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Szenenbild "And just like that"

HBO/Sky

Woke statt Vogue

Carrie, Miranda und Charlotte sind zurück. Die Fortsetzung der Serie „Sex and the City“ heißt „And just like that“ und das Fehlen von Samantha ist das kleinste Problem. Allzu eifrig und vor allem haarsträubend patschert um Wokeness bemüht, sind die ersten beiden Episoden nur etwas für FreundInnen des Cringewatchings.

Von Pia Reiser

Stellt euch einen wahnsinnig gut angezogenen Marktschreier vor, der mit einer Glocke in der Hand an einer Straßenecke steht und jedem, der vorbeigeht, „ICH BIN WOKE“ ins Gesicht brüllt. Seht ihr ihn vor euch? Dann habt ihr im Grunde grad die ersten beiden Episoden der „Sex and the City“-Fortsetzung namens „And just like that“ gesehen.

Obwohl schon die beiden Film-Fortsetzungen der einflussreichen HBO-Serie immer wie ein Verrat schienen an allem, was der Serie wichtig war, probiert man es also nochmal mit einer Wiederauferstehung. Als die erste Episode von „Sex and the City“ 1998 ausgestrahlt worden ist, war die Serie eine Sensation: Gleich vier weibliche Hauptrollen und dann auch noch eine fürs damalige Fernsehen tabulose Herangehensweise beim Thematisieren von Sex und Beziehungen, das Wichtigste aber vermutlich: die Freundschaft zwischen den vier Frauen. Diese Pionierrolle der Serie darf man nicht vergessen, wenn man jetzt darauf zurückblickt und bei der Darstellung eines Alltags in Manhattan zwischen Cocktails, Parties, Dates und Brunch und sehr viel Shopping im ersten Moment vielleicht nur mehr white privilege sieht.

Szenenbild "Sex and the City"

HBO/Sky

Sex and the City, 1998

Während die Themen, die Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha zwischen Tschick und Martini diskutierten, aus der echten Welt waren, war die Serie „Sex and the City“ nie daran interessiert, eine echte Welt abzubilden, auch das machte ja den Reiz der Serie aus. Als im katastrophalen zweiten „Sex and the City“-Film erwähnt wird, dass Carrie und Mr Big auch von der Finanzkrise getroffen worden sind, war ich irritiert, bis dahin war das New York der Serie eines dieser RomCom-New Yorks gewesen, mehr eine Idee von einem Ort als ein tatsächlicher Ort. Für die neue 10-teilige Serie „And just like that“ wollte man das ändern. Spoiler Alert: Das war keine so gute Idee.

Die ÖVP dürfte auch in New York fleißig plakatiert haben, denn die Pandemie ist hier vorbei. Nur mehr ein kleiner Desinfektionsspray in Carries Handtasche und die Glitzerhandschuhe, die sie anzieht, um in öffentlichen Gebäuden den Aufzugknopf zu drücken, erinnern noch an Corona. Keine Babyelefanten weit und breit, the biggest elephant in the room, wenn wir Carrie, Miranda und Charlotte beim Brunch treffen, ist natürlich die fehlende Samantha. Kim Catrall hatte nach jahrelangen Streitigkeiten mit Sarah Jessica Parker kein Interesse mehr, das Quartett zu vervollständigen. Ihr Fehlen wird - wie das US-amerikanische Serie seit jeher machen - mit einem Umzug nach Europa erklärt. Brenda aus „Beverly Hills 90210“ ist damals auf Nimmerwiedersehen nach Paris verschwunden, Samantha sitzt nun in London. Die fehlende Samantha wurde schon im Vorfeld als mögliches Problem der Serie diskutiert, aber ziemlich schnell stellt sich heraus, dass das noch eines der kleineren Wehwehchen ist. Nur für einen kleinen Moment ist alles gut: Wenn Sarah Jessica Parker ihr larger than life Lächeln aufsetzt und die Hände in die Höhe wirft, dann ist für ein paar Sekunden tatsächlich alles wie vor 20 Jahren. Und alles gut.

