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Portraitfoto Herwig Zamernik alias Fuzzman

Niki Meixner

Neues Fuzzman-Album: Endlich darf die Vernunft siegen

Alles vergeht. Der Schlager. Das Leben. Nur der Fuzzman bleibt. Aber auch nur vorerst. Der Indie-Schlagersänger hat mit „Endlich Vernunft“ ein berührendes Album über Vergänglichkeit und Endlichkeit geschrieben. Außerdem dürfen wir mit ihm durch sein Kopfkino zappen.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Schon auf dem letzten Album „Hände weg von Allem“ war der Fuzzman etwas angeschlagen. Es sind wohl die Narben und Schrammen, die einem das Leben im Laufe der Zeit so zufügt. Das war in der traurigen Kärntnerlied-Coverversion von „I tua wohl“ schon herauszuhören. Aber es wäre eben nicht der Fuzzman, wenn er damals nicht mit seinen Singing Rebels wieder die Pferde gesattelt hätte und in alter Gras-Manier den Witz und den Humor siegen hätte lassen.

Doch 2021 ist alles etwas anders. Diesmal siegt die Vernunft. Zumindest teilweise. Oder eigentlich sogar recht oft, für Fuzzman-Verhältnisse. So pflanzt er auf seinem neuen Album „Endlich Vernunft“ gleich zu Beginn „Ein[en] Baum für die Nacht“, an den wir uns in schweren Stunden anlehnen können. Gerade dann, wenn es dunkel wird, auch in der Seele. Selbst die Krähen, die Vögel die mit Raben gerne als Todesbringer angesehen werden, dürfen sich auf die sanft schwingenden Äste dieses Kärntnerlieds setzen. Aber nur kurz, um sich auszuruhen. Denn dem Irdischen Lebwohl zu sagen (so wie einer Lieben), dafür ist der Bassist, Sänger, Produzent, Popfest-Kurator und der Bezwinger des Lindwurms Herwig Zamernik noch nicht bereit.

Denn im nächsten Moment spielt der Fuzzman nackt auf seiner Alm die Gitarre (eine klare Anspielung auf sein großartiges Fuzzstock Festival am Klippitztörl) und denkt an den Zauber der Natur. Und doch - wenn er im Verlauf des schleppenden Popsongs „Gib mir mehr“ nackt auf einem Traktor oder komplett entblößt mit Betrunkenen in einem Beisel sitzt, so wünscht sich der Indie-Schlager-Poet doch mehr. Mehr Vernunft. Und das kam so.

Wenn alles vergeht, sogar der Schlager

Der Fuzzman ist älter geworden. Er sagt nicht, er sei alt. Das klinge nämlich so, als wäre er 104 Jahre, wie er beim Interview gleich klarstellt. Aber doch, die Lebenszeit ist nicht spurlos an ihm und seinen Liebsten vorübergegangen. Und was das Älterwerden mit sich bringt ist die gelebte Erfahrung der Endlichkeit. Das hat Herwig Zamernik am eigenen Leib schmerzlich erfahren müssen, als dieses Jahr seine Mutter verstorben ist.

Herwig Zamernik: „Zu betrachten, wie jemand stirbt, den man liebt, das nimmt einen schon mit. Diese Endlichkeit wird einem anders bewusst. Gar nicht auf einen selbst bezogen, weil wir alle wissen, dass wir nicht für immer leben. Mit den Gedanken drehen wir uns ja auch im Kreis. Aber die Endlichkeit wird greifbarer und es verlagert sich die Gewichtung von gewissen Dingen. Dem kommen wir alle nicht aus. Egal, wie viel wir darüber nachdenken, wir müssen Dinge erfahren, damit wir sie verstehen. Und ich habe durch den Tod meiner Mutter wieder etwas mehr verstanden. Es sind nicht nur Schmerzen, sondern auch Erkenntnisse.“

Albumcover "Endlich Vernunft" Fuzzman

Lotterlabel

Das Album „Endlich Vernunft“ erscheint Freitag 12.11. auf dem Lotterlabel und wird an diesem Tag live im Wiener Rabenhoftheater präsentiert.

Während für den gefühlvollen und durch die Synthies irgendwie spacig klingenden Trauermarsch „Vom Ende“ dem Fuzzman die Worte fehlen und er die Melodie einer einsamen Trompete überlässt, hat er mit dem Schlussstück „Lafn und lachn“ eine berührende Ode an seine Mutter geschrieben, die mit seinem wundervollen Klavier an die Emotionalität einer Tom-Waits-Ballade erinnert.

Abschied und Vergänglichkeit ziehen sich immer wieder durch die Songs des neuen Albums, jedoch sitzt dann meist der Schalk im Nacken, spielt sich wieder ungeniert und mit Finesse mit dem Schlagergenre und schafft es dann auch noch, eine Tocotronic-Referenz hineinzupacken, wie mein Kollege Christoph Sepin hier so schön analysiert hat. Während der Fuzzman bei „Hände weg von Allem“ mit Regisseur Niki Meixner mit seinem Millenium Falken eine 80er-Geburtstagsfeier in Langenzersdorf crasht, marschiert er für „Weil ein Schlager vergeht“ mit der Gemeindekapelle Paternion-Feistritz unter der musikalischen Leitung von Kapellmeister Herbert Steiner und Obmann Heimo Klammer. Wie viel Liter Bier beim Frühschoppen wirklich geflossen sind und wie viele Bühnen er dort geentert hat, das wollte der Fuzzman dann doch nicht verraten.

