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Karl Nehammer

APA/ROLAND SCHLAGER

Kathrin Stainer-Hämmerle zur Regierungsumbildung

Alexander Schallenberg ist als Bundeskanzler zurücktreten, mitten in der Pandemie wird nun Karl Nehammer zum dritten Bundeskanzler innerhalb von nur zwei Monaten.

Ali Cem Deniz hat mit der Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle über die Wirkung auf die Öffentlichkeit, den von Karl Nehammer heute angedeuteten Weg und die Frage, ob die türkise Neue Volkspartei wieder zur schwarzen ÖVP wird, gesprochen.

Ali Cem Deniz: Karl Nehammer ist jetzt Bundeskanzler. Sein Vorgänger Alexander Schallenberg hatte ja sehr offen zugegeben, dass er die Linie von Sebastian Kurz eins zu eins fortsetzen wollte. Kann man nach der Pressekonferenz am Freitag annehmen, dass das jetzt so weitergeht, oder wird Nehammer als Bundeskanzler versuchen, sich von der bisherigen Linie etwas abzugrenzen?

Kathrin Stainer-Hämmele: Karl Nehammer war natürlich ein Wegbegleiter von Sebastian Kurz, aber er muss jetzt ein wenig eigene Handschrift zeigen. Nicht nur mit seinem Team, sondern auch inhaltlich. Was er heute bei seiner Antrittsrede sehr betont hat, waren seine Werte: Verantwortung, Solidarität und Freiheit, aber vor allem auch das „Wir“ und diese Rückkehr zur Volkspartei. Er wird noch nicht schwarz, hat gesagt, die Farbe spielt keine Rolle, aber er wird natürlich integrativer wirken, die Partei nicht mehr so auf eine Person ausrichten, sondern eben auch Landeshauptleute und Bünde stärker einbeziehen - müssen.

Das wäre auch meine nächste Frage gewesen, denn mit Sebastian Kurz gehen ja auch Finanzminister Gernot Blümel und Bildungsminister Heinz Faßmann. Kann man sagen, dass die türkise ÖVP jetzt schon wieder ganz schwarz wird?

Karl Nehammer war als Generalsekretär natürlich dabei, diese Neue Volkspartei auch zu gestalten und er müsste jetzt einfach das Beste aus beiden Welten vereinen. Natürlich die professionelle Kommunikation der Neuen Volkspartei - allerdings nicht die Message Control – und, ich glaube, auch inhaltlich wird er beim Thema Zuwanderung und Asylpolitik durchaus auf Linie bleiben. Es geht ja auch darum, die FPÖ hier auf Abstand zu halten. Das birgt natürlich auch die Gefahr von neuen Konflikten mit den Grünen.

Wenn wir jetzt noch bei der ÖVP bleiben, die ja in den letzten Jahren sehr klar auf Sebastian Kurz getrimmt war, wie wird sich diese Partei jetzt neu aufstellen, wo diese eindeutige Führungsfigur fehlt?

Jede Führungsfigur, die derartige Erfolge feiern konnte - zumindest bei Wahlen - hinterlässt natürlich eine Lücke. Aber die ÖVP hat sich in den letzten Wochen und Monaten, das hat man ja gesehen, durchaus anfreunden können mit einem Leben nach Sebastian Kurz. Es hängt jetzt vor allem an Karl Nehammer, diese Funktionen wieder zusammen zu führen, Bundeskanzler und Bundesparteiobmann. Also rein statuarisch betrachtet hat er die Fäden in der Hand, aber wird in alter Manier alle Teilorganisationen verstärkt einbinden müssen. Das war im Grunde keine Schwäche der Volkspartei. Die Schwächen gibt es, wenn die Differenzen an die Öffentlichkeit dringen, und da hängt es dann eher an der persönlichen Autorität von Karl Nehammer.

Kann man sagen, dass er der Kompromisskandidat zwischen der schwarzen und türkisen ÖVP ist, weil er eben einerseits sehr nah an Sebastian Kurz stand, andererseits werden ihm auch gute Beziehungen zu den Landeshauptleuten nachgesagt. Ist er die integrative Figur, die es jetzt gebraucht hat?

Die ÖVP wird das hoffen oder auch an ihn glauben, sonst hätten sie ihn nicht einstimmig bestellt. Also das allein ist ein Beweis dafür, dass er jetzt einmal für alle das passende Angebot ist. Es ist natürlich auch eine Generationenfrage. Wenn man keinen Übergangskandidaten installieren möchte, sondern jemanden aus der jüngeren Generation, dann landet man unweigerlich auch bei dieser türkisen ÖVP.

Karl Nehammer

APA/ROLAND SCHLAGER

Wenn wir jetzt auf die sehr kurze Amtszeit von Alexander Schallenberg zurückschauen, wo ja eigentlich schon von Anfang klar war, dass er sich als Stellvertreter von Sebastian Kurz sieht, kann Karl Nehammer eine Figur sein, die jetzt nicht nur zwischenzeitlich das Amt übernimmt, sondern vielleicht eine Person, mit der die ÖVP auch in Neuwahlen gehen würde?

Die Weichen der ÖVP sind ab heute mal gestellt. Eben diese Personalunion, dieses Angebot für Kanzler, Parteichef und auch Spitzenkandidat, das erfüllt Karl Nehammer. Das hat Alexander Schallenberg nie erfüllt, weil ihm einfach diese Verankerung in der Partei und auch die Kenntnis der Parteipolitik generell gefehlt haben.

Wenn wir nach Deutschland zur Verabschiedung von Angela Merkel blicken: Das schaut aus wie ein gelungener Abschied. In Österreich haben wir im Vergleich dazu eine sehr instabile Situation, in der das Bundeskanzleramt gefühlt alle drei Monate neu besetzt wird. Wie kann man in so einer Situation sicherstellen, dass das Vertrauen in die Politik nicht ganz verloren geht?

Das ist tatsächlich der Auftrag an alle Parteien und nicht nur an die Regierungsparteien oder nur an die ÖVP: sich wieder zu bemühen um das Vertrauen innerhalb der Bevölkerung. Daher würde ich davon abraten, jetzt in einem Lockdown oder auch noch im Höhepunkt einer neuen Welle auch nur darüber zu spekulieren, wann es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen sollte. Das würde die Bevölkerung nicht verstehen. Aber es geht auch um den gemeinsamen Umgang, um den Ton in den politischen Debatten innerhalb der Regierung, auch mit der Opposition. Es geht darum zu zeigen, dass dieses polarisierte Klima in der Gesellschaft keine Zukunft haben darf, dass man sich aufeinanderzu bewegen muss und als Vorbild wirken und damit auch vertrauensbildend.

Glauben Sie, dass Karl Nehammer das schaffen kann, wenn man daran denkt, dass er mit Herbert Kickl auch eine ganz besondere Beziehung hat?

Parteitaktisches Kalkül steht in der Hitze des Gefechts natürlich immer im Vordergrund. Viele Parteien orientieren sich viel zu stark an Umfragen und damit auch kurzfristig. Also weg von der Sonntagsfrage hin zu den generell Vertrauenswerten. Ich glaube, das gibt genug Anlass, sich dem einen oder anderen Scharmützel zu entziehen. Karl Nehammer hat heute versucht, das auch zu signalisieren, mit seiner Werteorientierung, mit dieser Betonung der Volkspartei. Ob und wie ihm das gelingt, das liegt natürlich an ihm, aber auch an allen anderen Vertretern in der Spitzenpolitik und nicht zuletzt auch an den Medien und der Bevölkerung.

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