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v.l. LH Michael Ludwig (SPÖ), LH Günther Platter (ÖVP), Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), BM Wolfgang Mückstein (Grüne) während einer Pressekonferenz

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Interview

Neuer Lockdown: Kriegt die Regierung die Kurve?

In den letzten Wochen wurde die türkis-grüne Koalition wegen mangelnder Klarheit in ihrer Entscheidungsfindung und Kommunikation kritisiert. Hat die Regierung heute eine überzeugende Demonstration der Einigkeit und eine klare Botschaft präsentiert? Politologin Kathrin-Steiner Hämmerle dazu im FM4-Interview.

Von Joanna Bostock

Am Montag, 22.11. 2021 beginnt in Österreich der 4. landesweite Lockdown, um die Covid-19-Infektionen einzugrenzen. Dazu wird ab sofort eine allgemeine Impfplicht vorbereitet. Die Details der Maßnahmen wurden heute Vormittag gemeinsam von Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) präsentiert.

In den letzten Wochen wurde die türkis-grüne Koalition wegen mangelnder Klarheit in ihrer Entscheidungsfindung und Kommunikation kritisiert. Hat die Regierung heute eine überzeugende Demonstration der Einigkeit und eine klare Botschaft präsentiert?

Kathrin Stainer-Hämmerle, Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten hat die heutige Pressekonferenz mit uns analysiert:

Interview mit Kathrin Steiner-Hämmerle

Joanna Bostock: War diese Pressekonferenz ein Zeichen der Einheit mit einer klaren Botschaft?

Kathrin Steiner-Hämmerle: Was mich bei dieser Pressekonferenz am meisten überrascht hat, war nicht so sehr die demonstrierte Einigkeit, das war wohl notwendig, aber doch die Ankündigung einer Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung ab Februar. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass die Politik jetzt versucht, das Gesetz des Handelns mehr in die eigene Hand zu nehmen und mit verpflichtenden Maßnahmen die Bevölkerung auch einfach zu zwingen. Das muss man jetzt wirklich so sagen und diese appellative Ebene, nämlich mit Aufforderung und Bitten, verlässt.

Klar zu erwarten war, dass sich die Regierung natürlich hier geeint zeigt, auch mit den Landeshauptleuten. Dass auch mehrfach betont wurde, dass die SPÖ mit im Boot ist, das wird es auch brauchen für Verfassungsmehrheit. Das alles war natürlich zu erwarten und nicht zuletzt auch der Lockdown, der jetzt wirklich in Kraft tritt am Montag.

Wie gewagt ist nun die Idee einer generellen Impfpflicht und nicht nur für bestimmte Gruppen? Es gibt nur wenige Länder auf der Welt, die eine solche Maßnahme eingeführt haben.

Ja, hier wäre Österreich wirklich Vorreiter, auch mit einer generellen Impfpflicht. Aber man darf nicht vergessen: Impfpflicht bedeutet nicht Zwangsimpfung. Das ist selbstverständlich nicht möglich. Im Moment gehen eigentlich alle, auch Juristinnen und Juristen, davon aus, dass es bei einer Impfverweigerung zu einer Verwaltungsstrafe kommt, in Höhe von einigen hundert Euro.

In der Hoffnung, dass dann doch die Durchimpfungsrate auf über 80 Prozent steigt, ist das sicher eine zwar drastische, aber vielleicht hilfreiche Maßnahme, zumindest hofft die Bundesregierung das. Es wird hier natürlich sehr viel Kritik geben, vor allem auch die Freiheitliche Partei wird natürlich jetzt vor dieser „Zwangsimpfung“ warnen, die aber auf keinen Fall im Raum steht und dadurch auch die Spaltung und die Emotionalisierung dieses Themas weiter vorantreiben.

Selbstverständlich tut das jetzt dem gemeinsamen Klima innerhalb der Gesellschaft nicht gut, auch vielen Diskussionen in Familien wahrscheinlich nicht. Aber dennoch muss man sagen, dass die Politik, die Bundesregierung heute gemeinsam mit den Landeshauptleuten ganz klar auch gezeigt hat: Wir sind bereit, wirklich auch weiter zu gehen und verpflichtende Maßnahmen umzusetzen.

Wenn man sich jetzt den Zeitplan ansieht - die Rede ist von einer Impfplicht ab Februar, mit viel Zeit für Diskussionen - kann diese Impfpflicht noch scheitern?

