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Die Journalistin Ciani-Sophie Hoeder steht im Freien.

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Wut tut auch Frauen gut, sagt Ciani-Sophia Hoeder

Die Berlinerin Ciani-Sophia Hoeder gründete mit dem „RosaMag“ das erste Online-Lifestylemagazin für Schwarze Frauen. Jetzt spricht sie sich dafür aus, Wut als Stärke zu begreifen - vor allem die Wut von Frauen.

Von Maria Motter

Ihre Mutter tut sich keinen Zwang an, wenn es um Wut geht, und Greta Thunberg tue das auch nicht, schreibt die Journalistin Ciani-Sophia Hoeder in ihrem Buch „Wut und Böse“. Sie will eine Anleitung zum Wütend-Sein bieten und auf 200 Seiten darlegen, wie Wut und Macht zusammenhängen. Dafür erzählt sie eigene Erlebnisse, schildert Beobachtungen aktueller Phänomene und befragt vor allem Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen und ihr Umfeld.

Wut tut gut, lautet Ciani-Sophia Hoeders Botschaft an Frauen. Ihre eigene Wut über ein Wahlergebnis der AfD und den Umstand, dass die Medienbranche nicht divers genug aufgestellt ist, war mit ausschlaggebend dafür, dass sie das RosaMag gegründet hat. Das RosaMag ist – nach eigenen Angaben – das erste deutschsprachige Online-Lifestylemagazin für Schwarze Frauen.

Der Name des Web-Magazins ist inspiriert von der Bürgerrechtlerin Rosa Parks (1913-2005), die als 42-Jährige in Montgomery, Alabama, am 1. Dezember 1955 nicht mehr bereit war, im städtischen Bus von ihrem Sitzplatz für Weiße aufzustehen. Die „Rassentrennung“ war in den Südstaaten der USA bis in die 1950er Jahre Alltag. Parks’ Weigerung, sich dieser systematischen Diskriminierung zu fügen, führte zu ihrer Verhaftung. Aber noch in derselben Nacht wuchs der Widerstand und weitere Bürgerrechtler*innen beschlossen, die Busse zu boykottieren. 381 Tage lang ging die Schwarze Bevölkerung zu Fuß und organisierte sich in Fahrgemeinschaften, bis schließlich der Supreme Court die Diskriminierung in den Bussen Montgomerys für verfassungswidrig erklärte.

Ihr erstes Buch, das diesen Herbst bei hanserblau erschienen ist, hat Ciani-Sophia Hoeder dem Gefühl der Wut gewidmet. In „Wut und Böse“ legt sie Frauen nahe, die eigene Wut zu umarmen und die Kraft dieses Gefühls wahrzunehmen.

Cover "Wut und Böse" von Ciani-Sophia Hoeder

hanserblau

„Wut und Böse“ von Ciani-Sophia Hoeder ist bei handerblau erschienen. Ciani-Sophia Hoeder ist Gast auf der Buch Wien und in FM4 Connected am Donnerstagnachmittag.

Die „biologische Cocktailparty“ Wut wahrnehmen

Das Gefühl der Wut beschreibt Hoeder als biologische Cocktailparty. Der Körper ist in Alarmbereitschaft, die Pupillen werden größer und das Herz schlägt schneller. Doch wenn man die Wut hinunterschluckt, kann das ungesund werden. Wut ist ein Grundgefühl. Es gebe keine richtige oder falsche Wut, schreibt Hoeder, denn psychologisch betrachtet sind alle Emotionen neutral. Unmittelbar zuvor wirft sie die Frage auf: „Ist meine Wut berechtigt?“

Frauen wurde über Jahrhunderte regelrecht antrainiert, die eigenen Gefühle zugunsten anderer zu unterdrücken und Contenance zu wahren. Die Wut von Männern werde ab deren Kindesbeinen an ernst genommen, während mit Mädchen öfter über Traurigkeit gesprochen würde, zitiert Hoeder eine Studie der US-amerikanischen Familientherapeutin Susan Sterkel Haugh aus den 1980er Jahren. Von „hysterisch“ über „Zicke“ und „Psycho“ zu „sensibel“ reicht die Liste jener Wörter, mit denen wütende Frauen belegt werden.

Hoeder vertritt die These, dass der Wille, die Wut von Frauen kontrollieren zu wollen, von der Angst vor Gleichberechtigung kommt. Der gesellschaftliche Umgang mit der Wut, die Frauen nicht ausdrücken dürfen, gleiche „Gaslighting“, so Hoeder. Es mangelt nicht an Buzzwords in ihrem schmalen Band „Wut und Böse“, im Schnelldurchlauf geht es von Freud (ohne nähere Beschäftigung: „Freuds Theorie, warum Frauen wütend auf Männer sind, ist übrigens Penisneid“) über den Namensgeber des „Wutbürgers“ kurz zu #MeToo und Black Lives Matter. „Self Silencing“, „Tone Policing“ und „Code Switching“ werden kurz erklärt.

Ciani-Sophia Hoeder versucht einen Denkanstoß mit „Wut und Böse“: Die Frage, wem Wut zugebilligt wird, ist eine Frage nach Macht. Dabei signalisiere Wut dem Menschen auf der individuellen Ebene erst einmal: Etwas ist ungerecht. Wut motiviert zu Veränderung und kann helfen, sich abzugrenzen. Beim Lesen von „Wut und Böse“ schaut man allerdings auf zu vielen Diskurs-Partys nur kurz vorbei, bekommt Studienergebnisse in Häppchen serviert und ist am Ende nicht einmal mehr irritiert, weshalb es kein großes Thema ist, wie Wut „kanalisiert“ wird.

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