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Felix Kummer im FM4 Interview

Philipp Gladsome

Interview

Felix Kummer über verschobene Touren und seinen letzten Song

Eigentlich hätte der Kraftklub-Frontmann sein Solo-Projekt bereits mit Sommer 2020 beenden wollen. Im FM4 Interview spricht Felix Kummer über verschobene Touren, seinen letzten Song und wie es danach für ihn weitergeht.

Von Alica Ouschan

Endzeitstimmung, aber von der guten Sorte, hat am Sonntagabend das Wiener Gasometer erfüllt. Wenige Stunden vor dem bundesweiten Lockdown hat Kummer sein Konzert in Österreich gespielt, ein Konzert, das eigentlich schon vor knapp zwei Jahren stattfinden sollte und mehrmals verschoben wurde. Durch die strenge „2G+“-Kontrolle fühlten sich viele im Publikum sicher genug, um das Konzert in vollen Zügen zu genießen, mitzusingen und zu pogen - man möchte fast sagen: wie in alten Zeiten.

„Das wird vielleicht wieder einmal mein letztes Konzert für eine längere Zeit“, sagt Kummer zum Abschluss und: „Ich möchte diesen Moment mit niemandem lieber verbringen als mit euch!“ Ein gebührender Abschluss war es jedenfalls, gekrönt vom textsicheren Publikum, das sogar den neuen Song in- und auswendig mitsingen konnte.

Denn um das Ende seines Solo-Projekts zu verkünden, hat Kummer vor zwei Wochen einen allerletzten Song releast. „Der letzte Song (Alles wird gut)“ ist ein Feature mit Fred Rabe, dem Sänger der Indie-Band Giant Rooks. Darin thematisiert Kummer den Wunsch, positiv in die Zukunft blicken zu können, aber aufgrund all der schlimmen Dinge, die auf der Welt passieren, dazu nicht in der Lage zu sein. Wie pessimistisch er tatsächlich ist, was die Verschiebung seiner Tour mit seinem Solo-Projekt gemacht hat, wie der letzte Song entstanden ist und wie es nach Ende der Kummer-Nummer für ihn weitergeht, erzählt Felix Kummer im FM4 Interview.

Radio FM4: Du hast dein Solo-Album „KIOX“ vor über zwei Jahren releast. Wenn du jetzt zurückschaust, hast du durch diesen zeitlichen Abstand einen neuen Blick darauf bekommen können? Wie hat sich dieses Solo-Projekt für dich entwickelt?

Felix Kummer: Eigentlich war der zweite Teil der Tour für März 2020 geplant und das fand dann alles nicht statt. Wir alle wissen, was da passiert ist. Dann hab ich wirklich anderthalb Jahre rumgesessen. Als ich dann wieder angefangen hab, für die Shows zu proben, habe ich mir nach anderthalb Jahren dieses Album angehört, und es war so, als hätte ein Fremder dieses Album gemacht - so nach dem Motto: „Aha, das ist ja interessant, das sag ich da also.“ Ich wusste wirklich nichts mehr. Ich hab mich wie so ein Fan von mir selber gefühlt, der sich das anhört und auswendig lernen muss. Jetzt ist es halt so, dass es mich natürlich ein bisschen geärgert hat, weil ich das ganze Konzept von Kummer darauf angelegt hatte, dass es kurz existiert und auch viel mit Vergänglichkeit gespielt wird. Zum Beispiel, dass es viele Sachen nicht mehr gibt. Die Platte gibt es nicht mehr in physischer Form. Ich hatte damals extra einen Laden aufgemacht zum Release, den gab es aber auch nur 3 Tage. Der große Plan stand schon, wie ich das Kummer-Ding beende. Dann kam mir diese ganze Pandemie-Scheiße dazwischen und es hat alles unglaublich verlängert. Jetzt habe ich aber die Möglichkeit, das noch mal standesgemäß zu beenden, und freue mich darüber sehr.

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Radio FM4

Das Gespräch mit Felix Kummer ist auch als FM4 Interview Podcast verfügbar.

Radio FM4: Die Kummer-Nummer sollte nach einem Jahr vorbei sein, du hattest vor, dann wieder mit deiner Band Kraftklub gemeinsame Sache zu machen. Was hat das mit dir und dem Projekt Kummer gemacht, dass es derart ausgedehnt wurde?