Heimatfilm oder Porno? Oder doch das Meer?

Kennt ihr das, wenn ein Freund oder Bekannter euch zutextet und ihr komplett nicht daran interessiert seid, was euer Gegenüber erzählt? Der Fuzzman kennt das auch. Eine zufällige Begegnung mit einem Mansplainer veranlasst den Schlager-Troubadour vom Meer zu träumen. Denn bei dem vielen Reden kann der Fuzzman sich selbst nicht mehr verstehen und sieht nur mehr verschwommen. Dann lieber hinein in das imaginäre Wohnmobil und ab Richtung Süden, vorbei am Autogrill zum Entspannen und Langweilen ans Meer.

Man sieht und hört, der Fuzzman hat seinen Humor und die Leichtigkeit nicht verloren. Auch wenn immer wieder mal die Panik da ist. Ja, selbst der immer fröhliche scheinende Musiker, der wirkt, als käme alles locker aus den Ärmeln geschüttelt heraus, kennt Ängste. So heißt es in dem Glanzstück „Ein Heimatfilm“:

Hallo Panik, bist du auch schon wieder da
Liebe Sorgen, seid ihr immer noch nicht wahr...

Herwig Zamernik hat in seinen Musiker- und Künstlerjahren allerdings gelernt, gut mit Gefühlen der Panik umzugehen. Zum Beispiel so ein Gedanken entwaffnendes Lied zu schreiben wie „Ein Heimatfilm“. Da zappt sich der Fuzzman durch sein Kopfkino-Programm und wir landen mit ihm in einem Heimatfilm auf Heroin, in einem Pornofilm auf Ketamin, in einem Actionfilm auf Kokain und gehen in einem Wutanfall schließlich ohne Ball Elfer-Schießen. Und dann haben wir uns so an diesem schönen Song berauscht und uns an diese Mitsingmelodien verschwendet, dass wir am Ende angekommen sind. Wenn wir uns dann fragen, was dann noch zählt, hat der Fuzzman auch dafür eine Antwort: Am Ende zählt das Ende (des Lebensfilms).

Herwig Zamernik alias Fuzzman und seine Singing Rebels

Marianne Andrea Borowiec

Unterstützt wird der Fuzzman noch immer durch seine Singing Rebels. Diese haben jedoch eine Frischzellenkur erhalten. Trompeter Richi Klammer beehrt die Rebellen nur mehr ab und zu. Dafür sind jetzt dabei Xavier Plus (Schlagzeuger bei Pauls Jets), David Scheighart (Drummer bei Voodoo Jürgens’ Ansa Panier) und (Jazz-)Musikus Alexander Kranabetter. Nicht zu vergessen die „altgedienten“ Rebellen Stefan Gfrerrer und Jozej Stikar.

Auch das politische Statement darf nicht fehlen. Wobei der Fuzzman diesmal kein Megaphon dafür in die Hand nimmt, um Abstand zu halten. Auch nach Ibiza muss er dazu nicht reisen, um tachinierend über ein korrupten Staatsstreich nachzudenken. Diesmal versteckt sich die Kritik hinter einer scheinbar belanglosen Beobachtung. Ein bisschen „krawutisch“ (kärntnerisch für „verärgert“) fragt sich der Fuzzman in dem energischen Stück „Da ist doch nichts verkehrt“, wer hier jetzt den Scheiß aufräumt, nachdem die Party vorbei ist. Assoziationen zu Politikern, die sich bereichern oder Institutionen untergraben, die demokratischen Grundfeste aushöhlen, bis so manches zusammenbricht, kommen in den Sinn. Eine Antwort auf die Frage, wer das dann alles zusammenräumt und wieder aufbaut, bleibt uns der Fuzzman schuldig. Dass dann im Refrain dann doch immer wieder die Sonne aufgeht, mag an der (altersbedingten) Einsicht liegen, dass man nur in seinem unmittelbaren Umfeld Dinge ändern kann, und dass wir alle wohl ein einen Teil zum Müllberg beigetragen haben. Schließlich haben wir alle gelernt, dass daran doch nichts verkehrt ist.

Auch wenn pure Vernunft niemals siegen darf, so ist doch eine Sehnsucht nach der Vernunft auch nicht verkehrt. Vor allem nach einem Leben des Rock’n’Rolls, nach oftmaligem Fahren mit durchgedrücktem Gaspedal, nach kreativen Exzessen und exzessivem Feiern. Aber keine Angst, der Fuzzman wird nicht morgen gut rasiert und frisch geschniegelt neben euch in der Bankfiliale stehen, um sich über einen Bausparvertrag zu informieren. Das hat er mir versichert. Ganz abgesehen davon, dass Aktien und Immobilien gerade In sind und nicht ein Bausparer. Aber der Fuzzman ist halt alte Schule. Und allein dafür muss man ihn lieben. Und auch dafür, dass die Vernunft bei ihm nie ganz siegen wird. Wie sonst könnte der „post-städtische Heimatdichter“ (schöne Formulierung von Andreas Kanatschnig in der Kleinen Zeitung) so ein berührendes und ehrliches Album über Verlust, Vergänglichkeit und die Endlichkeit des Lebens schreiben und uns dabei gleichzeitig mit viel Humor und Leichtigkeit an seinen gewonnenen Erkenntnissen teilhaben zu lassen?

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