Wahnwitzig gut angezogene Freundinnen beim Brunch in einem hippen Lokal. Der nächste Cocktail nur ein Fingerschnippen entfernt. Dann aber setzen die Dialoge ein und man erkennt die Figuren fast nicht wieder. Carrie hat jetzt einen Instagram-Account und ist Co-Host von einem Podcast - relativ üblich für eine Kolumnistin im Jahr 2021, doch die Serie behandelt beides mit Argwohn. Miranda hört sich den Podcast noch nicht mal an, denn I love you but podcasts? This is where I draw the line.

Ich hab jetzt keine „Sex and the City“ Episoden erneut angeschaut, aber wäre nicht Carrie Bradshaw eine der Ersten gewesen, die einen Instagram-Account zu nutzen gewusst hätte und nicht jemand, der sich dafür leicht geniert? Und ist Miranda nicht jemand, der sich „Serial“ beim Release dreimal angehört hat und immer sehnsüchtig auf neue Episoden von „This American Life“ wartet?

Szenenbild "And just like that"

HBO/Sky

Is this heaven? Or am I looking at a white woman’s instagram?

Aber man könnte über die Podcast-Sache natürlich hinwegsehen, wenn die Serie irgendwann die „Uff, die Welt ist 2021 ganz schön anstrengend"-Haltung abstreifen würde. Stellenweise wirkt es, als wären Carrie, Miranda und Charlotte vor 11 Jahren – also nach dem zweiten „Sex and the City“-Film - eingefroren worden und müssten sich jetzt in einer für sie komplett neuen Welt zurechtfinden. Instagram, Podcasts und huch Diversität und Wokeness. It’s a hard knock life.

Was Repräsentation und Sprache angeht, hat sich in den letzten Jahren tatsächlich viel geändert, das reichlich weirde „Okzident meets Orient und Okzident erklärt Orient die Welt“-Szenario aus „Sex and the City 2“ würde wohl heute aus jedem Drehbuch gestrichen werden. Dass aber „And just like that“ jeder der drei Frauen eine nicht-weiße Freundin an die Seite setzt, um Lektionen in Sachen Wokeness unterzubringen, wirkt wie eine Entschuldigung für fehlende Diversität in „Sex and the City“.

Der Host des Podcasts, bei dem auch Carrie mitmacht, ist „a non-binary exican-irish stand up comedian“. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es die Serie nicht dauernd erwähnen würde. Den Gedankensprung, dass Inklusion und Repräsentation nicht bedeutet, dass man diese Figuren dann dauernd sich erklären lässt und sie so wieder in eine abseitige Sonderstellung zwingt, haben die DrehbuchautorInnen leider nicht gemacht. Gleiches gilt auch für Details. Statt Mirandas Haare einfach grau sein zu lassen, finden in der ersten Episode mindestens vier Dialoge über die grauen Haare statt. So kommen wir nicht weiter.

Die Leichtigkeit, mit der in „Sex and the City“ über alles gesprochen worden ist, ist verschwunden. Carrie Bradshaw, früher mal Sex-Kolumnistin fühlt sich auch jetzt nicht wohl als Podcast-Host über Sex zu sprechen. Die ansonsten so souveräne Miranda redet sich auch beim ersten Treffen mit einer schwarzen Professorin um Kopf, Kragen, Glaubwürdigkeit und Sympathie, rettet die Professorin später aber vor crazy Jugendlichen und deren crazy TikTok-Streich und voilà - Mirandas Fettnäpfchen sind vergessen.

In den ersten beiden Episoden von „And just like that“ sind die drei Frauen bloß Vehikel, um Themen durchzukauen, um zu beweisen, dass man weiß, was 2021 grad so los ist - bloß, dass die Thematisierung so patschert ist, dass einem der Mund offen stehen bleibt. Erwähnenswert bleiben da nach den ersten beiden Episoden nur die sensationellen Outfits von Carrie – und ein Twist am Ende der ersten Episode, der wohl einige aus den Socken hauen wird. Wenn die Serie nicht im Lauf der nächsten Episoden ihre Krampfigkeit verliert, dann kann da auch Sarah Jessica Parkers Lachen nur mehr wenig retten.

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