Felix Kummer: Ich habe im direkten Umfeld sehr viele Leute, die mit Musiker*innen gearbeitet haben, die in Crews gearbeitet haben, die es wesentlich härter getroffen hat als mich. Es kommt mir ein bisschen komisch vor, mich darüber zu beschweren, dass ich Däumchen drehend rumsaß. Logisch hab ich mich geärgert, aber ich hatte nie diese Existenzangst. Ich kenne sehr viele Menschen, die in der Zeit zu struggeln hatten und nach wie vor haben, jetzt wieder mehr als je zuvor, vor allem mental. Das ist das Erste, was mir so in den Kopf kommt, wenn ich darüber reden soll, wie schlimm das für mich war und wie doof das ist, dass mein Konzept zerschossen wurde. Das ärgert mich, aber das ist jetzt halt so. Ich stehe hier und kann über ein Konzert reden, das heute Abend tatsächlich stattfindet. Ich freue mich einfach auf die Festivals und auf die Shows, die ich spielen kann. Nach anderthalb Jahren bin ich dankbar über jedes Konzert. Ich stehe auf der Bühne und atme jeden Moment dieses Konzerts ein und versuche mir das ganz bewusst zu machen. Früher war das manchmal so, dass man ein Konzert gespielt hat und sich eigentlich fast mehr auf den Moment gefreut hat, wenn es vorbei ist, wenn der Druck und die Anspannung abfällt und man hinten sitzt und ein Bier trinkt. Jetzt genieße ich jeden Augenblick davon. Ist irgendwie auch geil.

Radio FM4: Du hast gesagt, es ist für dich so, als würdest du die Songs zum ersten Mal hören. Hat sich die Bedeutung der Songs für dich verändert?

Felix Kummer: Nein, eigentlich nicht so wirklich. Das ist nicht so, dass man die Songs immer wieder in einen neuen Kontext stellt. Ich habe ja auch gerade einen aktuellen Song rausgebracht, wo alle das Gefühl haben, dass der Song voll in die jetzige Zeit passt. Aber ich habe den Song schon vor über zwei Jahren angefangen zu schreiben. Klar ist es für viele Leute, die es jetzt hören, in den Kontext der aktuellen Zeit gerückt. Für mich ist das ein ganz anderer Kontext, aber weder das eine noch das andere ist ja richtig oder falsch.

Radio FM4: Du hast den neuen Song erwähnt, wie ist er entstanden?

Felix Kummer: Es gab relativ schnell die Idee von einem Abschluss und dass er nicht komplett aus dem Nichts raus kommen sollte. Je länger der Abstand zwischen dem Release und dem Abschluss wurde, desto wichtiger wurde mir, dass ich wenigstens noch mal einen Moment habe vor der Tour, wo ich sage „Ey Leute, Tschau!“ Aber den Text hab ich lange davor angefangen. Leider dauert es bei mir sehr lange, bis Texte fertig sind. Bei mir ist es nicht so, dass mich für zwanzig Minuten die Muse küsst und zack ist der Song fertig. Ich habe den angefangen vor über zwei Jahren, da war Corona schon ein Thema, aber das war eher noch so: „Alter, hast du mitbekommen, die haben in China eine Millionenstadt abgeriegelt.“ Und ich hab immer weiter geschrieben. So richtig fertig gemacht habe ich den Song erst diesen Sommer, wo dann auch der Moment kam, wo ich Fred gefragt habe, ob er das singen kann, und er noch mal eine ganz andere Dimension reingebracht hat.

Radio FM4: Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

Felix Kummer: Ich kenne Fred schon eine ganze Weile. Wir haben die Giant Rooks mit Kraftklub 2016 als Support mitgenommen. Da waren die noch ganz kleine Rotzer. Also wir auch, wir waren da ehrlicherweise auch noch kleine Rotzer. Aber sie mussten nach dem letzten Konzert ganz schnell los, weil sie am nächsten Tag in die Schule mussten und Klausuren geschrieben haben. Seit der Zeit verfolge ich die Giant Rooks und sie sind ja auch groß rausgekommen mittlerweile. Ich bin Fan geblieben und hatte mir halt überlegt, wer den Song so richtig nailen könnte. Fred hat es auf jeden Fall mega genailt, finde ich.

Felix Kummer im FM4 Interview

Philipp Gladsome

Radio FM4: Du fasst im Song die Grundstimmung des Albums zusammen und schließt mit Zeilen wie „Gib mir eine Strophe und die gute Stimmung kippt“ den Kreis zum Rap, den du auf deinem Album wieder traurig gemacht hast. Bist du trauriger, pessimistischer, zynischer geworden?

