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Weihnachtsmarkt im Lockdown

APA/ROLAND SCHLAGER

mit akzent

Es gibt nichts Traurigeres als einen Weihnachtsmarkt im Lockdown

Ähnlich trist ist nur der Wurstelprater früh am Morgen. Man ist gewohnt ihn beleuchtet und voller Menschen zu sehen. Aber früh am Morgen, unter dem gnadenlosen Licht des Sonnenaufgangs, sieht man wie abgenutzt und alt die Attraktionen sind. Sie quietschen hilflos vor sich hin und auf einigen klebt ein Blatt Papier wo „defekt“ draufsteht.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Genau so schauen jetzt Weihnachtsmärkte aus, so als ob jemand „defekt“ darauf geschrieben hat. Nicht, dass ich Weihnachtsmärkte vermisse. Punsch und Glühwein sind scheußlich süß und Menschenmengen kotzen mich an. Da kann man nur seine Geldtasche los werden. Im wörtlichen wie im übertragenden Sinn.

Eigentlich will man nur drei Christbaumkugeln kaufen und dann geht man mit einem Dutzend Elfen auf einem Seil, mit Glitzer bestreuten Tannenzapfen und Kokosnüssen mit aufgemalten Weihnachtsmännern wieder heim. Ohne es zu merken trägt man plötzlich selbst einen weißen Weihnachtsmannbart, den man mit einem Gummi am Nacken schief befestigen muss.

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Außerdem sind Weihnachtsmärkte ein Paradies für Taschendiebe. Wenn dich ein lustiger Mann fragt, von wo du diesen schönen Bart gekauft hast, kann sein lustiger Komplize schnell in deine Taschen schauen.

Eigentlich ist es aber sehr schön. Kinder freuen sich und Erwachsene werden infantil. Auch ich war am letzten Tag vor dem Lockdown mit meiner kleinen Familie auf einem Weihnachtsmarkt. Denn wir haben natürlich Kugeln für den Baum gebraucht.

Am gleichen Tag fand dann aber auch ein massiver Protest gegen die Corona-Maßnahmen statt. Als wir mit dem Kinderwagen in den Aufzug der U-Bahn-Station einstiegen, gesellte sich ein Mann zu uns - demonstrativ ohne Maske. Er schaute uns herabwürdigend an. Er wollte uns über die Wahrheit aufklären und zeigen, was für maskierte Schafe wir sind. Die Stimmung war entsprechend und ich hatte das Gefühl, dass er knapp dran war, sich als nächstes eine Zigarette anzuzünden und demonstrativ den Rauch ins Gesicht meiner Tochter zu blasen.

Vor meinen Augen erschien eine Prater-Attraktion mit einem „Defekt“-Schild darauf. Wir brauchen so ein Schild für unsere ganze Gesellschaft.

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