Also einerseits ist dieser Zeithorizont insofern nachvollziehbar, weil Gesundheitsminister Mückstein ja angekündigt hat, er möchte ein sehr breites und auch länger dauerndes Begutachtungsverfahren. Hier geht es um viele rechtliche Aspekte, nicht zuletzt bis hin zum Verfassungsrecht. Da braucht es einfach eine gute Debatte ohne Zeitdruck und das ist auch notwendig. Sollte schon während dieser Phase nur aufgrund der Ankündigung vielleicht die Impfquote ohnehin schon steigen, dann kann man derartige Vorhaben auch wieder zurücknehmen.

Aber dieses Ankündigen/Versprechen und dann wieder Verändern, das ist ja auch ein Teil dieser politischen Kommunikation und Vorgangsweise, der zu sehr hoher Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt hat. Also ich würde jetzt schon empfehlen, wenn dieser Plan gefasst wird, dieses Gesetz dann auch wirklich zu formulieren und zu beschließen.

Und umgekehrt darf man auch nicht vergessen: Das braucht auch organisatorische Maßnahmen. Die Bundesländer sind ja betraut mit der Durchführung der Impfungen. Also auch sind die Regierung und alle handelnden Partner wieder gut beraten, wenn sie auch organisatorisch das so gut vorbereiten, dass wir nicht wieder wie etwa heute vor Situationen stehen, wo es heißt, da sind Meldesysteme überfordert etc. Auch diese ganzen organisatorischen Dinge sind zu wenig gut durchdacht.

Der am Montag beginnende Lockdown für alle soll nach 20 Tagen für ungeimpfte Menschen weitergehen. Kann man darin einen weiteren Versuch sehen, Menschen zur Impfung zu drängen?

Ja, selbstverständlich. Alexander Schallenberg hat das für mich eigentlich auch überraschend deutlich angesprochen, dass er den Ungeimpften auch die Schuld zuschreibt und dass hier der Druck erhöht wird, was ja eigentlich von den anderen Auftretenden heute eher vermieden wurde.

Ich finde es im Grunde problematisch, wenn man Maßnahmen von Zielerreichungen trennt. Eine Impfverpflichtung erhöht selbstverständlich die Impfquote. Ein Lockdown ist gedacht, um Kontakte zu reduzieren und natürlich vor allem, die Überlastung in den Krankenhäusern auch hintanzustellen. Also insofern wäre es aus Sicht einer stringenten, nachvollziehbaren politischen Kommunikation eher gefordert, zu sagen: Welche Maßnahme ist für was gedacht, was ist hier das Ziel, als wie hier ums Eck zu denken und wieder zu glauben, wenn wir einen Lockdown androhen, dann könnten sich vielleicht Manche auch zu einer Impfung entscheiden. Das habe ich in der Vergangenheit schon sehr problematisch gesehen und hier habe ich aber heute den Versuch wahrnehmen können, dass jetzt einfach klarer gesagt wird, welche Maßnahme verfolgt wirklich welches konkrete Ziel.

Minister Mückstein hat sich für die fehlende Klarheit in den Aussagen der Regierung und die Verwirrung der letzten Tage entschuldigt. Was halten Sie von dieser direkten Entschuldigung?

Das habe ich eigentlich als sehr wohltuend empfunden, dass auch ein Politiker einfach nicht versucht, anderen die Schuld zu geben, Dinge zu relativieren oder sich zu rechtfertigen für alles, was passiert ist in der Vergangenheit, sondern ganz offen auch zugibt und sich entschuldigt, dass nicht alles perfekt gelaufen ist. Ich glaube, das haben wir alle sehen können.

Ob jetzt Gesundheitsminister Mückstein für alles verantwortlich ist oder nicht, sei dahingestellt. Aber er hat jetzt einfach auch einmal die Bevölkerung nicht nur um Solidarität gebeten, um wieder einmal Mittragen aller Maßnahmen, sondern er hat auch wirklich persönlich - für mich sehr glaubwürdig - gesagt: „Es tut mir leid, wir hätten das besser machen können“, und ich hätte schon das Gefühl, dass auch dieses Eingeständnis jetzt vielleicht wieder für ein höheres Vertrauen sorgen kann. Niemand erwartet von Politikerinnen und Politikern, dass sie perfekt sind. Aber ich glaube, diese Reflexionsfähigkeit war doch sehr wohltuend.

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