Felix Kummer: Ich weiß nicht, ob Zynismus das passende Wort ist, aber so eine taube Resignation hat sich eingestellt. Es waren auf jeden Fall keine schönen anderthalb Jahre. Wir stehen ja grad wieder vor einem Lockdown und der betrifft auch die Menschen, die seit anderthalb Jahren alles machen, was von ihnen verlangt wird. Auch Menschen, die im Veranstaltungsbereich, in der Gastronomie arbeiten. Die waren die ersten, die downgeshuttet wurden und die letzten, die aufmachen durften, und jetzt ist es schon wieder so wie vor anderthalb Jahren. Natürlich will man nicht mit den Faschos demonstrieren gehen, aber ich hab irgendwie auch Wut. Also ich sag mal so, ich bin auf jeden Fall nicht viel positiver geworden.

Im Song geht es um viele Dinge, die sich in den letzten zwei Jahren zugespitzt haben, die aber eigentlich schon viel länger Thema sind. War der Song für dich auch ein Frust-Ablassen?

Felix Kummer: Ich kann das nur so hobbypsychologenmäßig selber analysieren. Wahrscheinlich wird es schon so sein, dass ich da Sachen katalysiere und Dinge ablade, die mich bedrücken. Ich glaube, das Tragische an diesem Song ist, wenn der vor zwei Jahren rausgekommen wäre, hätte der in die Zeit gepasst. Jetzt passt er auch wieder. Ich vermute mal, vielleicht passt er in zwei Jahren dann blöderweise auch noch. Es gibt für mich auf jeden Fall einen krassen Unterschied zwischen dem Moment, wo ich den Song geschrieben habe, und dem Moment, wo ich ihn zum ersten Mal live gespielt habe. Es gibt dann doch immer wieder bei mir und auch im Leben generell nicht nur Schwarz und Düsterheit. Aber ich kann wenig damit anfangen, wenn Leute sagen: „Hey, nutzen wir doch die Pandemie, um Spanisch zu lernen, ist doch alles super!“ Das fühl ich nicht.

Radio FM4: Produziert wurde der Song von BLVTH, der schon dein Album produziert hat, und Flo August. Das Album klingt sehr elektronisch, beatlastig, teilweise sphärisch und episch, der letzte Song eher rockiger und eigentlich sogar ein bisschen nach Kraftklub. Da fehlt nicht mehr viel, oder?

Felix Kummer: Kann schon sein, dass der Song eine kleine Brücke geschlagen hat. Es gibt nämlich auch zwei Burschen namens Steffen Israel und Karl Schumann, die beim Song auch mitgemacht haben. Also ich sage mal, das kann schon passieren, dass da vielleicht schon so ein leichter Brückenschlag angedeutet wird.

Radio FM4: Vor zwei Jahren hast du gesagt, dass du dich mehr als Bandmitglied siehst als als Solo-Künstler. Ist das nach wie vor dein Plan? Wird es wieder Kraftklub-Musik und -Konzerte geben?

Felix Kummer: Klar, daran hat sich nichts geändert. Ich habe das sehr genossen, diese Art von Selbstverwirklichung, bei der man null Kompromisse schließen muss und alles selber entscheiden kann. Das ist schon chillig. In einer Band zu sein, heißt halt auch immer mit Menschen Kompromisse schließen. Aber der Backstage ist schon ein bisschen langweilig. Ich merke dann schon, dass mir die anderen einfach fehlen. Also ja, nach wie vor ist das der Plan. An meiner Aussage hat sich nichts geändert.

Du spielst gerade den zweiten Teil deiner Tour. Wenige Stunden nach deinem Konzert im Wiener Gasometer startet in Österreich ein bundesweiter, harter Lockdown – mit welchem Gefühl gehst du in die Show?

Felix Kummer: Ich kann verstehen, dass man sich wünscht, dass das Konzert verschoben wird. Gleichzeitig gibt es hier das Konzept, dass man geimpft und PCR-getestet sein muss. Also ich sag mal so: Wenn alle Leute sich so verhalten würden wie die Menschen, die auf dieses Konzert gehen, hätten wir ja auch nicht die Situation, die wir gerade haben. Ich kann es verstehen, wenn Leute das scheiße finden, dass es stattfindet. Aber ich finde, die Verantwortung für die Situation auf die Menschen abzuladen, die sich an alle Vorgaben halten, um möglichst sicher zu sein, das finde ich schon ein bisschen schräg. Dass denen die Verantwortung zugeschoben wird für diese Situation, wo eindeutig ist, wer eigentlich für die Situation verantwortlich ist. Und das sind eben nicht diese Menschen, die sich geimpft und getestet haben. Ich habe auf jeden Fall ein gutes Gefühl.

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