoziale Steuerreform“ und 100 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energien bis 2030 als Meilensteine auf dem Weg dorthin zu bezeichnen. Fakt ist allerdings, dass die Emissionen in Österreich seit den Neunzigern steigen und es derzeit kein Klimaschutzgesetz gibt. Gewessler hat angekündigt, noch im Herbst einen Entwurf zur Begutachtung vorzulegen.

Greta Thunberg spricht bei einer Demo im Rahmen der UN Klimakonferenz in Glasgow

APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS

Welche Rolle spielt die globale Klimabewegung?

Definitiv eine große! Bedenkt man, dass Greta Thunberg erst vor drei Jahren auf der COP in Polen weltbekannt wurde und Fridays for Future seither eine globale Klimabewegung geworden ist, die weltweit Massendemonstrationen orchestriert, dann gibt das Hoffnung. Denn solche Klimagipfel sind natürlich auch große Bühnen, die durch verstärkte mediale Berichterstattung Bewusstsein für den Ernst der Lage schaffen. Wenn Greta Thunberg die COP ein „Greenwashing-Festivals des Globalen Nordens“ nennt, dann erzeugt das politischen Druck, dann steigt der internationale Gruppenzwang, sich zumindest in Absichtserklärungen zu überbieten. „Was die Klimaaktivist:innen zu sagen haben, ist oft von einem viel größeren Verständnis für das Problem geprägt, als alles, was die Politiker:innen sagen“, so auch der Klimapolitikexperte Steurer. Und er ist auch der Meinung, dass es in der Klimakrise keine neutrale Position mehr gebe: „Man ist entweder Teil des Problems oder Teil der Lösung.“

FM4 Auf Laut - Inside COP26

In FM4 Auf Laut sprechen wir mit Jugenddelegierten und NGO-Klimaaktivist*innen live aus Glasgow von der Weltklimakonferenz. Was lässt sich bis zum Abschluss der Verhandlungen am 12. November konkret zur Rettung unseres Planeten erreichen? Wie geht es hinter den Kulissen der COP26 zu, worauf kommt es jetzt am meisten an?

Am Dienstag, 9.11. 2021 ab 21:00 auf Radio und danach 7 Tage lang im FM4 Player.

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